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Landrat Ulrich Fiedler: „Wir haben eine sehr hohe Klinikdichte“

Im Februar 2021 wurde der damalige Metzinger Oberbürgermeister Ulrich Fiedler (parteilos) Reutlinger Landrat. Seither ist seine Arbeit von Krisen geprägt, erst Corona, dann der Krieg in der Ukraine, nun sind es die Krankenhäuser. Die Schließung der Klinik in Bad Urach hat mit den Vorschlägen von SPD-Gesundheitsminster Karl Lauterbach allerdings nichts zu tun.
Klinikgelände des Krankenhauses Klinikum am Steinenberg Reutlingen

Das Reutlinger Kreisklinikum soll weiterhin ein kleiner Maximalversorger bleiben.

dpa/ZB/euroluftbild.de/Martin Bildstein)

Staatsanzeiger: Wie ist die Lage Ihrer Kliniken im Kreis Reutlingen?

Ulrich Fiedler: Unsere Kreiskliniken haben drei Standorte, wobei die stationäre Versorgung in Bad Urach Ende April eingestellt wird. Das hatten wir im Kreistag bereits 2020 beschlossen, anvisiert jedoch für Ende April 2025. Nach Corona stellen wir aber fest, dass uns heute und perspektivisch das Personal so dramatisch fehlt, dass wir bereits Ende April 2023 schließen müssen. Bleiben zwei Standorte. In Reutlingen übernehmen wir die Patienten aus dem Einzugsbereich Bad Urach, die so bestmöglich versorgt sind. Und in Münsingen schauen wir, wie wir die Kategorisierung erreichen. Es ist unser klares Ziel, diesen Standort zu erhalten.

Landrat Ulrich Fiedler

Ulrich Fiedler (parteilos),

Landrat des Landkreises Reutlingen

Die Lauterbach-Reform geht von drei Levels je nach Klinikgröße und Angebot aus. Wo möchten Sie mit Münsingen und Reutlingen landen?

Im kleinen Münsingen werden wir wohl unter Kategorie zwei liegen. In Reutlingen stellt sich die Frage, ob wir Level zwei oder drei erreichen. Klar ist, Reutlingen bleibt als kleiner Maximalversorger neben Tübingen bestehen. Wir sprechen aber über ein sehr frühes Stadium im Gesetzgebungsverfahren, und wir werden versuchen, über unsere Spitzenverbände Einfluss darauf zu nehmen.

Trotz vieler Fragen zu Lauterbachs Vorschlägen: Welche grundsätzliche Haltung haben Sie zu den Reformvorschlägen?

Wir haben im internationalen Vergleich eine sehr hohe Klinikdichte, wobei Baden-Württemberg weit besser dasteht als andere Bundesländer. Daher spreche ich von einem Qualitätsthema. Wir brauchen an den verbleibenden Klinikstandorten die höchste Qualität sowie Fachkräfte, um die Qualität abzubilden. Wir müssen über Kooperationen mit den Universitätskliniken mit ihrer herausgehobenen Stellung nachdenken, Raumschaft für Raumschaft betrachten und fragen, ob der reine Planwert ausreicht. Die Reform aber ist begründet, da müssen wir was tun.

Profitieren Sie als Klinikträger von der Nähe zur Tübinger Uni-Klinik?

Das hat Vor- und Nachteile. Das Land unterliegt in diesem Bereich attraktiveren Tarifverträgen als wir hier im kommunalen Bereich. Die Rekrutierung wird dadurch schwieriger. Die Bürger aber profitieren von der optimalen Versorgung einerseits der Kreiskliniken und andererseits in Tübingen – und auch Stuttgart ist ja nicht weit.

Eine Klinikschließung ist ja auch ein emotionales Thema …

Das stimmt, ich weiß, dass die Kollegen im Land nach solchen Entscheidungen auch schon mal Personenschutz gebraucht haben. So weit ging es in Bad Urach aber nicht, hier haben wir ja schon vor Jahren die Schließung beschlossen. Aber jenseits der Emotionen können wir auch belegen, dass die Menschen sehr entschieden für den Erhalt ihrer Kliniken vor Ort eintreten, aber dann oft Einrichtungen auswärts aufsuchen.

Wechseln wir das Thema: Worin unterscheidet sich die Flüchtlingssituation heute von der 2015?

Wir haben 2022 mehr Geflüchtete im Landkreis aufgenommen als in den Jahren 2015 und 2016 zusammen. Gleichzeitig sehen wir gerade zu Beginn eine große Offenheit für Flüchtlinge aus der Ukraine: Viele sind privat untergekommen. Dennoch hatten wir Herausforderungen, etwa den Rechtskreiswechsel ins SGB II, zu bewältigen.

Was bringt der Rechtskreiswechsel für die Betroffenen?

Neben veränderten Leistungen erleichtert er die Integration. Aber wir müssen aufpassen, die Gesellschaft ist schon stark belastet, und der Druck auf die Systeme steigt. Wir können in Baden-Württemberg schon für 25 Prozent der Kinder den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz nicht einhalten. Nun kommen noch die Kinder der Geflüchteten hinzu. Wir haben im Kreis Geflüchtete übergangsweise in vier Turnhallen untergebracht. Diese fehlen für den Vereinssport, und der wäre wichtig, gerade für die Kinder. Wir brauchen eine gerechtere Verteilung der Geflüchteten in Europa.

Die Auskreisung ist gescheitert: Wie laufen die Gespräche zwischen Stadt und Landkreis Reutlingen?

Wir haben im Austausch mit der Stadt Reutlingen sehr gute Ergebnisse erzielt, auch jenseits der Themen von vor fünf Jahren. Ich glaube nicht, dass der Konflikt heute noch virulent ist. Wo sich ein Partner zurückgesetzt fühlt, muss man im Gespräch Lösungen finden. Und ich halte Vieles für lösbar. Unser gutes Miteinander müssen wir ausbauen.

Quelle/Autor: Rafael Binkowski und Peter Schwab

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