Debatten im Landtag vom 13. Juli 2011

CDU will Gesetz zur Erleichterung von Volksabstimmungen nicht zustimmen

Stuttgart. Der Versuch der grün-roten Koalition das Zustimmungs-Quorum bei Volksabstimmungen noch vor der Stuttgart-21-Entscheidung von einem Drittel auf 20 Prozent abzusenken, scheint gescheitert. Die CDU kündigte bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfes am Mittwoch im Landtag an, das Vorhaben nicht mitzutragen. Damit kommt die für eine Verfassungsänderung erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zustande. Sowohl die Grüne-Staatsrätin für […]

Stuttgart. Der Versuch der grün-roten Koalition das Zustimmungs-Quorum bei Volksabstimmungen noch vor der Stuttgart-21-Entscheidung von einem Drittel auf 20 Prozent abzusenken, scheint gescheitert. Die CDU kündigte bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfes am Mittwoch im Landtag an, das Vorhaben nicht mitzutragen. Damit kommt die für eine Verfassungsänderung erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zustande.
Sowohl die Grüne-Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, Gisela Erler, wie auch Grünen-Fraktions-Vize, Hans-Ulrich Sckerl warben eindringlich um eine Zustimmung der Unionsfraktion. „Springen Sie über ihren Schatten“, forderte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Andreas Stoch, die CDU-Parlamentskollegen auf.
Doch damit ist den Äußerungen von Winfried Mack, der sich Ende Juli um den CDU-Landesvorsitz bewirbt, zufolge, nicht zu rechnen. Die geplante Senkung  des Quorums solle lediglich die Bedingungen für die Stuttgart-21-Gegner bei der angekündigten Volksabstimmung verbessern, kritisierte er. Die CDU wolle vor einer Verfassungsänderung einen öffentliche Diskurs darüber. Mack plädierte dafür eine Enquete-Kommission zum Thema einzusetzen. „Es gibt viele Stellschrauben“, betont er. Zudem wolle die CDU die Bürgerbeteiligung nicht allein beim Instrument Volksabstimmung erhöhen, sondern auch im Planungsrecht.

FDP ist nicht ganz zufrieden mit Gesetzentwurf, will aber zustimmen

Zustimmung signalisiert dagegen die FDP. „Wir werden zustimmen, auch wenn wir jetzt in der Opposition sind“, kündigte Ex-Justizminister Ulrich Goll an. Ganz zufrieden ist Goll mit dem Entwurf indes nicht und monierte des offensichtlichen Zusammenhang mit Stuttgart 21. Der sei schon daraus ablesbar, dass die neue Regierungskoalition nichts am Eingangs-Quorum ändern wolle, also dem Prozentsatz der Wahlberechtigten, die notwendig sind, um eine Volksabstimmung überhaupt auf den Weg zu bringen. Denn das sei bei Stuttgart 21 kein Problem.
Goll hält eine Volksabstimmung über den neuen Hauptbahnhof der Landeshauptstadt aber ohnehin für rechtswidrig. „Sie betteln ja geradezu um eine verfassungsrechtliche Überprüfung durch den Staatsgerichtshof“, bescheinigte er Grün-rot.

Grün-rot will klares Zeichen zu Beginn der Legislaturperiode setzen

Von Regierungsseite stellt man den Zusammenhang zum umstrittenen Bahnprojekt zwar nicht in Abrede, hält die Verfassungsänderung zum jetzigen Zeitpunkt aber sowohl für legitim, wie auch für notwendig. „Wir wollen für die Bürger ein klares Zeichen zum Beginn der Legislaturperiode setzen“, begründete Sckerl die Eile. Und die Änderung des Quorums sei im Stuttgart-21-Streit für beide Seiten wichtig. Staatsrätin Erler hält den Ausgang der Bahnhofs-Abstimmung für völlig offen.
Weitgehend einig waren sich alle im Landtag vertretenen Fraktionen, dass ein Mehr an direkter Demokratie notwendig ist, auch wenn die Meinungen über das wie und wann auseinander gehen. Die geltende Regelung zur Volksabstimmung verglich Erler mit einem „Auto ohne Zündschlüssel“. Denn aufgrund des hohen Quorums ist es in Baden-Württemberg seit Einführung der Volksabstimmung noch nie zu deren Anwendung gekommen. Stoch und Sckerl erinnerten daran, dass Baden-Württemberg im Vergleich der Bundesländer dabei sei auf den letzten Platz in Sachen direkter Demokratie abzurutschen. Andere konservativ geprägte Länder wie Bayern seien dagegen an der Spitze. Zudem verwiesen die Koalitionsvertreter darauf, dass die Frage schon seit mehr als elf Jahren im Landtag diskutiert werde,
Das im Gesetzentwurf formulierte Quorum von 20 Prozent aller Wahlberechtigten, die dem jeweiligen Gesetzentwurf mindestens zustimmen müssen, bezeichnete Sckerl als Zugeständnis an die CDU. Grüne und SPD hätten lieber ganz auf ein Quorum verzichtet, wie dies beispielsweise in Bayern gelte. Er forderte die Union auf gemeinsam mit den anderen Parteien im ständigen Ausschuss des Landtags nach einer Kompromissformel zu suchen.

Quelle/Autor: Jürgen Schmidt

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13. Juli 2011