Debatten im Landtag vom 26. und 27. März 2014

Landtag uneinig über Wirkung des Mindestlohns

Stuttgart. Im Landtag gehen die Meinungen zu dem von der Bundesregierung beschlossenen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro weiterhin auseinander – selbst zwischen CDU und SPD, die auf Bundesebene koalieren. So kam Rainer Hinderer (SPD) in der von seiner Fraktion beantragten Aktuellen Debatte „Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn führt zu mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg“ […]

Stuttgart. Im Landtag gehen die Meinungen zu dem von der Bundesregierung beschlossenen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro weiterhin auseinander – selbst zwischen CDU und SPD, die auf Bundesebene koalieren. So kam Rainer Hinderer (SPD) in der von seiner Fraktion beantragten Aktuellen Debatte „Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn führt zu mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg“ am Donnerstag zu klaren positiven Auswirkungen. Mindestlohn bekämpfe Lohndumping, führe zu „einem gerechten Lohn für Alle“, sei gut für die heimische Wirtschaft und einen fairen Wettbewerb und sei einfach „gut für gute Arbeit“. Dagegen sprach sich Felix Schreiner (CDU)  für einen Mindestlohn aus, der sich an der wirtschaftlichen Entwicklung orientiert. „Wir wollen keinen politischen Mindestlohn“, sagte Schreiner.
Für Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) stellt der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn „das Fundament“ dar, um Baden-Württemberg zum „Musterland für gute Arbeit“ zu machen.  Menschen müssten von ihrer Arbeit leben können, urteilte Altpeter und zitierte eine Umfrage, wonach mehr als 80 Prozent der Deutschen den Mindestlohn als „Gebot der Gerechtigkeit“ betrachten. Für die Ministerin ist der Mindestlohn, der am 1. Januar 2015 eingeführt wird, sowohl ein Mittel gegen die „Altersarmut von morgen“, als auch ein Beitrag „zum fairen und gerechten Wettbewerb“. Außerdem ein Mittel gegen den Missbrauch von Arbeit durch Hungerlöhne. Aufstockung könne nicht im Sinne von Arbeit sein, urteilte Altpeter. Er stärke die Binnennachfrage und verhindere Lohndumping zu Lasten der Steuerzahler. „Mit dem Mindestlohn ist ein Meilenstein gelungen“, sagte die Ministerin lobend in Richtung Große Koalition. Er bringe auch Mehreinnahmen bei Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und reduziere Sozialleistungen wie Hartz IV durch Aufstockung.

Rülke sieht wenig Vorteile durch Mindestlohn

Dagegen sieht FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke wenig Vorteile durch den Mindestlohn. „Die baden-württembergische Wirtschaft hat nichts von diesem Gesetz – höchstens Nachteile“, sagte Rülke. Er verstärke eher die Gefahr, dass dadurch Arbeitsplätze vernichtet werden. Die FDP begrüße zwar jede Vereinbarung der Tarifparteien zu einer Lohnuntergrenze. Es sei aber grober Unfug, flächendeckend mit der Gießkanne übers Land zu gehen und allen Branchen und Regionen denselben allgemeinen und flächendeckenden Mindestlohn zu verpassen.
Der Liberale sprach die „Knackpunkte“ an und fragte: „Was ist mit Praktikanten, was mit Langzeitarbeitslosen, was mit Jugendlichen?“ Löhne müssten „zunächst erwirtschaftet“ werden. Rülke sagte, wer zu niedrige Löhne politisch vorschreibt, der sei völlig wirkungslos. Wer aber zu hohe Löhne verordnet, der vernichte Arbeitsplätze. Bereiche wie die Landwirtschaft, die Zeitungsverlage sowie das Hotel- und Gaststättengewerbe hätten darunter zu leiden – denen leiste man mit dem Mindestlohn einen Bärendienst. Er befürchtet auch Diskriminierungs-Klagen von Jugendlichen, denen aufgrund ihres Alters kein Mindestlohn gezahlt werde.

Mehrheit der Unternehmen zahlt über 8,50 Euro

Schreiner wies darauf hin, dass die Mehrheit der Unternehmen anständige Löhne als freiwillige Leistung bezahlt, „deutlich über 8,50 Euro“. Auch er forderte Ausnahmeregelungen, beispielsweise für Erntehelfer und Zeitungsausträger. „Der Anbau von Spargel und Erdbeeren muss bezahlbar sein“, sagte der CDU-Abgeordnete. Er nannte die Niederlande als Beispiel, wo erst im Alter von 23 Jahren ein gestaffelter Mindestlohn gilt. Nachgebessert werden müsse beim Alter. Schreiner befürchtet, dass junge Menschen ihre Ausbildung nicht abschließen oder sich weiter qualifizieren, wenn schon mit 18 Jahren der Mindestlohn bezahlt wird. „Deshalb dürfen wir keine falschen Anreize setzen.“
Für die Grünen ist der Mindestlohn als europäische Normalität „überfällig“, wie Thomas Poreski betonte. Lohndumping sei unfair und unwürdig, die baden-württembergischen Unternehmen müssten vor „Schmutz-Konkurrenz“, die Billiglöhne bezahlen, geschützt werden. „Mindestlohn ist gut für den Mittelstand und das Handwerk“, konstatierte Poreski. Er sei jedoch kein Allheilmittel. Er bezeichnete die Regelungen der Bundesregierung als „lückenhaft“. So gelte er für Tarifbeschäftigte erst vom Jahr 2017 an. „Was ist mit Tankstellen und Gärtnereien?“, fragte der Grüne.

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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26. und 27. März 2014