Debatten im Landtag vom 9. und 10. Oktober 2013

Hotel Silber wirft Schatten auf Gedenkstätten-Debatte

Stuttgart. Der Erhalt und die weitere Pflege der dezentralen Gedenkstättenlandschaft in Baden-Württemberg ist allen Landtagsfraktionen gleichermaßen ein wichtiges Anliegen. Einig sind sich die Fraktionen  auch darüber, dass es keine Benachteiligung von kleineren dezentralen Gedenkstätten zu Gunsten von einzelnen Leuchtturm-Projekten – wie etwa der Einrichtung des Lern- und Erinnerungsortes Hotel Silber in Stuttgart – geben solle. […]

Stuttgart. Der Erhalt und die weitere Pflege der dezentralen Gedenkstättenlandschaft in Baden-Württemberg ist allen Landtagsfraktionen gleichermaßen ein wichtiges Anliegen. Einig sind sich die Fraktionen  auch darüber, dass es keine Benachteiligung von kleineren dezentralen Gedenkstätten zu Gunsten von einzelnen Leuchtturm-Projekten – wie etwa der Einrichtung des Lern- und Erinnerungsortes Hotel Silber in Stuttgart – geben solle.
Dies wurde in der Plenardebatte über den von der CDU beantragten Bericht des Staatsministeriums zur Gedenkstättenkonzeption des Landes deutlich – Gedenk- und Erinnerungsstätten ist ein Themenbereich, der im Landtag traditionell fraktionsübergreifend  abgehandelt und nicht für parteipolitische Scharmützel genutzt wird.

CDU spricht von Frustration und Enttäuschung

Dennoch kamen in der Aussprache über die Gedenkstättenkonzeption Misstöne auf: Die CDU-Abgeordnete Sabine Kurz äußerte scharfe Kritik an der Landesregierung über ihr Vorgehen bei der Konzeption und Einrichtung eines Lern- und Erinnerungsortes im ehemaligen Hotel Silber in Stuttgart, in dem von 1937 bis 1939 die Gestapo-Zentrale für Württemberg und Hohenzollern untergebracht war. „Wir sind entsetzt darüber, wie unsensibel Sie dieses Thema behandeln. Es herrscht Frustration und Enttäuschung an allen Ecken und Enden, “ sagte Kurz. Zwar habe es eine Beteiligung der Bürger und der Initiative Hotel Silber e.V. gegeben sowie zwei runde Tische, die Entscheidung über die Ausgestaltung der Gedenkstätte sei aber von ganz wenigen in einem Hinterzimmer getroffen worden.
„Wir finden es schlimm, dass erst der Sachverstand der Bürger eingeholt wird, dann aber auf ihre Beteiligung verzichtet wird“, sagte Kurz. „Das schadet der politischen Kultur im Land. Dieses Leuchtturmprojekt wirft tiefe Schatten ins ganze Land, noch bevor es umgesetzt ist.“ Unabhängig davon warnte Kurz – wie auch die Redner von Grünen, SPD und FDP – davor, ländliche Gemeinden zugunsten eines zentralen Gedenkstätten-Aushängeschildes  zu benachteiligen. „Die dezentrale Gedenkstättenplanung soll fortgesetzt werden“, so Kurz.
Für die Landesregierung wies der Staatssekretär im Wissenschaftsministerium, Jürgen Walter (Grüne) diese Kritik zurück und erinnerte daran, dass das Hotel Silber unter der früheren CDU-Landesregierung bereits zum Abriss vorgesehen war und die grün-rote Landesregierung im Jahr 2012 die Fördermittel für die Gedenkstätten in Baden-Württemberg von 200000 auf 300000 Euro erhöht habe. Als Herausforderung für die Zukunft bezeichnete es Walter, den Generationenwechsel in der Betreuung der überwiegend von ehrenamtlichem Engagement getragenen Gedenkstätten zu schaffen. „Wir haben in dieser Hinsicht eine positive Entwicklung genommen“, sagte Walter, mit der Aufstockung der Mittel seien in der Fläche viele zusätzliche Projekte angestoßen worden. Derzeit gibt es 85 Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Baden-Württemberg, allein 70 davon mahnen an Gräuel in der NS-Zeit.

Gedenkstätten sind „begehbare Geschichtsbücher“

Die Abgeordneten Manfred Kern (Grüne), Florian Wahl (SPD) und Timm Kern (FDP) appellierten im Plenum an die Fraktionen, das Thema Gedenkstätten nicht konfrontativ zu diskutieren. „Mit der Gedenkstättenkonzeption schaffen wir eine auskömmliche Grundlage für die durch Dezentralität und Ehrenamtlichkeit charakterisierte Gedenkstättenlandschaft“, sagte Kern. Für Florian Wahl sind Gedenkstätten „begehbare Geschichtsbücher“, deren Erhalt unerlässlich sei. „mit dem Hotel Silber schaffen wir einen zusätzlichen Mosaikstein“, sagte Wahl. Auch Kern bezeichnete dezentrale Gedenkstätten als Chance für junge Menschen, in ihrer Heimatregion der eigenen Geschichte nachzuspüren. „Die Vielfältigkeit muss erhalten werden“, sagte Kern.

Quelle/Autor: Ulrike Bäuerlein

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9. und 10. Oktober 2013