Debatten im Landtag vom 21. Dezember 2016

Opposition wirft Sitzmann Trickserei vor

Stuttgart. In der allgemeinen Aussprache über den Haushalt 2017 haben die Oppositionsfraktionen im Stuttgarter Landtag am Mittwoch den vor einer Woche von Finanzministerin Edith Sitzmann eingebrachten Entwurf scharf kritisiert. Die Fraktionschefs Jörg Meuthen (AfD), Andreas Stoch (SPD) und Hans-Ulrich Rülke (FDP) warfen der Grünen-Politikerin „Unehrlichkeit, Trickserei, Täuschung und Plattitüden“ vor. Die Vorsitzenden der Regierungsfraktionen verteidigten […]

Stuttgart. In der allgemeinen Aussprache über den Haushalt 2017 haben die Oppositionsfraktionen im Stuttgarter Landtag am Mittwoch den vor einer Woche von Finanzministerin Edith Sitzmann eingebrachten Entwurf scharf kritisiert. Die Fraktionschefs Jörg Meuthen (AfD), Andreas Stoch (SPD) und Hans-Ulrich Rülke (FDP) warfen der Grünen-Politikerin „Unehrlichkeit, Trickserei, Täuschung und Plattitüden“ vor. Die Vorsitzenden der Regierungsfraktionen verteidigten dagegen den Etatentwurf. Andreas Schwarz (Grüne) bezeichnete ihn als „verlässlich, innovativ und nachhaltig“. Wolfgang Reinhart (CDU) zufolge stellt Grün-Schwarz damit „zentrale Weichen für diese Wahlperiode“.
„Mit diesem Haushalt wird getrickst, getarnt und getäuscht. Dieser Haushalt spart an der völlig falschen Stelle: bei der Bildung und bei den Kommunen“, konstatierte Stoch. Rülke erklärte, neben viel Lyrik und Allgemeinplätzen sei die Haushaltsrede der Finanzministerin „von viel Unehrlichkeit“ geprägt gewesen. „Dieser Haushalt ist nicht nachhaltig, nicht zukunftsfähig, nicht ehrlich. Wir lehnen ihn ab“, kündigte der Liberale an. Meuthen sah in der Haushaltsrede Sitzmanns eine 33minütige Aneinanderreihung von Plattitüden; der Haushaltsplan sei ein Armutszeugnis, geprägt von „Ideologie statt Verstand“ und von „Bildungseinfalt statt –vielfalt“.
Die Finanzministerin verteidigte die grün-schwarze Politik und den von ihr vorgelegten Haushaltsplan, der keinen Abbau der Schulden in Höhe von 47,24 Milliarden Euro vorsieht, dafür der Koalition aber neue Spielräume ermöglicht durch die Änderung der Landeshaushaltsordnung (LHO) um den Begriff „implizite Schulden“. Es hätte in den vergangenen Jahren keinen Haushalt gegeben, der eine höhere Konsolidierungsleistung aufweise als der Etat 2017 mit einem Volumen von 47,674 Milliarden Euro. Bis 2020 werde das Land keine neuen Schulden aufnehmen, dafür aber das strukturelle Defizit in Milliardenhöhe abbauen. Steuererhöhungen, zum Beispiel die Erhöhung der Grunderwerbsteuer, schloss Sitzmann erneut aus.
Die Einsparungen der Ministerien in Höhe von 390 Millionen Euro sei „kein Spaziergang“ gewesen, erklärte Sitzmann. Grün-Schwarz spare, wo es möglich, und investiere, wo es nötig sei. Auf Fragen der Opposition, wann die Regierung endlich Schulden tilge, antwortete die Grünen-Politikerin: „Wir tilgen, aber wir tilgen die implizite Verschuldung.“ Polizei und Innere Sicherheit, Wohnungsbau, Digitalisierung, Bildung, Wissenschaft und Integration seien die Schwerpunkte der Investitionen. „Das Geld der Steuerzahler ist bei uns in guten Händen“, stellte die Ministerin fest. Sie erinnerte gleichzeitig an die Pensionsverpflichtungen des Landes von rund einer Milliarde Euro und mehrere Milliarden verdeckte Schulden. „Das strukturelle Defizit werden wir Schritt für Schritt abbauen“, erklärte Sitzmann. Dieses hat sich inzwischen um ein Drittel auf zwei Milliarden Euro verringert.
