Debatten im Landtag vom 11. und 12. Oktober 2017

Landesregierung stärkt Polizei im Kampf gegen Terrorismus

Stuttgart. Im Kampf gegen islamistischen und internationalen Terrorismus will die Landesregierung die Polizei und den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg stärken. Innenminister Thomas Strobl (CDU) brachte am Mittwoch die Entwürfe zur Änderung des Landesverfassungsschutzgesetzes und des Ausführungsgesetzes zum Artikel 10-Gesetz sowie zur Änderung des Polizeigesetzes und des Gesetzes über die Ladenöffnung in den Landtag ein. Dies sei […]

Stuttgart. Im Kampf gegen islamistischen und internationalen Terrorismus will die Landesregierung die Polizei und den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg stärken. Innenminister Thomas Strobl (CDU) brachte am Mittwoch die Entwürfe zur Änderung des Landesverfassungsschutzgesetzes und des Ausführungsgesetzes zum Artikel 10-Gesetz sowie zur Änderung des Polizeigesetzes und des Gesetzes über die Ladenöffnung in den Landtag ein. Dies sei ein „sicherheitspolitischer Quantensprung“, sagte der Minister. In erster Lesung diskutierten die Abgeordneten der fünf Fraktionen heftig über die Gesetzentwürfe, die zur weiteren Beratung in den Innen- und Ständigen Ausschuss verwiesen wurden.
Baden-Württemberg erlebe im Doppelhaushalt 2018/2019 das größte Personalaufstockungs-Programm bei der Polizei in der Geschichte des Landes, kündigte Strobl an. Neben den mehr als 1400 neuen Stellen hätten jüngst 544 Polizeikommissar-Anwärter – „so viele wie noch nie“ – ihre Ausbildung an der Polizeihochschule Villingen-Schwenningen begonnen. Außerdem seien 30 Millionen Euro in den vergangenen beiden Jahren in die Ausstattung der Polizei geflossen. 
„71 Prozent der Deutschen haben Angst vor Terrorismus. Damit muss sich die Politik beschäftigen. Und auch der Landtag muss konkret handeln“, sagte Strobl. Angesichts von 3500 Gefährdern der islamischen Szene in Baden-Württemberg, darunter 120, denen Gewalttaten zugetraut werden, gründet der Minister eine effiziente Prävention auf drei Säulen: „Polizeibeamte, Ausstattung der Ordnungskräfte sowie Kompetenz und Möglichkeiten.“ Um der baden-württembergischen Polizei rechtliche Werkzeuge an die Hand zu geben, damit diese „präzise, wirkungsvoll und auf der Höhe der Zeit ihre Arbeit machen können“, lege er nun das „beste und modernste Polizeigesetz in Deutschland“ vor.
Damit terroristische Straftaten verhindert und Gefährder aufgespürt werden können, wird dem Verfassungsschutz als „Frühwarnsystem der Demokratie“ die Befugnis zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) gegeben. Dadurch wird präventive TKÜ ermöglicht, so dass die Behörden künftig auch auf Kommunikation über Skype oder WhatsApp zugreifen können. Polizei und Verfassungsschutz seien dann „auf der Höhe der Zeit“, erklärte Strobl. Außerdem werde die Rechtsgrundlage für den Einsatz intelligenter Videoüberwachung an Kriminalitäts-Schwerpunkten und gefährdeten Objekten sowie bei öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen geschaffen, wenn dort terroristische Anschläge drohen. Die neue, bundesweit erste Erprobung dieser Technik wird in Mannheim stattfinden.
Das neue Gesetz mache Baden-Württemberg „entscheidend sicherer“ und zeige, dass Föderalismus funktioniere. „Sicherheit ist Kernkompetenz unseres Landes“, konstatierte Strobl. Die Gefahren für die Sicherheit seien gewachsen, dennoch weiche das Land nicht zurück, sondern nehme die Herausforderung an.
„Es geht uns um Sicherheit“, begründete Hans-Ulrich Sckerl, warum die Grünen diese Gesetze mittragen werden. Der Terror sei so nahe gerückt, da gehe es um den Schutz von Freiheitsrechten und um den Schutz der Individualität der Menschen. Die Möglichkeiten richteten sich nicht gegen die breite Bevölkerung, sondern gezielt gegen Gefährder, erklärte der innenpolitische Sprecher der Grünen. Politik könne die Gefahr nicht ignorieren, deshalb seien die neuen Eingriffsbefugnisse, „die wir so nicht hatten“, nötig.
Ziel sei es, den Menschen Sicherheit zu geben, erklärte Siegfried Lorek (CDU). „Wir wollen nicht immer nur hinterher laufen, sondern vorausschauend handeln.“ Das Gesetz schränke die Freiheit des Einzelnen nicht ein, sondern liefere „notwendige Werkzeuge“ für die Polizei und den Verfassungsschutz. Die gleichzeitig geplante Ermächtigungsgrundlage für Kommunen, zeitlich und örtlich begrenzt an Alkoholkonsum an örtlichen Brennpunkten zu untersagen, sei ein Mittel, damit Städte und Gemeinden besser gegen Alkoholexzesse vorgehen können. Grüne und CDU planen gleichzeitig, das seit dem 1. März 2010 geltende nächtliche Alkoholverkaufsverbot aufzuheben.
„Wohlwollend, aber kritisch“ will die AfD nach den Worten ihres Sprechers Lars Patrick Berg die Gesetzesinitiative begleiten. Parlamentarische Kontrolle sei notwendig, um zu verhindern, dass unschuldige Bürger unter Sicherheitslücken leiden. Berg warnte davor, dass die TKÜ mit Staatstrojanern eine Gefahr für Recht und Demokratie werden könnten. In diesem Zusammenhang nehme seine Fraktion auch entsprechende Sorgen des Bundesverfassungsgerichts ernst.
Aus Sicht von Sascha Binder (SPD) ist es „schwierig für das Parlament“, zu beurteilen, ob die geplanten Mittel geeignet sind. Er kritisierte, dass eine geeignete Software noch fehlt und manche Vorhaben „technisch nicht machbar“ seien. Die Fußfessel bei Gefährdern bezeichnete der sicherheitspolitische SPD-Sprecher als „Placebo“, aber nicht als wirksames Mittel gegen Anschläge. Grundsätzlich unterstützt die SPD die Rechtsgrundlage mit Befugnis zur präventiv-polizeilichen TKÜ und zur Quellen-TKÜ als „geeignete Mittel“, um terroristische Straftaten zu verhindern.
Ulrich Goll (FDP) zeigte sich „erstaunt“ darüber, dass die Grünen bei diesem Gesetzentwurf „mitmachen“. Auch die Liberalen sind für die neuen technischen Möglichkeiten, denn „Innere Sicherheit muss besser organisiert sein als das Verbrechen“. Der frühere Justizminister forderte allerdings die Einbeziehung des Datenschutzbeauftragten in die Beratungen. Auch die präventive Videoüberwachung ist im Sinne der Liberalen. Über die Quellen-TÜK müsse man diskutieren; deren Durchführung sei rechtlich und tatsächlich schwierig. Auf jeden Fall dürfe man „nur Erlaubtes tun“. Die Technik folge dem Recht, versicherte Strobl.
Auf Vorschlag der FDP nahmen Grünen und CDU ist geänderten Bestimmungen zum Alkoholverbot aus dem Gesetzentwurf; diese sollen in einem eigenen Änderungsentwurf zum Polizeigesetz beraten werden.

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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