Debatten im Landtag vom 8. und 9. November 2017

Finanzministerin bringt Haushalt in Landrtag ein

Stuttgart. Zum fünften Mal in Folge legt eine von den Grünen geführte Landesregierung einen Haushalt ohne neue Schulden vor. Dies sei „etwas ganz Besonderes“, sagte Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) bei der Einbringung des Zahlenwerks für die Jahre 2018/2019 in den Landtag. Denn: „Erstmals steigen die Ausgaben auf rund 50 Milliarden Euro pro Jahr, und erstmals in […]

Stuttgart. Zum fünften Mal in Folge legt eine von den Grünen geführte Landesregierung einen Haushalt ohne neue Schulden vor. Dies sei „etwas ganz Besonderes“, sagte Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) bei der Einbringung des Zahlenwerks für die Jahre 2018/2019 in den Landtag. Denn: „Erstmals steigen die Ausgaben auf rund 50 Milliarden Euro pro Jahr, und erstmals in der Geschichte unseres Landes werden wir 2,4 Milliarden Euro implizite und explizite Schulden tilgen, allein 1,25 Milliarden Euro – also eine Zahl mit neun Stellen vor dem Komma – zusätzlich allein für den Abbau des Sanierungsstaus“. Das sei eine Trendwende in der Geschichte des Landes.

Reden zum Etat sind naturgemäß nicht frei von Selbstlob. Sitzmann, die erste Frau in diesem Amt, sprach über die „kluge Haushaltspolitik in langen Linien“, die „Planungssicherheit als Fundament für erfolgreiche politische Gestaltung“ und „Handlungsfähigkeit des Staates“. Das gelte für Schulen wie für Polizei, Verkehr oder Naturschutz. „Es ist nicht unser Geld, es ist das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler“, so die Grüne, „das wir sinnvoll und effizient einsetzen wollen.“

Wirtschaftlich laufe es gut, 2016 sei die Wirtschaftskraft des Landes preisbereinigt um 2,2 Prozent gewachsen, im ersten Halbjahr noch einmal um 2,1 Prozent. Das Land sei „damit die führende Wachstumslokomotive unter den westdeutschen Flächenländern“. Mit einer Arbeitslosigkeit von 3,3 Prozent, aber auch mit den höchsten Lohnzuwächsen für Geringverdiener. „Das ist mir persönlich besonders wichtig, es soll und muss gerecht zugehen in unserer Gesellschaft“, so Sitzmann, die erklärte, gerade in dieser Situation besonders gerne Finanzministerin zu sein.

Begrenzung des Klimawandels und Terrorismusbekämpfung als Schwerpunkte

Als Schwerpunkte des Haushalts nannte sie die Begrenzung des Klimawandels, Terrorismusbekämpfung, Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und Mobilitätswende. Als Risiken, auch mit Blick auf die schon lange Dauer des Aufschwungs, fügte sie die Stabilität der Finanzmärkte, den Nordkorea-Konflikt, die Katalonien-Krise, den Brexit oder die „unberechenbare Handelspolitik der USA“ hinzu. Deshalb gebe es auf der einen Seite „eine richtig gute Wirtschaftslage, einen Aufschwung, der breit ist und dynamisch, auf der anderen Seite gibt es aber auch erhebliche Unsicherheiten und große Herausforderungen“. Auch deshalb lege die Landesregierung keinen „Schönwetterhaushalt vor“, sondern sorge für die Zukunft vor.

Sitzmann erinnerte daran, dass auch der ehemalige Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) einen Haushalt ohne neue Schulden vorgelegt habe und daran, dass die grün-schwarze Landesregierung mit dem Ziel angetreten sei, „die Schuldenbremse souverän und verlässlich einzuhalten und den Landeshaushalt dauerhaft solide aufzustellen". Dies sei ein zentrales grün-schwarzes Projekt: „Dabei machen wir keine Trippelschritte, sondern einen richtig großen Sprung, denn Anfang der Siebziger Jahre betrug der Schuldenstand Baden-Württembergs noch etwa zwei Milliarden Euro, die inzwischen auf rund 47 Milliarden Euro angewachsen sind.“ Mit diesem Pump sei jetzt Schluss.

Priorität hat nach den Worten der früheren Grünen-Fraktionschefin der Abbau der sogenannten impliziten Schulden. Je niedriger die seien und „je mehr wir heute vorsorgen, desto solider und nachhaltiger ist der Landeshaushalt langfristig aufgestellt“. Deshalb sei es „vollkommen richtig, klug und weitsichtig" gewesen, dass 2016 die Tilgungsverpflichtung des Paragraphen 18 der Landeshaushaltsordnung auf die implizite Verschuldung erweitert worden sei. „Die Landeshaushaltsordnung nicht anzupassen, wie es die Opposition forderte, das wäre zum wirtschaftlichen Schaden des Landes gewesen.“ Stattdessen werde ein Jahrzehnt der Sanierung eingeläutet, zumal den Kommunen mehr Mittel zur Verfügung gestellt würden.

