Debatten im Landtag vom 11. und 12. Oktober 2017

AfD attackiert Ministerpräsident Kretschmann

Stuttgart. Die AfD-Fraktion hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Mittwoch im Landtag „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ vorgeworfen. Fraktionschef Jörg Meuthen bezog sich in der aktuellen Debatte „Gefahr für die Demokratie durch zunehmende Missachtung der demokratischen Spielregeln durch gewählte Volksvertreter“ auf die Äußerung des Regierungschefs, der die Wähler der AfD als „ein Bodensatz“ bezeichnet hatte. Außerdem attackierte Meuthen […]

Stuttgart. Die AfD-Fraktion hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Mittwoch im Landtag „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ vorgeworfen. Fraktionschef Jörg Meuthen bezog sich in der aktuellen Debatte „Gefahr für die Demokratie durch zunehmende Missachtung der demokratischen Spielregeln durch gewählte Volksvertreter“ auf die Äußerung des Regierungschefs, der die Wähler der AfD als „ein Bodensatz“ bezeichnet hatte. Außerdem attackierte Meuthen auch Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne), die bei öffentlichen Auftritten ihre politische Neutralität verletzt habe.
Kretschmann hatte bereits am Dienstag nach seiner „Bodensatz“-Äußerung über AfD-Wähler Abbitte geleistet. „So einen Begriff wie Bodensatz, den muss man nicht verwenden“, sagte Kretschmann bei einer Pressekonferenz in Stuttgart und erklärte, er habe mit seiner Äußerung nach der Bundestagswahl niemanden diskriminieren wollen. „Den Begriff kann ich gerne in Zukunft vermeiden.“ An der Aussage halte er aber fest: Es gebe einen Bodensatz an Nationalisten, der schwer zurückzugewinnen sei. In der Debatte am Mittwoch ging der Regierungschef nichts ans Rednerpult.
Meuthen warf Kretschmann vor, mit seinen „skandalösen Aussagen“ 24 Millionen Wähler in Deutschland und 300 000 in Baden-Württemberg beleidigt zu haben. Dies sei eine „grob überzogene Menschenfeindlichkeit“. Der AfD-Fraktionschef forderte den Ministerpräsidenten auf, sich für die inakzeptable Entgleisung zu entschuldigen. Meuthen folgerte, der Kampf gegen Antidemokraten bringe neue Antidemokraten hervor.
Die anderen vier im Landtag vertretenen Parteien verteidigten Kretschmann und warfen im Gegenzeug der AfD-Fraktion vor, sich selbst nicht an demokratische Spielregeln zu halten und die etablierten Fraktionen „kübelweise zu diffamieren“, wie Hans Ulrich Sckerl (Grüne) sagte. Die Lieblingsrolle der AfD sei die Inszenierung als Opfer und nicht politische Inhalte. Auch die jetzigen Vorwürfe seien konstruiert. Sckerl verteidigte seine Parteikollegen Kretschmann und Aras. Der Ministerpräsident habe vor einem Rechtsruck in der Gesellschaft gewarnt. Der Landtagspräsidentin attestierte er eine konsequente Haltung gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Deshalb seien die Vorwürfe mangelnder politische Neutralität abstrus. Ziel der Grünen sei es, dem Rechtspopulismus den Boden zu entziehen.
Auch die Vize-Fraktionsvorsitzende Nicole Razavi (CDU) warf der AfD vor, auf Polemik, Radau und Provokation zu setzen. Sie löse „kein einziges Problem“. Anliegen der CDU sei es, die vielen AfD-Wähler zurückzuholen. Zwei Drittel davon hätten die Partei nur aus Enttäuschung über die anderen Parteien gewählt. Die Wahlentscheidung akzeptiere sie; es sei das gute Recht der AfD-Wähler, ihr Wahlrecht auszuüben und sich so zu entscheiden. Gleichzeitig kündigte Razavi an, die AfD-Fraktion im Landtag nicht zu schonen: „Es gibt keinen Welpenschutz.“
Für die SPD kritisierte Reinhold Gall (SPD), die AfD lasse die Achtung vor der Landesverfassung und der Geschäftsordnung des Landtags vermissen. Demokratische Spielregeln seien auch Stilfragen, reklamierte der frühere Innenminister. Wer andere Vorwürfe mache, müsse sich fragen, ob er selbst als Vorbild tauge. Als Beispiele für nichtkonformes Verhalten der AfD nannte er den Begriff „Kartellparteien“, die Aussagen der AfD zu den Ausschreitungen in Schorndorf sowie die Beschimpfung etablierter Parteien als „Volksverräter“ anlässlich des 9. November. Die AfD versuche, „in unsere Gesellschaft einen Keil zu treiben“, so Gall.
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke konstatierte, die AfD inszeniere sich wieder einmal als Opfer. Zunächst habe er die aktuelle Debatte als Selbstkritik der AfD verstanden. Nun erinnere diese ihn allerdings an eine Schmierenkomödie, in der der Obelix der AfD Hinkelsteine durchs Glashaus werfe. Mit ihren Attacken gegen den Ministerpräsidenten sorge die AfD für eine Premiere, denn: „Rülke verteidigt Kretschmann.“ Der Liberale ließ auch die Entschuldigung für manche verbale Fehltritte, bei der AfD handele es sich um eine junge Partei, nicht gelten. „So wie Sie Politik machen, wird aus der jungen Partei nie eine ältere“, orakelte Rülke.

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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