Debatten im Landtag vom 6. und 7. November 2013

Mehr Jugendliche sollen Zugang zu beruflicher Ausbildung bekommen

Stuttgart. Wie bekommt man mehr Jugendliche dazu, eine berufliche Ausbildung zu machen? Wie qualifiziert man sie besser dafür? Wie verkürzt man die Hängepartie vieler Jugendlicher in der sogenannten Übergangsphase zwischen Schule und Berufsausbildung? Darüber gingen die Meinungen bei einer aktuellen Landtagsdebatte über die duale Ausbildung in Baden-Württemberg und die beruflichen Perspektiven von Jugendlichen auseinander. Unabhängig […]

Stuttgart. Wie bekommt man mehr Jugendliche dazu, eine berufliche Ausbildung zu machen? Wie qualifiziert man sie besser dafür? Wie verkürzt man die Hängepartie vieler Jugendlicher in der sogenannten Übergangsphase zwischen Schule und Berufsausbildung? Darüber gingen die Meinungen bei einer aktuellen Landtagsdebatte über die duale Ausbildung in Baden-Württemberg und die beruflichen Perspektiven von Jugendlichen auseinander.
Unabhängig von der Diskussion über einzelne Maßnahmen und Verantwortlichkeiten war die Debatte vor allem eines: Ein fraktionsübergreifendes Plädoyer für das System der dualen beruflichen Ausbildung und ihrer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg.
Die SPD, von der die Debatte beantragt worden war, nutzte die Gelegenheit, um auf die entsprechenden Aktivitäten der grün-roten Regierung hinzuweisen. Das gerade erst mit Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SDP) verabschiedete neue Eckpunktepapier des breit aufgestellten Ausbildungsbündnisses im Land bezeichnete Stefan Fulst-Blei (SPD) als wichtigen Schritt, um der großen Gruppe von Jugendlichen in der Übergangsphase einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu verschaffen. „Das Selbstbewusstsein über die Qualität unserer beruflichen Ausbildung darf uns nicht blind machen dafür, dass es so nicht weitergehen kann“, sagte Fulst-Blei. „Wir haben jetzt schon einen Engpass im Bereich beruflich qualifizierter Fachkräfte.“ Fulst-Blei lobte die Bemühungen von SPD-Wirtschaftsminister Schmid und den Einsatz von Ausbildungsbotschaftern,  Ausbildungsbegleitern und Berufswerbern an Schulen. „Das Thema berufliche Bildung hat für die SPD und die Regierungskoalition einen hohen Stellenwert. Jeder Jugendliche soll die Garantie auf einen Ausbildungsplatz erhalten – das ist ein zentrales Ziel der SPD“, so Fulst-Blei.

Lehmann: "Wir sollten nicht so tun, als ob alles in Butter ist"

Auch Siegfried Lehmann (Grüne) lobte das Eckpunktepapier, verwies aber ebenfalls auf großen Handlungsbedarf: „Baden-Württemberg hat seit vielen Jahren das Problem, dass 60 Prozent der Betriebe ausbildungsberechtigt sind, aber nur die Hälfte von ihnen ausbildet“, sagte Lehmann. Zudem seien zu viele Jugendliche in einem aufgeblähten Übergangsbereich ohne echte Chance auf Ausbildung. „Wir sollten nicht so tun, als ob alles in Butter ist.“ Als Grundproblem bezeichnete es Lehmann zudem, dass in vielen Betrieben dem Erziehungsauftrag, der zu einer beruflichen Ausbilding gehöre, nicht mehr nachgegangen werde. Es helfe nicht, zu sagen, die Jugendlichen seien nicht ausbildungsreif oder es machten zu viele qualifizierte Jugendliche Abitur. Mit der Verabschiedung des Eckpunktepapiers sei ein Paradigmenwechsel hin zum Recht auf einen Ausbildungsplatz für jeden Jugendlichen eingeleitet worden.
Für die CDU verwies Claus Paal dagegen darauf, dass das „hervorragend funktionierende Ausbildungsbündnis“  in Baden-Württemberg auf das Jahr 2004 zurückgehe und erst seit 2010 der Schwerpunkt auf Jugendlichen mit schlechten Startchancen liege. Paal sprach sich ebenfalls für eine Straffung des Übergangsbereichs zwischen Schule und Beruf aus. „Der direkte Übergang in ein duales Ausbildungsverhältnis muss der Normalfall bleiben.“

Grimm: "Die Gemeinschaftsschulen ziehen der dualen Ausbildung den Boden weg"

Leopold Grimm (FDP) nutzte die Gelegenheit, um Front gegen die Schulpolitik der grün-roten Landesregierung zu machen. „Wir haben 5000 unbesetzte Lehrstellen, aber gleichzeitig 15 Prozent Jugendliche ohne Ausbildungsplatz“, sagte Grimm. „Die Wirtschaft braucht gute Haupt- und Realschüler, aber keine neuen Schulsysteme. Die Gemeinschaftsschulen ziehen der dualen Ausbildung den Boden weg“, sagte Grimm. Zudem machte er das Problem der so genannten „nicht ausbildungsfähigen Jugendlichen“ an der Politik fest.  Der Ausbildungspakt sei recht und gut, fange aber zu weit oben an. „Wir müssen viel weiter unten anfangen,  die Defizite der Kinder müssen vor der Einschulung behoben werden“, forderte der FDP-Abgeordnete, zudem müsse man die jungen Leute so vorbereiten, dass sie auch in die berufliche Ausbildung gehen würden. „Der berufliche Weg sollte mehr den Fähigkeiten der Kinder entsprechen als den Wünschen“, kritisierte er zudem den Drang zur Akademisierung, der durch die Gemeinschaftsschulen gefördert werde.
Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) nannte die duale berufliche Ausbildung ein Erfolgsmodell, das von der Landesregierung, allen Landtagsfraktionen, aber auch von allen Beteiligten in Bildung und Wirtschaft getragen werde. Das Bündnis für Ausbildung habe jetzt einen Durchbruch zur Reform des Übergangsbereichs erzielt. „Wenn wir ehrlich sind, haben wir zwar 5000 offene Lehrstellen, aber auch 38 000 Jugendliche in diesem Bereich. Das können wir uns nicht länger leisten“, sagte Schmid. Deshalb werde dieser Bereich zielführender gestaltet. Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz werde ein Angebot gemacht, dass das erste Lehrjahr durch ein schulisches Angebot mit betrieblicher Praxis ersetze. Zum Schuljahr 2014/15 soll dies in regionalen Modellversuchen erprobt werden, stellte Schmid einen Beschluss des Ausbildungsbündnisses vor. „Unser Anspruch ist: Keiner soll zurückgelassen werden. “ Schmid lobte zudem ausdrücklich die Kommunen für ihre Bereitschaft zur Mitwirkung an der Umsetzung der neuen Eckpunkte.

Quelle/Autor: Ulrike Bäuerlein

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6. und 7. November 2013