Debatten im Landtag vom 11. und 12. Oktober 2017

Land will Prostituierte schützen

Stuttgart. Auf Bundesebene sind die neuen Regelungen zum Prostituiertenschutzgesetz am 1. Juni in Kraft getreten. Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) brachte das Ausführungsgesetz zur Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes am Donnerstag im Landtag ein. „Noch immer sind Prostituierte von Stigmatisierung und Ausgrenzung betroffen“, sagte Lucha. Die Fraktionen sind sich einig, dass man Frauen in diesem Gewerbe, in dem […]

Stuttgart. Auf Bundesebene sind die neuen Regelungen zum Prostituiertenschutzgesetz am 1. Juni in Kraft getreten. Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) brachte das Ausführungsgesetz zur Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes am Donnerstag im Landtag ein. „Noch immer sind Prostituierte von Stigmatisierung und Ausgrenzung betroffen“, sagte Lucha.
Die Fraktionen sind sich einig, dass man Frauen in diesem Gewerbe, in dem sexuelle Ausbeutung, Zwangsprostitution und Menschenhandel eine Rolle spielen, Schutz gewähren muss. Hier soll das Gesetz Abhilfe schaffen, das am 1. November in Kraft treten soll. Prostituierte müssen sich demnach bei Behörden anmelden, dies erfolgt für sie kostenfrei. In einem Gespräch ermitteln die Behörden, ob das Handeln der Frauen selbst- oder fremdbestimmt ist. Ist dies der Fall, kann eine Anmeldung verweigert werden.
Jochen Haußmann (FDP) sieht in der vorgesehenen Gesprächszeit zwischen Behörden und Prostituierten, eine Problematik: „Der Landkreistag schätzt, dass 80 Prozent der Betroffenen nicht der deutschen Sprache mächtig sind. Wie kann jemand, der kein Wort Deutsch kann, frei selbstbestimmen?“ Die Gesprächsdauer von 35 Minuten sei laut Haußmann selbst mit einem Dolmetscher zu kurz, um zu entscheiden, ob eine Anmeldebescheinigung ausgestellt werden kann oder nicht.
Bislang können die anfallenden Verwaltungskosten nicht beziffert werden. „Schätzungen zufolge gibt es mehr als 25000 Prostituierte in Baden-Württemberg. Wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer noch höher ist“, sagte Christine Neumann-Martin (CDU). Erst nach der Evaluation Ende 2019 würden verlässliche Zahlen vorliegen, erst dann können Ausgleichzahlungen erfolgen.
Sabine Wölfle (SPD) kritisierte vor allem, dass die Qualifizierung und notwendigen Dolmetscher bei den Kosten außer Acht gelassen werden. „Die Kommunen fürchten, auf den Kosten sitzen zu bleiben, auch nach der Evaluation.“ Hinzu komme, dass Behörden durch Schulungen qualifiziert und sensibilisiert werden müssten. Sie müssten künftig erkennen und eingreifen, wenn eine Zwangsprostitution vorliegt. Dazu würde ein spezieller Leitfaden und Orientierungshilfen mit einheitlichen Standards entwickelt.
Haußmann machte den Vorschlag, das Gesetz erst am 1. Januar 2018 in Kraft zu setzen, da es schwer sei, in so kurzer Zeit Mitarbeiter bereitzustellen und Schulungen zu machen.
Prostituierte haben in Zukunft die Möglichkeit, in geschützter Umgebung beraten zu werden. „In Informationsgesprächen werden sie über ihre Rechte, Pflichten und Ausstiegsmöglichkeiten informiert. Die gesundheitliche Beratung übernehmen öffentliche Gesundheitsdienste“, erklärte Dorothea Wehinger (Grüne).
Außerdem sollen die Bordellbetreiber verschärft überprüft werden. Die Betriebserlaubnis wird verweigert, falls kriminelle Auffälligkeiten oder Verurteilungen vorliegen. Auch Mindestanforderungen an Hygiene und Sicherheit müssen eingehalten werden. Durch Polizeikontrollen soll dies sichergestellt werden.
Christina Baum (AfD) plädierte dafür, dass die Polizei von Anfang an, also bereits bei der Anmeldung, eingebunden sein soll: „Keine andere Behörde kann den Verdacht auf Kriminalität besser einschätzen.“ Laut ihr sollen die Frauen Vertrauen zur Polizei entwickeln. Sie fänden bei ihnen Schutz und könnten so den Mut fassen, sich aus diesem Milieu zu befreien und gegen Kriminelle auszusagen. Nur so sei eine Bestrafung möglich.

Quelle/Autor: Patricia Okrafka

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11. und 12. Oktober 2017