Debatten im Landtag vom 24. Januar 2018

Ausländerbehörden können bei Zweifeln Altersuntersuchung anordnen

Stuttgart. Die Abgeordneten haben mit deutlicher Mehrheit einen Antrag der AfD-Fraktion zur verpflichtenden Altersüberprüfung bei minderjährigen Flüchtlingen abgelehnt. Sascha Binder (SPD) sprach von einem „Lehrstück“, wie man an ein Thema herangehe, ohne es wirklich ernst zu nehmen. Denn auf der Landtagstagesordnung stand ein Antrag der AfD, dessen 15 Fragen von der Landesregierung noch nicht beantwortet […]

Stuttgart. Die Abgeordneten haben mit deutlicher Mehrheit einen Antrag der AfD-Fraktion zur verpflichtenden Altersüberprüfung bei minderjährigen Flüchtlingen abgelehnt. Sascha Binder (SPD) sprach von einem „Lehrstück“, wie man an ein Thema herangehe, ohne es wirklich ernst zu nehmen. Denn auf der Landtagstagesordnung stand ein Antrag der AfD, dessen 15 Fragen von der Landesregierung noch nicht beantwortet waren. Die Antwortfrist endet erst Ende dieser Woche. „Mich hätten die Antworten interessiert. Sie offensichtlich nicht“, sagte auch Thomas Blenke (CDU) in Richtung AfD. Auch Daniel Lede Abal (Grüne) warf der AfD vor, nicht an den Fakten interessiert zu sein. Auch der inzwischen fraktionslose Heinrich Fiechtner stellte sich gegen den Antrag seiner ehemaligen Fraktionskollegen von der AfD.
Hintergrund des Landtagsantrags waren Straftaten, die unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) in Mannheim begangen haben. Der Oberbürgermeister von Mannheim, Peter Kurz (SPD), hatte deshalb Ende vergangenen Jahres einen Brandbrief an den Innenminister geschrieben. Daniel Rottmann (AfD) hatte den Innenminister und den Landtag an diesem Mittwoch in der Debatte aufgefordert, „endlich zu handeln“ und gegen die jungen Straftäter vorzugehen. Eine medizinische Altersuntersuchung, so begründete er, diene auch dem Schutz der tatsächlich Minderjährigen und allen Personen, die mit den Minderjährigen zu tun hätten, etwa in Pflegefamilien und Wohngruppen.

Handlungsempfehlung von Innen- und Sozialministerium

Daniel Lede Abal äußerte Zweifel an der Wirksamkeit der medizinischen Altersfeststellung. Diese sei kein allein selig machendes Mittel. Da auch damit das Alter nicht exakt bestimmt werden könne. Auch wies er darauf hin, dass die Mehrzahl der UMA laut Jugendämtern völlig unauffällig sei. Nur ein kleiner Teil bereite Probleme. Thomas Blenke sagte, dass er es begrüßen würde, wenn für die Altersfeststellung grundsätzlich nicht mehr die Jugendämter sondern die Ausländerbehörden zuständig wären. Man werde niemanden an den Pranger stellen, der Schutz benötige. Doch wer bei der Altersangabe betrüge, müsse auch mit Konsequenzen rechnen.
Sascha Binder wies darauf hin, dass eine Handreichung von Innen- und Sozialministerium in Baden-Württemberg bereits klarstellt, dass die Ausländerbehörde bei Zweifeln eine Altersbestimmung anordnen kann. Dazu seien auch Röntgenuntersuchungen möglich, was auch Innenminister Thomas Strobl (CDU) bestätigte. Die Handlungsempfehlung stammt vom 1. August 2017.

