Debatten im Landtag vom 3. und 4. Februar 2021

Erler schlägt neues Instrument für mehr Bürgerbeteiligung vor

STUTTGART. In ihrer letzten Rede als Staaträtin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung hat Gisela Erler (Grüne) dem Landtag den Vorschlag unterbreitet, das Instrument des Volksantrags zu verändern. Erler schlug vor den "Volksvertrag nach Artikel 59 Absatz 2 unserer geschätzten Landesverfassung zu erweitern, und zwar dergestalt, dass, wenn die Leute einen Volksantrag stellen, nicht nur oder nicht […]

STUTTGART. In ihrer letzten Rede als Staaträtin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung hat Gisela Erler (Grüne) dem Landtag den Vorschlag unterbreitet, das Instrument des Volksantrags zu verändern.
Erler schlug vor den "Volksvertrag nach Artikel 59 Absatz 2 unserer geschätzten Landesverfassung zu erweitern, und zwar dergestalt, dass, wenn die Leute einen Volksantrag stellen, nicht nur oder nicht zwingend hier im Landtag eine Debatte stattfindet". Vielmehr könne das Resultat eines Volksantrags sein, dass ein Bürgerrat eingesetzt wird, "der das Thema breit und öffentlich sichtbar diskutiert, um dem Parament dann die Resultate vorzulegen".

Erler: Ansatz der Zufallsbürger keine Marotte des Gehörtwerdens

Dieser Ansatz der Zufallsbürger, nahm Erler einen Einwand des früheren FDP-Justizministers Ulrich Goll auf, sei "keine Marotte des Gehörtwerdens der Staatsrätin und ihres Ministerpräsidenten. Ganz im Gegenteil: "Der Ansatz mit den Zufallsbürgern ist wirklich etwas, das sich weltweit, in allen OECD-Ländern, in den letzten 20 Jahren stark ausgebreitet hat, in allen liberalen Demokratien, ganz stark auch kommunal genutzt, weil er konkrete Problemlösungen bietet, aber häufig auch einen guten Einstieg in eine gesellschaftlich gemeinsame Lösung von Großkonflikten."

Erikli:  Baden-Württenberg bis 2011 Schlusslicht bei Bürgerbeteiligung

Anlass der Debatte war die Verabschiedung des Gesetzes über die dialogische Bürgerbeteiligung. "Baden-Württemberg war bis 2011 ein Schlusslicht in Sachen Beteiligung von Bürgern und Bürgerinnen in Deutschland", blickte Nese Erikli (Grüne) zurück. Mittlerweile habe sich die Situation dank der grüngeführten Landesregierungen deutlich gewandelt. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werde für dialogische Bürgerbeteiligungsverfahren der Zugang auf Daten der Meldebehörden erleichtert werden, damit durch die zufällige Auswahl von  Bürgern  die Vielfalt der Teilnehmenden erhöht werde, und durch dieses Gesetz wird die dialogische Bürgerbeteiligung auch deutlich günstiger: "Die dialogische Bürgerbeteiligung ersetzt förmliche Verfahren nicht, aber sie ergänzt sie, weil die Verfahrensakzeptanz gesteigert wird", sagte Erikli.
Auch Raimund Haser (CDU) lobte, dass ein weitere Element strukturierter Bürgerbeteiligung im Vorfeld wichtiger Entscheidungen geschaffen wird. "Wer künftig zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger einbinden möchte, kann bei der Auswahl dieser zeitlich befristeten Beraterinnen und Berater auf das Melderegister zurückgreifen", so Haser. Das gebe Rechtssicherheit für diejenigen, die auf dieses Instrument zurückgreifen wollen, und Rechtssicherheit ist eine gute Sache in einem Rechtsstaat.

Weber: Kleiner Mosaikstein statt Meilenstein

Jonas Weber (SPD) sprach dagegen von "einem kleinen Mosaikstein im Bürgerbeteiligungsbaukasten". Das sei kein großer Wurf, und auch kein Meilenstein: "So ehrlich müssen wir dann doch sein."
Wie die SPD stimmte auch die FDP dem Gesetz zu, "aber nur aus einem einzigen Grund, nämlich dass niemand herumlaufen und sagen kann, die Liberalen hätten gegen Bürgerbeteiligung gestimmt", bekannte Goll. Ihn ärgere, das wolle er ehrlich sagen, "dass Sie überall dort, wo Mitbestimmung wehgetan hätte, ausgewichen sind". Als Beispiel nannte der scheidende FDP-Abgeordnete die Sanierung der Stuttgarter Oper.

AFD: Gesetz entspricht nicht unserem demokratieverständnis

Die AfD lehnte das Gesetz ab, weil es, so Rüdiger Klos, dem Demokratieverständnis nicht entspreche, "zumindest dem, was die AfD-Fraktion unter Demokratie versteht".  
Erler erwartete dagegen, dass künftig "die Brücke zwischen Bürgerinnen und Bürgern und dem Parlament sehr viel breiter gebaut wird". Das könne sehr wertvoll sein, "wenn ich mir die internationale Landschaft anschaue". Mehr Beteiligung verstärke die Rückbindung. Das belege aktuell das Corona-Bürgerforum. Denn das gebe einen Einblick, berate die Regierung. Alle Hinweise, Einwände und Meinungen seien nachlesbar. Und das wiederum sei ein wichtiger Fortschritt.

Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer

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3. und 4. Februar 2021