Debatten im Landtag vom 16. und 17. Oktober 2019

AfD will Tariftreue- und Mindestlohngesetz abschaffen

STUTTGART. Die Fraktion der AfD hat ein "Gesetz zur Aufhebung des Tariftreue- und Mindestlohngesetzes für öffentliche Aufträge in Baden-Württemberg" in den Landtag eingebracht. Die Redner der anderen Fraktionen machten in der Debatte klar, dass sie dem – aus unterschiedlichen Gründen – nicht folgen werden. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) sieht zwar Gesprächsbedarf. Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf […]

STUTTGART. Die Fraktion der AfD hat ein "Gesetz zur Aufhebung des Tariftreue- und Mindestlohngesetzes für öffentliche Aufträge in Baden-Württemberg" in den Landtag eingebracht. Die Redner der anderen Fraktionen machten in der Debatte klar, dass sie dem – aus unterschiedlichen Gründen – nicht folgen werden.
Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) sieht zwar Gesprächsbedarf. Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf sei aber ein Schnellschuss. "Er würde über die unterschiedlichen Stimmen der Betroffenen hinweggehen", sagte die Ministerin. Ihr Haus werde sich aber die Zeit nehmen, die wichtigen Einschätzungen der Verbände, der Wirtschaftsorganisationen und der Gewerkschaften zu bewerten.
Für Heiner Merz (AfD) ist die Ausgangslage klar: Noch Grün-Rot habe ein Gesetz beschlossen, "das von Beginn an infrage stand" und das spätestens seit 2015 überflüssig sei, weil es einen bundesweiten Mindestlohn gebe. Tatsächlich aber habe sich die Wirtschaft auf ein jahrelanges Experiment einlassen müssen und Auftragnehmer öffentlicher Aufträge im Land hätten Millionen Euro zur Umsetzung von Dokumentations- und Nachweispflichten vergeuden müssen. "Das ist eine  Erkenntnis, die man schon damals hätte haben können, hätte man nur auf jene gehört, die sich mit Wirtschaft auskennen, die vielleicht sogar aus der Wirtschaft kommen oder die zumindest schon einmal in der freien Wirtschaft gearbeitet haben", sagte Merz. Die Wahlprogramme zu Grunde gelegt, "gibt es in diesem Parlament eine Mehrheit für die Abschaffung des Landestariftreue- und Mindestlohngesetzes, und ich appelliere an die bürgerlich Vernünftigen hier, unserer Verantwortung für die baden-württembergische Wirtschaft gerecht zu werden."

Debatte im Wirtschaftsausschuss führen

Weder Fabian Gramling (CDU) noch Erik Schweickert (FDP) wollten sich darauf aber einlassen. "Der vorliegende Gesetzentwurf ist nichts anderes als eine Überschriftenpolitik ohne jegliche Substanz", sagte Gramling. Die Welt sei nämlich nicht so einfach, "wie man es sich manchmal ausmalt und wie man es manchmal gern hätte, und das wüssten Sie auch, wenn Sie das Evaluierungsgutachten genau gelesen hätten".
Schweickert bezweifelte, "dass die Antragsteller hier tatsächlich den Weg bezüglich eines konsequenten Bürokratieabbaus gehen wollen." Er empfahl auf Basis des Gutachtens zum Gesetz die Debatte im Wirtschaftsausschuss zu führen, "und dann zu schauen, mit welchen Ergebnissen wir hier ins Plenum zurückkommen". Eine Frage, die man sich stellen müsse, laute aber, "brauchen wir, wenn es auf Bundesebene ein Gesetz gibt, dasselbe Gesetz noch einmal auf Landesebene?".
Der SPD-Abgeordnete Daniel Born schlug den Bogen "von der ökonomischen Vernunft zum Zusammenhalt und der Wertschätzung von Arbeit". Es müsse doch so sein, "dass derjenige, der bei öffentlicher Auftragsvergabe Zuschläge bekommt, sein Unternehmen tariftreu leitet, und dass er einen vergabespezifischen Mindestlohn bezahlt". Die AfD wolle dagegen einen weiteren Spaltpilz in die Bevölkerung hineinzutragen, "diesmal zwischen den Menschen, die in Baden-Württemberg arbeiten, zwischen denen, die von dem leben können, was sie arbeiten, und denen, die nicht davon leben können, weil Sie davon profitieren wollen, dass dieses Land gespalten ist". Stattdessen müssten aber Regelungen gemacht werden, die dieses Land nicht gespalten. Vor allem kritisierte Born, wie die AfD einerseits mit dem Mindestlohn argumentiere, andererseits aber die Partei sei, "die diesen Mindestlohn überall dort bekämpft, wo sie ihn bekämpfen kann, und das ist das doppelt zynisch".

Betroffene bewerten Gesetz unterschiedlich

Hoffmeister-Kraut erinnerte dagegen noch einmal an den Ausgangspunkt und an die Beweggründe für die Verabschiedung des Landestariftreue- und Mindestlohngesetzes. Zum Ersten habe es einen fairen Wettbewerb bei öffentlichen Ausschreibungen ermöglichen und dadurch insbesondere die mittelständischen Unternehmen und ihre Beschäftigten schützen sollen. "Zum Zweiten sollte es durch die Festsetzung eines Mindestentgelts verhindern, dass Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, in einen Unterbietungswettbewerb zulasten ihrer Beschäftigten eintreten", so die Wirtschaftsministerin.
Allerdings müsse ein solches Gesetz schlank sein. Tatsache sei allerdings, "dass die betroffenen Stakeholder die Regelungen höchst unterschiedlich bewerten". Das reiche von der Forderung nach einer Aufhebung des Gesetzes über die Beibehaltung des Gesetzes mit punktuellen Anpassungen bis hin zum Ruf nach Verschärfung. "Es herrscht also zweifellos Gesprächsbedarf", so Hoffmeister-Kraut, und diese Gespräche werde sich offen führen, um dann wertvolle und wichtige Anregungen auch umzusetzen.
Die Grünen hat sie prinzipiell an ihrer Seite. „Das Landestariftreue- und Mindestlohngesetz hat einen positiven Einfluss auf die Sicherung von Mindestentgelten und Tariflöhnen im Land“, so Andrea Lindlohr. Das habe auch die Evaluierung gezeigt, „und das hat die weit überwiegende Mehrheit der Vergabestellen, der Unternehmerinnen und Unternehmer sowie der Expertinnen und Experten in dieser Evaluierung benannt“. Das Gesetz sei also gut für die Arbeitnehmer im Land. Es sorge mit für fairen Wettbewerb zwischen den Unternehmen, die sich um Aufträge bewerben. Und der Mehraufwand für die Umsetzung werde „im Gegensatz zu dem, was die AfD sagt, von den Vergabestellen und den Unternehmen als gering bewertet“.

Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer

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16. und 17. Oktober 2019