Durch den neugeschaffenen Kommunalen Sanierungsfonds stünden im nächsten Jahr 108 Millionen Euro für Sanierungen zur Verfügung und 2019 sogar 136 Millionen. Ohnehin stünden „unsere Kommunen bundesweit spitze da mit der niedrigsten Pro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer und den zweithöchsten Pro-Kopf-Investitionen“.

Höhere Zahlungen für Versorgungsfonds

Als weiteren wichtigen Punkt nannte Sitzmann den in Oettingers Amtszeit geschaffenen Versorgungsfonds, mit dem Rücklagen für die Pensionsverpflichtungen gebildet werden sollen. Allein im vergangenen und in diesem Jahr habe die Koalition 1,1 Milliarden zusätzlich zurückgelegt. Derzeit betrage das Sondervermögen insgesamt 6,6 Milliarden. Ab 1. Januar 2020 werde, einer Empfehlung des Rechnungshofs folgend, statt monatlich 500 Euro 750 pro neueingestelltem Beamten in den Versorgungsfonds eingezahlt und pro neugeschaffener Stelle monatlich tausend Euro.

Besonders hob die Finanzministerin die Anstrengungen im Natur-, im Umwelt- und Klimaschutz heraus. „Wir wollen erhalten, was uns erhält“, so Sitzmann, „klare Gewässer, frische Luft, gesunde Lebensmittel, artenreiche Wälder und Wiesen, lebendige Landschaften, die zur Erholung einladen – dafür arbeiten wir und dafür nehmen wir auch ordentlich Geld in die Hand.“ Auch die Sanierungsoffensive sei für den Umwelt- und Klimaschutz enorm wichtig: „Je besser der Zustand unserer Gebäude ist, je besser sie energetisch saniert sind, desto geringer ist auch ihr Energieverbrauch.“

Der Doppelhaushalt enthält Sitzmann zufolge knapp 400 weitere neue Stellen bei der Polizei und bietet die Grundlage für 1800 Polizeianwärter jährlich. Zusätzlich würden in die technische Ausstattung 40 Millionen investiert und die Justiz gestärkt.

Sitzmann ging in ihrer fast einstündigen Rede auch auf die Integrationsbemühungen und die Bildungspolitik ein. Noch immer bestimme die soziale Herkunft viel zu stark über den Bildungserfolg. Die Landesregierung wolle aber „gleiche Chancen für alle – unabhängig von der Herkunft und dem Geldbeutel der Eltern“. Dementsprechend erreiche der Etat der Kultusministerin neue Rekordwerte.

Als weitere wichtige Punkte nannte die Finanzministerin den Wohnungsbau, die Unterstützung des Handwerks und die Mobilitätswende, vor allem die Investitionen des Landes in den ÖPNV zum Ausbau des Ein-Stunden-Takts oder in 2000 neue Ladestationen für Elektro-PKW, damit Baden-Württemberg europaweit spitze bei Forschung und Entwicklung bleibe.

Der größte Schwerpunkt bei den Mehrausgaben wird auf die Digitalisierung gelegt: 149 Millionen im Jahr 2018 und im Folgejahr 173 Millionen Euro. Das Programmvolumen für den Breitbandausbau werde zudem auf insgesamt 180 Millionen Euro erhöht, „damit wir schneller schnelles Internet für alle im Land erreichen“.

Schließlich lobte die Ministerin den leistungsfähigen öffentlichen Dienst und als „starkes und wichtiges Signal, dass ab 2018 alle jungen Beamten wieder ab dem ersten Tag volles Gehalt bekommen“. Für eine Polizeikommissarin im Eingangsamt nach A 9 bedeute dies rund 1250 Euro brutto mehr im Jahr, fast ein halbes Monatsgehalt. Für eine Lehrkraft, die im Eingangsamt nach A12 bezahlt werde, betrage das Plus rund 3.500 Euro mehr im Jahr, fast ein ganzes Monatsgehalt.

Insgesamt will das Land in den nächsten zwei Jahren jeweils rund 50 Milliarden Euro ausgeben. Die Aussprache zum Doppelhaushalt, nach den Worten der Ministerin 4365 Seiten stark und 20 Zentimeter dick, findet am kommenden Mittwoch statt.

Quelle/Autor: Henkel-Waidhofer, Brigitte Johanna

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