Debatten im Landtag vom 8. und 9. November 2017

Naturschutz, Tariftreue und Mindestlohn gemeinsam behandelt

Stuttgart. Passen Naturschutz, Tariftreue und Mindestlohn zusammen? Für die Landesregierung ist dies offenbar der Fall.  Prompt führte dies am Mittwoch zu unterschiedlichen Debatten: Während es in Sachen Naturschutz nur geringe Differenzen zwischen den Regierungsfraktionen und der Opposition gab, führte das Thema Tariftreue- und Mindestlohngesetz zu heftigen Auseinandersetzungen. Letztlich verabschiedete die Mehrheit von Grünen und CDU […]

Stuttgart. Passen Naturschutz, Tariftreue und Mindestlohn zusammen? Für die Landesregierung ist dies offenbar der Fall.  Prompt führte dies am Mittwoch zu unterschiedlichen Debatten: Während es in Sachen Naturschutz nur geringe Differenzen zwischen den Regierungsfraktionen und der Opposition gab, führte das Thema Tariftreue- und Mindestlohngesetz zu heftigen Auseinandersetzungen.
Letztlich verabschiedete die Mehrheit von Grünen und CDU mit verbaler Unterstützung durch die Minister Franz Untersteller (Grüne/Umwelt) und Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU/Wirtschaft) das Gesetz zur Änderung des Naturschutzgesetzes und weiterer Vorschriften gegen die Stimmen der Opposition.
Untersteller begründete in der zweiten Lesung nochmals die Initiative. Die Vorschriften zu Anhörung, Auslegung und Verkündung von Schutzgebietsausweisungen würden vor dem Hintergrund der Digitalisierung umfassend überarbeitet. Außerdem würden Verfahrensvorschriften zur „Erleichterung der täglichen Praxis“ in der Naturschutzverwaltung vereinfacht. Drittens: Durch Klarstellung bei den landesrechtlich geschützten Biotopen würden die vorhandenen Standards in Baden-Württemberg auch künftig erhalten. Durch die Stärkung der Naturschutzverwaltung mit neuen Stellen und mehr Finanzmittel für Biodiversität werde Baden-Württemberg „einen Quantensprung beim Naturschutz“ machen.
Außerdem brachte Grün-Schwarz im Umweltausschuss einen Änderungsantrag ein, der sich mit dem Thema „invasive Arten“ befasst. „Dies ist wichtig“, sagte der Umweltminister und begründete seine Haltung: Der Raubfisch Amurgrundel sei vom Schwarzen Meer in der Donau bis nach Bayern hochgewandert; der Jäger drohe nun auch ins baden-württembergische Ökosystem einzugreifen. Da müssten „abgestimmte Maßnahmen entlang der Gewässer vorbereitet“ werden. Den Fachleuten der Landesanstalt für Umwelt in Karlsruhe soll diese Aufgabe übertragen werden.
Beim Gesetz gehe es um einige wichtige redaktionelle und um einige kleine inhaltliche Dinge, konstatierte Markus Rösler (Grüne). Die vier Änderungsanträge, zwei von der SPD und zwei von der FDP, lehnte er ab. Beim Vorkaufsrecht im Naturschutz habe die Notarkammer der Regierung bestätigt, dass die Formulierungen sinnvoll seien. Und die SPD-Änderungsantrag seien zu spät gekommen.