FDP: Rechtsstaat darf sich nicht vorführen lassen

Auch Nico Weinmann (FDP) sagte, dass sich der Rechtsstaat nicht vorführen lassen dürfe. Wer meine, sich über das Gesetz stellen zu können und nicht an Regeln halte, für diese Jugendlichen müsse es in letzter Konsequenz auch geschlossene Einrichtungen geben, wie der Oberbürgermeister von Mannheim sie gefordert hatte. Auch halte er bei UMA, die bei der Altersbestimmung nicht mitwirkten, eine Beweislastumkehrung für sinnvoll.
In Baden-Württemberg gibt es drei geschlossene Jugendhilfeeinrichtungen für männliche Jugendliche mit insgesamt 27 Plätzen. Zwei weitere mit insgesamt 32 Plätzen stehen für weibliche Jugendliche zur Verfügung. Diese Einrichtungen seien in der Regel voll ausgelastet. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Landtagsanfrage des Abgeordneten Boris Weirauch (SPD) hervor.
In Mannheim müsse man den richtigen Weg finden, mit einer Handvoll UMA umzugehen, die versuchten „unser System auf die Probe zu stellen“, sagte Sozialminister Manfred Lucha (Grüne). Der Antrag der AfD sei jedoch kein Beitrag zur Lösung des Problems, sondern diene dem Ziel, Ressentiments gegen UMA zu schüren. Er wies darauf hin, dass alle UMA in Baden-Württemberg erkennungsdienstlich erfasst worden seien. 30 Prozent seien nicht minderjährig gewesen. Sie seien sofort in das Erwachsenensystem überstellt worden.

Lucha: Spezielle Situation in Mannheim

Die Situation in Mannheim bezeichnete er als „solitär in Baden-Württemberg“. Dort müsse eine Lösung gefunden werden. Bereits im Dezember habe man die Situation gemeinsam mit Stadt, Jugendhilfe, Justizministerium und Polizei analysiert. Man habe auch bereits mit Einrichtungen in ganz Deutschland Kontakt aufgenommen, um die Gruppe „aufzusprengen“. Wenn alle Akteure systematisch und abgestimmt zusammenarbeiteten, werde man die Situation in Mannheim gemeinsam lösen, so Lucha.
Innenminister Thomas Strobl (CDU) betonte, dass der Großteil der UMA auch minderjährig sei und „unseres besonderen Schutzes“ bedürfe. Zugleich stellte er klar, dass der Staat wissen müsse, wer im Land lebe. Niemand, der nach Deutschland komme, müsse über seine Identität täuschen, so Strobl. Er wies darauf hin, dass Baden-Württemberg bei der Nacherfassung der UMA auch Fingerabdrücke genommen habe und diese EU-weit über Eurodat abgeglichen habe.
Zugleich sprach er sich dafür aus, auf Bundesebene festzulegen, dass eine entsprechende Identitätsfestellung von UMA bereits bei der Ankunft in Deutschland gemacht werden solle. Erst wenn klar sei, dass es sich wirklich um Minderjährige handele, sollten diese in den Bereich der Jugendhilfe kommen. Doch es werde auch in Zukunft Zweifelsfälle geben. Hier sprach er sich für ein Vorgehen aus wie es in Hamburg bereits praktiziert wird. Im Zweifelsfall solle der Flüchtling als Erwachsener behandelt werden. Er solle aber die Möglichkeit haben, diesen Status durch Papiere oder Untersuchungen zu widerlegen. „Das brauchen wir flächendeckend für ganz Deutschland“, so Strobl.

Innenministerium stellt Kommunen Strategie vor

Am Tag vor der Landtagsdebatte hatte Innenstaatssekretär Martin Jäger dem Vorstand des Städtetags ein Konzept des Innenministeriums vorgestellt, mit dem gegen kriminelle Ausländer vorgegangen werden soll. Ziel sei es, kriminelle Ausländer abzuschieben. Jäger bot den Städten eine enge Zusammenarbeit an: „Wir brauchen ein abgestimmtes Handeln im ganzen Land.“ Dazu sei ein enger Schulterschluss zwischen Ministerium, Polizei und Ausländerämtern notwendig. „Im Fokus des Sonderstabs stehen ausdrücklich alle kriminellen Ausländer, nicht nur Flüchtlinge“, betonte Jäger.
Im Vorstand des Städtetags Baden-Württemberg wurde das Konzept positiv gesehen. „Ich begrüße das sehr“, sagte der Präsident des Städtetags, der Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne). Ihm schlossen sich der Oberbürgermeister von Stuttgart, Fritz Kuhn (Grüne) und der Oberbürgermeister von Mannheim, Peter Kurz, sowie weitere Vorstandsmitglieder an. Der Ansatz sei richtig, weil sich sogenannten Systemsprenger über die üblichen Strategien der Jugendhilfe nicht erreichen ließen. Staat und Städte müssten gemeinsam zeigen, dass sie handlungsfähig seien, heißt es in einer Mitteilung des Städtetags.

Quelle/Autor: schl

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24. Januar 2018