Debatten im Landtag vom 10. und 11. Oktober 2018

AfD zieht Abstimmung über Deutsch als Schulhofsprache zurück

Stuttgart. Die AfD-Fraktion hat ihren Antrag auf eine Abstimmung über Deutsch als Schulhofsprache nach kontroverses Diskussion am Mittwochabend im Landtag zurückgenommen. Darin hatte sie zunächst gefordert, über einen Kabinettsbeschluss die Bildungsministerin aufzufordern, den allgemeinbildenden Schulen im Land generell zu empfehlen, Vereinbarungen zu treffen oder Hausordnungen dahingehend zu ändern, dass die deutsche Sprache auch außerhalb des […]

Stuttgart. Die AfD-Fraktion hat ihren Antrag auf eine Abstimmung über Deutsch als Schulhofsprache nach kontroverses Diskussion am Mittwochabend im Landtag zurückgenommen. Darin hatte sie zunächst gefordert, über einen Kabinettsbeschluss die Bildungsministerin aufzufordern, den allgemeinbildenden Schulen im Land generell zu empfehlen, Vereinbarungen zu treffen oder Hausordnungen dahingehend zu ändern, dass die deutsche Sprache auch außerhalb des Unterrichts als verpflichtende Umgangssprache verbindlich eingeführt wird. Kurz vor der Abstimmung signalisierte die größte Oppositionspartei der Landtagsvizepräsidentin Sabine Kurtz (CDU), dass sie auf die Abstimmung verzichtet.
In der Aussprache über den Antrag vom Januar 2017 hatte Rainer Balzer (AfD) für Deutsch „als verpflichtende Umgangssprache“ in den Schulen plädiert. Sprache sei Integration, werde aber auch gerne verwendet, um Menschen auszugrenzen. In der Schule müsse die Sprache Mittel der Integration sein, nicht Mittel der Abgrenzung.
„Sprache darf nicht die Trennlinie der Ethnien bilden“, sagte der Studiendirektor. Ausgrenzung durch Sprache dürfe eben nicht sein. In Berlin hätten einige Schulen auf eigene Initiative Deutsch als Umgangssprache festgelegt. Die gemeinsame Sprache sei auch Prävention vor ethnisch getrennte Parallelgesellschaften.

„Eine verbindliche Schulsprache Deutsch wäre ein großer Rückschritt“

Andrea Bogner-Unden (Grüne) warf der AfD vor, sie wolle einen „Keil“ zwischen deutschsprachigen und anderen Schülern zu treiben und die Freiheit der Schüler einschränken zu wollen. „Es geht Ihnen um Ausgrenzung und Spaltung.“ Neben Brennpunktschulen in Berlin gebe es auch internationale Schulen, wo auch Englisch, Französisch oder Chinesisch gesprochen werde.
„Eine verbindliche Schulsprache Deutsch wäre hier ein großer Rückschritt“, konstatierte die Oberstudienrätin. Die AfD ziele mal wieder nur auf Kinder von Migranten und Geflüchteten, denen sie das Recht auf eigenständige Persönlichkeit nehmen möchte. Muttersprache sei kulturelles Menschenrecht, Integration nicht das Gleiche wie Assimilation. Notwendig sei eine verlässliche, frühe Sprachförderung – „und diese bieten wir mit dem Pakt für gute Bildung und Betreuung“.
Sprachliche Bildung sei eines der zentralen schulart- und fächerübergreifenden Bildungs- und Erziehungsziele, sagte Sylvia Felder (CDU). Das Schulkonzept sei darauf abgestellt, sich um Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Milieus sowie um Schüler nichtdeutscher Herkunft zu kümmern.
Sie warf der AfD vor, ihr gehe es darum, Sprache als Hebel der Ausgrenzung zu sehen; die Sprache der AfD rieche, atme Verbote und miefe nach Ausgrenzung. Die CDU wolle, dass auf dem Schulhof der gleiche Geist herrsche wie im Klassenzimmer. „Unsere Lehrkräfte, gerade in Schulen mit hohem Migrationsanteil, leisten vorbildliche Arbeit. Wir haben die Problemlage im Griff.“
Daniel Born (SPD) urteilte, Baden-Württemberg sei so erfolgreich, nicht obwohl, sondern weil es ein Einwanderungsland sei. Darum sei es falsch, dass alle 1165 Stellen für Lehrkräfte in der Sprachförderung weiterhin mit einem kw-Vermerk versehen sind. Dies sei ein Appell an die Regierungsmehrheit von Grünen und Schwarzen. In den vierten Klassen würden heute Kinder sitzen, von denen 44 Prozent einen Migrationshintergrund haben. Diese Realität spiegele sich aber nicht im Bildungssystem wider.

SPD nennt AfD-Antrag „nicht hilfreich und gehässig“

Die SPD fordere deshalb mehr Sprachförderung in den Kitas, mehr Zeit für Sprachförderung in den Schulen, einen Schulversuch zum herkunftssprachlichen Unterricht und eine Förderung in der Herkunftssprache, was Kindern beim Deutschlernen helfe. Den AfD-Antrag bezeichnete Born als „nicht hilfreich und gehässig“.
AfD stehe für „Angstmacher für Deutschland“, sagte Timm Kern (FDP). Die Partei wolle Angst erzeugen und gehe psychologisch nicht ungeschickt vor, wie ihr heutiger Antrag zeige. Wer den Titel „Deutsch als verpflichtende Umgangssprache an Schule“ lese, können eigentlich nur zu zwei Reaktionen kommen: Der Titel rufe Sorge, vielleicht Angst hervor. Und die Vermutung, es habe erst die AfD kommen müssen, um diesen Missstand öffentlich anzuprangern. Die AfD aber würde die Menschen „hinter die Fichte führen“.
„Sie wollen mit Sprache ausgrenzen“, warf Kultusstaatssekretär Volker Schebesta (CDU) der AfD vor. Staatlicher Zwang bei diesem Thema könne nur die letzte Maßnahme sein. Herkunft und Herkunftssprache müssten wertgeschätzt werden, betonte Schebesta. In Baden-Württemberg setze die intensive Förderung der deutschen Sprache früh in den Kitas und Schulen ein. Das Land gehe richtig mit der Sprachförderung um. Statt Empfehlungen aus dem Ministerium sei es wesentlich besser, wenn sich Lehrer, Eltern und Schüler an den Schulen verständigen, was man zur Integration beitragen kann.   

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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