Debatten im Landtag vom 30. und 31. Januar 2019

Opposition fühlt Grün-Schwarz beim Thema Fahrverbote auf den Zahn

Stuttgart. Mit einem gemeinsamen Antrag haben Grüne und CDU versucht, ihre Differenzen in der Mobilitätspolitik einzugrenzen. Bei einer von ihr beantragten aktuellen Landtagsdebatte zum Thema „Fahrverbote, Nahverkehrsabgabe, City-Maut – auf dem Weg zu einer unsozialen Mobilität der Verbote?“ verlangte die FDP-Fraktion von der grün-schwarzen Landesregierung, vom Bund die Voraussetzungen für ein Fahrverbotsmoratorium einzufordern. Das Ziel sei, „die bereits geltenden unsozialen, […]

Stuttgart. Mit einem gemeinsamen Antrag haben Grüne und CDU versucht, ihre Differenzen in der Mobilitätspolitik einzugrenzen. Bei einer von ihr beantragten aktuellen Landtagsdebatte zum Thema „Fahrverbote, Nahverkehrsabgabe, City-Maut – auf dem Weg zu einer unsozialen Mobilität der Verbote?“ verlangte die FDP-Fraktion von der grün-schwarzen Landesregierung, vom Bund die Voraussetzungen für ein Fahrverbotsmoratorium einzufordern. Das Ziel sei, „die bereits geltenden unsozialen, wirtschaftsfeindlichen und ökologisch unsinnigen Fahrverbote auszusetzen“, so ihr verkehrspolitische Sprecher Jochen Haußmann. Der entsprechende Beschlussantrag entspreche „der Forderung der CDU in ihrer Klausurtagung im Kloster Schöntal". 
Grün-Schwarz konterte mit eigenen Vorstellungen. Verabschiedet wurde – nach einem Geschäftsordnungshickhack – eine vergleichsweise unverbindlich formulierte Absichtserklärung, "die Luftqualität zu verbessern" und "Fahrverbote in Stuttgart und weiteren Städten im Land zu vermeiden". 
Das Abstimmungsverhalten zeige, wie "die CDU sich mit taktischen Spielen vor der Entscheidung drückt“, erklärte Haußmann. Und sein Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke griff zu noch deutlicheren Worten: „Die CDU stellt sich mit ihrer Abstimmung gegen die eigene Parteihaltung: Sie ist mit vollem Mund in Schöntal hineingegangen, aber mit voller Hose im Landtag wieder herausgekommen.“
Martin Rivoir (SPD) appellierte an CDU und FDP, an die Grünen und auch an die eigene Fraktion, eine gemeinsame Verantwortung für die Lage einzuräumen. Er sage das durchaus selbstkritisch: „Natürlich sind wir zum Teil auch dafür verantwortlich, dass die Emissionen nur auf dem Prüfstand gemessen worden sind – wobei das technisch früher auch nicht anders möglich war und die Regeln relativ lasch waren.“ Jetzt gehe es darum, aus diesen Fehlern zu lernen: „Die Frage ist doch, wie wir es sozialverträglich hinbekommen.“ Da gebe es zwei Wege: Entweder suche man „eine Lösung auf der Zeitachse, die es möglichst vielen Menschen erlaubt, durch den Einbau von Nachrüstsätzen weiterhin ihr Auto zu fahren“. Der andere bestehe darin, „seine Ideologie der Autoverteufelung hier richtig auszuleben und den Menschen mit Verboten ihre Mobilität zu nehmen“. Da werde die SPD aber nicht mitmachen.
Trotz des gemeinsamen Antrags machte die Debatte erhebliche und zahlreiche Unterschiede zwischen Grünen und CDU deutlich, besonders bei den Themen Grenzwerte und Gesundheitsgefährdung. „Der Brief von über 100 Lungenfachärzten und weiteren Experten, die die wissenschaftliche Basis infrage stellen, ist schon auch ein Weckruf an die Politik“, so Thomas Dörflinger, der Verkehrsexperte CDU. Er habe „keinerlei Verständnis dafür, wenn diese Initiative von manchen diskreditiert oder sogar in die ‚Reichsbürger‘-Ecke gestellt wird“. Für die Grünen beklagte Daniel Renkonen, dass "jetzt 113 Lungenfachärzte daherkommen, ohne jede wissenschaftliche Basis, und meinen, sie könnten die ganze Debatte verändern“. Das sei „eine unseriöse Politik“. Diesen Menschen jetzt auf den Leim zu gehen, trage zur Verunsicherung der Bevölkerung bei. 300 Studien der Weltgesundheitsorganisation bildeten die Basis der EU für die Festlegung der Grenzwerte.
Auch Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sieht keine Möglichkeit auf Landesebene, über die seit Jahren geltenden Grenzwerte neu zu diskutieren. „All diese Grenzwerte, die Sie jetzt so massiv beschimpfen und kritisieren“, sagt er an die Adresse der Liberalen, seien auf Bundes- und europäischer Ebene vereinbart worden und bisher außer mit Ausnahme der AfD von niemandem in Frage gestellt worden. „Die FDP schließt sich dem nun an, herzlichen Glückwunsch, dass Sie jetzt dort gelandet sind", sagte der Minister. Wer Grenzwerte ändern wolle, müsse das auf europäischer Ebene tun, „und einstweilen gelten sie so, wie im Rechtsstaat Recht gilt“.
Hermann verwies auf die umfangreichen Maßnahmen, die die Landesregierung in die Wege geleitet habe, um die Luft zu verbessern und Fahrverbote für jüngere Diesel zu vermeiden. Im Übrigen sei klar, dass die Messungen am Stuttgarter Neckartor deutlich großflächiger als immer wieder dargestellt. Wer da mit „ein bisschen aufmerksamen Augen da durchfährt, sieht, dass 16 Sammler auf einer Strecke von 200 Metern alle Schadstoffe einsammeln“, und daraus werde die Luftbelastung errechnet.
AfD-Verkehrsexperte Hans-Peter Stauch erinnerte daran, dass unter der Regierungskoalition von CDU und FDP 2001 die Messstation am Neckartor aufgestellt wurde. „Heute melden Sie Demonstrationen dagegen an“, kritisierte Stauch. Wie die FDP bot auch die AfD die Zusammenarbeit an. Es gebe im Landtag 20 Abgeordnete der AfD, zwölf FDP-Abgeordnete und 43 der CDU, also könne diese Mehrheit "gemeinsam ein Ende dieser katastrophalen Verkehrspolitik einleiten".

Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer

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30. und 31. Januar 2019