„Wir haben ein praktisches, ein praktikables Naturschutzgesetz“

Im neuen Gesetz sei eine Bagatellgrenze bei der naturschutzfachlichen Prüfung eingezogen worden, durch die klare Regelung der Zuständigkeit im immissionsrechtlichen Verfahren sei ein effizienterer Vollzug möglich.  Außerdem werde das Aufstellen von Schildern für Betreiber von Hofläden vereinfacht, erklärte Raimund Haser (CDU) die Vorteile der Novellierung. „Wir haben ein praktisches, ein praktikables Naturschutzgesetz“, stellte er fest. Im Zuge der Haushaltsberatungen sollen 225 zusätzliche Stellen bei der Umweltverwaltung sowie 36 Millionen Euro für Projekte in der Biodiversität genehmigt werden, berichtete Haser. Er hofft, dass sich die Umweltverwaltung auch im Dienstleistungssektor „bewegt“.
Die SPD wollte mit ihren Änderungsanträgen erreichen, dass gleichwertige Ausgleiche bei Eingriffen in geschützte Biotope geschaffen werden. Außerdem sollten Pestizide im geschützten Bereich und in der nicht gewerblichen Landwirtschaft verboten sein. Zudem sei ein Monitoring für den Artenschutz geboten, erklärte Gabi Rolland (SPD).
Andreas Glück (FDP) mahnte besonders die grün geführten Ministerien, Gesetze künftig klarer und zeitloser zu formulieren, damit auf redaktionelle Änderungen verzichtet werden könne. Das Naturschutzrecht stehe immer im Spannungsfeld des verbrieften Rechts auf Eigentum und einer naturschutzrechtlich motivierten Beschränkung der Landnutzung. Positiv findet der Liberale, dass Hinweisschilder auf Selbstvermarkter künftig ohne Genehmigung aufgestellt werden können. Kritisch sei das Thema Biotope; mit überzogenen Ansprüchen und Regeln lege Grün-Schwarz mehr Biotope trocken als solche zu schaffen.
Carola Wolle (AfD) ging auf die drei wirtschaftlichen Aspekte des Gesetzes ein. Mobile Werbeanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen seien künftig verboten, Schilder von Selbstvermarktern saisonaler Produkte erlaubt. Im dritten Punkt werde der Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen im Südwesten an die Höhe des bundesgesetzlichen Mindestlohns angeglichen. „Insgesamt bringt uns der Gesetzentwurf zweieinhalb Schritte nach vorn und anderthalb Schritte zurück“, sagte Wolle.
Zeitliche Gründe nannte Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) für die Verzahnung von Naturschutzgesetz und Landestariftreue- und Mindestlohngesetz (LTMG). Da der bundesgesetzliche Mindestlohn zu Jahresbeginn erhöht worden sei, sei Handlungsbedarf entstanden; und deshalb sei das Vorhaben an ein bestehendes Gesetzgebungsverfahren angedockt worden. Im nächsten Jahr werde das LTMG vollumfänglich evaluiert, kündigte die Wirtschaftsministerin an. Überprüft werden sollen die Auswirkungen des Gesetzes und der öffentlichen Auftraggeber im kommunalen Bereich und die Subunternehmerhaftung. Den Änderungsantrag der SPD lehnte sie ab. Wenn nicht der gesetzliche Mindestlohn als Maßstab diene, sondern der Stundenlohn der unteren Entgeltgruppe des Tarifvertrags der Länder, sei das eine „willkürlich herausgepickte Entgeltgruppe“. Durch die Koppelung an den gesetzlichen Mindestlohn bestehe jetzt zudem die Kontrolle der Einhaltung durch die Zollverwaltung.
Als „sinnvoll“ bezeichnete Andrea Lindlohr (Grüne) die Erhöhung des vergaberechtlichen Mindestentgelts auf 8,84 Euro. Mit dem Gesetz sei man im Einklang mit dem SPD-geführten Rheinland-Pfalz. Und im LTMG gelte das Günstigkeitsprinzip; wenn das Land einen Auftrag für Gebäudereiniger der Außenfassade ausschreibt, müsse man sich an 13,25 Euro Stundenlohn halten. Bei Vergaben von Busverkehren gelte ein Mindeststundenlohn von 15,72 Euro.

Mindestentgelt steigt von 8,50 auf 8,84 Euro

Das vergabespezifische Mindestentgelt wird von 8,50 auf 8,84 Euro angepasst, sagte Claus Paal (CDU). Er wolle jedoch nicht nur dies festschreiben, sondern eine dauerhafte Koppelung an den Bundes-Mindestlohn vollziehen. Dies garantiere Rechtssicherheit, Transparenz und Bürokratieabbau.
Andreas Stoch (SPD) warf der Regierung vor, sie wolle das LTMG „still und leise abräumen“. Das Gesetz zum Schutz von Arbeitnehmern werde schlicht und einfach ausgehöhlt und abgeschafft.
„Warum schaffen wir es also nicht ab?“, fragte Erik Schweickert (FDP). Handwerkstag, die Landesvereinigung der Bauwirtschaft und alle anderen seien der Auffassung, dass das Gesetz nichts bringe und die Ziele nicht erreicht würden. Es sei unnötige Bürokratie und deswegen gehöre es abgeschafft.

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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8. und 9. November 2017