Andreas Schwarz (Grüne) bewertete den Haushaltsplan positiv: Damit betreibe Grün-Schwarz „eine nachhaltige, verlässliche und verantwortungsvolle Finanzpolitik“. Dadurch könne das Land erfolgreich bleiben. „Der Landeshaushalt ist trotz des Schuldenstands kein Sanierungsfall“, sagte Schwarz, räumte allerdings ein: Man müsse sich um die Konsolidierung kümmern. Zum dritten Mal nacheinander mache das Land keine neuen Schulden und erhalte das Vermögen durch umfassende Sanierungen. Positiv bewertete er den kommunalen Sanierungstopf, an dem sich das Land von 2017 bis 2019 mit 10 Prozent beteilige.
Als einen „Haushalt der klaren Schwerpunkte, der nachhaltigen Verantwortung und der klugen Gestaltung“ bezeichnete Reinhart den Planentwurf. Er sei das Dokument einer Politik mit dem Sinn für das Mögliche, mit dem Mut zum Nötigen und mit der Entschlossenheit zum Richtigen. Anders als in Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen seien „neue Schulden tabu“, es werde auch keine Steuererhöhungen geben. Das strukturelle Haushaltsloch werde kleiner. Der Haushalt sei „in seiner Struktur deutlich gesünder“ als sein Vorgänger, sagte der CDU-Fraktionschef. Zum Schuldenabbau erklärte Reinhart, es sei klüger, in einer Nullzinsphase Straßen, Gebäude und Brücken zu sanieren, als Altschulden zu tilgen, die das Land zurzeit „ja gar nichts kosten“.
Meuthen warf Grün-Schwarz „mangelnde haushaltspolitische Ambitionen“ vor. Es mute seltsam an, wenn Sitzmann ihre Haushaltsrede mit „Solider haushalten, Zukunft sichern, Zusammenhalt stärken“ überschreibe, aber nicht daran denke, alte Schulden abzubauen. Er warf den etablierten Parteien vor, „nach wie vor Familien zu diskriminieren“, etwa durch die Nichtberücksichtigung ihrer generativen Leistung bei den Renten. Auch in der Bildung würden keine neuen Prioritäten gesetzt, Grün-Schwarz betreibe „Bildungsscharlatanerie“. Ausdrücklich begrüßte Meuten dagegen das Zukunftsprojekt Cyber Valley.
Aus Sicht von Stoch könnte Baden-Württemberg in dieser Legislaturperiode Schulden tilgen und zugleich den Sanierungsstau abbauen. Grün-Schwarz kürze bei der Bildung und finanziere seine Mehrausgaben mit Kürzungen bei Städten, Gemeinden und Landkreisen. Zudem passe die „Ausländermaut“, die Einführung von Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer, nicht zu einem weltoffenen Baden-Württemberg. Ein Fiasko und verheerend für den sozialen Wohnungsbau sei auch die Haltung der Wirtschaftsministerin in Sachen Wohnraum-Allianz.
Rülke warf Grün-Schwarz vor, mehrere hundert Millionen Euro an Bundeszuweisungen, die für die Kommunen gedacht seien, für den Landeshaushalt abzuzweigen. Sitzmanns Erfindung der „impliziten Verschuldung“ sei eine Selbstrechtfertigung. „Nur bei Kommunen und Beamten wird gespart“, warf er der Koalition vor und erklärte: 500 Stellen sollten abgebaut werden, jetzt seien es 600 mehr. Positiv seien 380 neue Stelle bei der Polizei und 170 für die Justiz, „die Stellen im Staats- und Innenministeriums sind jedoch unnötig.“ Sitzmann habe sich von der „lieben“ zur „tricky Edith“ entwickelt.

Quelle/Autor: Wolf Günthner

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 167,00 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesermeinungen

Bitte loggen Sie sich ein, um zu kommentieren.

21. Dezember 2016