Debatten im Landtag vom 11. und 12. März 2020

Angesichts der Coronakrise fordert Landtag unbürokratische Wirtschaftshilfen

Stuttgart. Nahezu einhellig haben sich die Fraktionen am Mittwoch im Landtag für schnelle und unbürokratische Hilfen für die Wirtschaft im Land angesichts der dramatischen Auswirkungen des Coronavirus ausgesprochen. Einig war man sich über Instrumente wie Liquiditätshilfen, Kurzarbeitergeld, Bürgschaften und Steuerstundungen. In der von der CDU beantragten aktuellen Debatte unter dem Motto „Wirtschaftsstandort stärken – Krisenabwehrkräfte […]

Stuttgart. Nahezu einhellig haben sich die Fraktionen am Mittwoch im Landtag für schnelle und unbürokratische Hilfen für die Wirtschaft im Land angesichts der dramatischen Auswirkungen des Coronavirus ausgesprochen. Einig war man sich über Instrumente wie Liquiditätshilfen, Kurzarbeitergeld, Bürgschaften und Steuerstundungen. In der von der CDU beantragten aktuellen Debatte unter dem Motto „Wirtschaftsstandort stärken – Krisenabwehrkräfte aktivieren“ dankte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut ausdrücklich für den „großen Rückenwind“.
Nicht nur die CDU-Politikerin sieht die Gefahr, dass die Coronakrise das Ausmaß der großen Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2008/2009 erreichen kann. Deshalb glaubt sie nicht, dass die von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen ausreichen.
Angesichts von Stornierungen und ausbleibenden Aufträgen sei die aktuelle Not groß, besonders bei Messeveranstaltern, in Gastronomie und Hotellerie sowie im Tourismus. Sie wies darauf hin, dass 2019 insgesamt 231 Unternehmen Liquiditätskredite in Höhe von 45 Millionen Euro in Anspruch genommen hätten, 2009 dagegen 690 Firmen in Höhe von 150 Millionen.
Die L-Bank habe für Anfragen eine Hotline eingerichtet, so Hoffmeister-Kraut. Außerdem forderte die Ministerin mehr Spielräume von der EU im Beihilferecht. „Auch ein wirtschaftsstarker Standort wie Baden-Württemberg hat spezifischen Unterstützungsbedarf“, betonte sie. Als wichtiges steuerpolitisches Signal sprach sie sich für die vollständige Abschaffung des Solidaritätsbeitrags aus. Außerdem will sie Mittel aus den Rücklagen nutzen, in Zukunftstechnologien und den Städtebau investieren, um den Standort zu stärken und die Transformation der Wirtschaft zu fördern.
Hoffmeister-Kraut warnte jedoch davor, zu glauben, der Staat könne alle Folgen der Coronakrise auffangen. Sie kündigte ein Treffen mit Spitzenvertretern von Unternehmen, Gewerkschaften und der Bundesagentur für Arbeit in der kommenden Woche an.
CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart hält einen „wirtschaftlichen Aktionsplan“ für dringend notwendig. „Der Staat muss jetzt die Wirtschaft durch die Krise begleiten“, so Reinhart. Er forderte von der EU, die Autobauer nicht auszubremsen wegen kaum erreichbarer CO2-Grenzwerte und entsprechende Strafzahlungen auszusetzen. 
Außerdem sprach sich Reinhart für schnellere Genehmigungen und den Ausbau des Glasfasernetzes aus, um den Standort robust zu machen. Angesichts von 40 Prozent von Stornierungen im Tourismus forderte er einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für das gesamte Gewerbe. 
Auch Andrea Lindlohr vom grünen Koalitionspartner versicherte: „Wir lassen die Unternehmen in der Coronakrise nicht allein.“ Sie kündigte an, dass die Risikovorsorge zur Abmilderung der Folgen der Krise genutzt werde. Sie möchte aber auch die mittel- und langfristigen Ziele der Wirtschaftspolitik nicht aus den Augen verlieren. „Wir arbeiten daran, dass wir innovativ bleiben“, sagte Lindlohr und nannte die Wasserstoffstrategie als wichtiges Element.
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch begrüßte die Vorschläge von Grünen und CDU. Sorgen macht ihm, dass die L-Bank von einer „ausgewachsenen Rezession“ spricht und für 2020 mit einem Rückgang des Bruttoinlandprodukts rechnet, der achtmal höher ist als im Bundesdurchschnitt.
Für falsch hält er es jedoch, „unter dem Vorwand der Coronakrise über Unternehmenssteuersenkungen nachzudenken“. Als entscheidende Element sieht er öffentliche Investitionen und sinnvolle Weiterqualifizierungen in Betrieben. „Wir dürfen nicht nur Eimer aufstellen, um kurzfristig Schäden zu beheben, sondern wir müssen das Dach neu decken“.
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke ist der Ansicht, dass wegen „nicht gemachter Hausaufgaben die Wirtschaftspolitik nicht wetterfest ist“. Er erinnerte, dass die L-Bank zu Jahresanfang mit einem Plus von 0,2 Prozent schon den schlechtesten Wert unter allen Bundesländern prognostiziert habe. Jetzt liege die Prognose bei minus 0,8. Auch Rülke sprach sich gegen EU-Strafzahlungen für die Autoindustrie aus vor dem Hintergrund, dass der chinesische Absatzmarkt eingebrochen sei. Im Blick auf die Risikorücklage sagte er: „Die FDP ist dafür, die Hamsterrücklage zu nutzen, um die Krise zu bekämpfen, als 2021 für Wahlgeschenke zu benutzen.“
Die AFD-Politikerin Carola Wolle bezeichnete den Mathaisemarkt in Schriesheim mit 26.000 Besuchern als „größte Coronatauschbörse in Baden-Württemberg“. Sie kritisierte „die Untätigkeit der Verantwortlichen und die Sorglosigkeit der Bürger“ und die „politische Inkompetenz“. Das werde die Wirtschaft strangulieren.

Quelle/Autor: Rainer Lang

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11. und 12. März 2020