Debatten im Landtag vom 13. und 14. Juni 2018

Landärztemangel steigt

Stuttgart. Ein Drittel der Ärzteschaft im Land ist über 60 Jahre alt. In der von seiner Fraktion beantragten Aktuellen Debatte zur Sicherung der „Medizinischen Versorgung in der Fläche – mehr Landärzte für Baden-Württemberg“ verlangte Stefan Teufel (CDU) einen Ausbau der Studienplätze über gut zehn Prozent. Zudem sollten ebenfalls gut zehn Prozent über eine Quote vergeben […]

Stuttgart. Ein Drittel der Ärzteschaft im Land ist über 60 Jahre alt. In der von seiner Fraktion beantragten Aktuellen Debatte zur Sicherung der „Medizinischen Versorgung in der Fläche – mehr Landärzte für Baden-Württemberg“ verlangte Stefan Teufel (CDU) einen Ausbau der Studienplätze über gut zehn Prozent. Zudem sollten ebenfalls gut zehn Prozent über eine Quote vergeben werden. Ihr steht aber Wissenschaftsministerin Theresia Bauer skeptisch gegenüber. Sozialminister Manne Lucha (ebenfalls Grüne) räumte grundsätzlich „Disbalancen“ ein und dass im ländlichen Raum, aber auch in der Stadt Stuttgart Praxen nicht nachbesetzt werden können.

Lucha erläuterte das einschlägige Förderprogramm des Landes im Detail. Es stehe allen Studierenden der Humanmedizin offen, die an einer Hochschule im Bundesgebiet mindestens im siebten Fachsemester eingeschrieben sind und sich verpflichten, im Anschluss an das Studium die fachärztliche Weiterbildung in den ausgewiesenen baden-württembergischen Fördergebieten zu absolvieren und danach dort als Hausarzt zu arbeiten. Die monatliche Förderung beträgt 300 Euro für maximal zwei Jahre, und das sei für Studierende nicht wenig Geld. Der Sozialministerhatte weitere Fakten parat: Mehr als die Hälfte der Ärzte und Ärztinnen in Baden-Württemberg sind bereits über 55 Jahre alt. Während 80 Prozent derjenigen, die eine Praxis abgeben, Männer sind, sind 60 Prozent der Übernehmenden Frauen. „Nach einer Faustregel brauchen wir heute drei neue Ärztinnen und Ärzte, um die Arbeit von zwei Ärztinnen und Ärzten zu kompensieren, die in den Ruhestand gehen“, erläuterte Lucha, nach dessen Meinung der Anspruch der wohnortnahen Versorgung in Baden-Württemberg noch erfüllt werden kann.

Christina Baum (AfD) beklagte eine seit Jahren anhaltende Entwicklung: 1996 habe der Anteil der Ärzte über 60 Jahre bei elf Prozent gelegen, 2006 bei 17 Prozent und heute handle es sich um ein Drittel. Diese Zahlen seien „schon lange bekannt“ und „ausnahmsweise nicht Rot-Grün in die Schuhe zu schieben, denn die meiste Zeit war eine schwarzgeführte Regierung verantwortlich“, so die Zahnärztin, die nach ihren Worten auch für ihre eigene Praxis keine Nachfolge findet. Eine Quoten-Regelung lehnt die AfD ab, vielmehr müsse eine Struktur geschaffen werden, „in der die Ärzte gut arbeiten und die Menschen gut versorgt sind“.

 

Rainer Hinderer (SPD) bescheinigte dem Thema „Daueraktualität" und der Landesregierung wieder einmal Uneinigkeit, hier in Sachen Quote. Dem Zehn-Punkte-Programm seiner Fraktion aus dem Vorjahr gehe es um ein Gesamtpaket und nicht um „isolierte Lösungen“ wie Stipendien oder Landarzt-Quoten. „Es ist aus unserer Sicht unumgänglich, dass verschiedene Maßnahmen gleichzeitig angegangen werden und alle an der Versorgung Beteiligten, also Bund, Länder und Kommunen gemeinsam mit Kassenärztlicher Vereinigung, den Krankenkassen, den Krankenhausträgern, der Ärztekammern und den Ärzteverbänden, ein gemeinsames Ziel verfolgen“, sagte der Heilbronner Abgeordnete. Er verlangte neue Mittel für den Fördertopf Landärzte, falls „der bald leer ist, wovon wir ausgehen“.

Wie Petra Krebs (Grüne) befasste sich auch Hinderer mit den Rahmenbedingungen. Es dürfe nicht sein, dass ausgebildete Ärztinnen und Ärzte wegen einer bessere Vereinbarkeit von Familie, Privatleben und Beruf ins Ausland abwandern. Die Grünen-Abgeordnete befasste sich zudem mit dem Umstand, dass inzwischen mehr als die Hälfte der Ärzte inzwischen Ärztinnen sind. „Ich höre immer, wir brauchen mehr Männer“, berichtete Krebs, „weil Frauen anscheinend nicht Vollzeit arbeiten wollen, sondern sich auch um ihre Kinder kümmern.“ Credo ihrer Partei sei, dass „männliche Ärzte sich genauso um ihre Familien kümmern müssen und kümmern können“. Dieses Recht haben zu wollen sei weder weiblich noch verwerflich, sondern selbstverständlich. Deshalb setze grüne Familienpolitik auf eine moderne Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Gesundheitspolitik auf den Ansatz, von der Gesundheit anstatt von der Krankheit her zu denken: „Wir alle sollten uns viel mehr Gedanken darüber machen, was unsere Bürgerinnen und Bürger gesund erhält, In allen Lebensbereichen.“ Dazu gehöre auch das Thema saubere Luft. Außerdem müsse mehr Wert als bisher auf die Förderung von Gesundheitskompetenz, auf Prävention und Aufklärung von Kindesbeinen an gelegt werden.

„Die Sicherung der ärztlichen Versorgung in der Fläche ist ein zentrales Handlungsfeld der Landespolitik“, erklärte Jochen Haußmann (FDP). Seit Jahren verlange seine Fraktion Angebotsformen zu entwickelt werden, die den Interessen der Ärztinnen und Ärzte gerecht werden. Dabei gehe es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Entlastung von Bürokratie. Außerdem wollten „viele heute nicht mehr in einer Einzelpraxis arbeiten und alle Last auf sich nehmen“. Deshalb sei zu überlegen, „wie die bisherigen Förderprogramme des Landes weiterentwickelt werden können, um Ärztehäuser zu entwickeln, die deshalb nicht gleich ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) sein müssen“.

Zu heftigen Zwischenrufen kam es, als Lucha zuerst darauf hinwies, dass auch die Wissenschaftsministerin noch das Wort ergreifen werde und dann der SPD-Fraktion „ewiges Gemaule“ vorwarf. In ihren Reihen war kritisiert worden, dass immer häufiger zwei Regierungsmitglieder Redezeit für sich beanspruchten. Dann verlangten einzelne Abgeordneten den Begriff „Gemaule“ zu rügen. Eine Forderung, der Landtagspräsidenten Muhterem Aras aber nicht nachkam. Für die FDP kritisierte auch Hausmann, wie oft die Regierung im „Doppelpack“ auftrete und kündigte an, dies zum Thema zu machen. In der Sache erläuterte Bauer, dass es keinen Quotenstreit in der Koalition gebe. "Wir ringen um das gleiche Ziel", sagte Bauer. "und wir werden gemeinsam und miteinander die besten Lösungen erarbeiten, weil wir das beste Studium haben wollen und ein die Versorgungsengpässe ernst nehmen“.

Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer

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13. und 14. Juni 2018