Debatten im Landtag vom 30. November und 1. Dezember 2016

Polizeireform: Strobl kündigt erste Entscheidungen für Dezember an

Stuttgart. Beim Thema Polizeireform prallen auch drei Jahre nach Inkrafttreten die Positionen unversöhnlich aufeinander. Dies wurde am Donnerstag im Landtag bei der Aussprache über eine von der SPD gestellte große Anfrage deutlich. Während die SPD den Zeitpunkt der Evaluation kritisierte und der Regierungskoalition Voreingenommenheit vorwarf, kritisierten Vertreter von CDU und FDP die maßgeblich von der […]

Stuttgart. Beim Thema Polizeireform prallen auch drei Jahre nach Inkrafttreten die Positionen unversöhnlich aufeinander. Dies wurde am Donnerstag im Landtag bei der Aussprache über eine von der SPD gestellte große Anfrage deutlich. Während die SPD den Zeitpunkt der Evaluation kritisierte und der Regierungskoalition Voreingenommenheit vorwarf, kritisierten Vertreter von CDU und FDP die maßgeblich von der SPD betriebene Reform.
Nach Ansicht von Sascha Binder, innenpolitischer Sprecher der SPD im Landtag, ist die derzeit laufende Evaluation der Polizeireform „allein politisch motiviert“. Das zeige sich schon darin, dass in der Lenkungsgruppe ein ehemaliger Polizeipräsident sitzt, dessen Aufgabe es nun sei, die Arbeit von zwei seiner Nachfolger zu beurteilen. Außerdem könne es nicht angehen, dass Abgeordnete der Regierungsparteien dem Ergebnis des Expertengremiums vorgreifen, indem sie beispielsweise verkündeten, dass ein neues Polizeipräsidium namens Nordschwarzwald nach Pforzheim käme, wie das der innenpolitische Sprecher der CDU im Landtag, Thomas Blenke, in der Pforzheimer Zeitung getan habe. „Wir sind interessiert an einer polizeifachlichen Evaluation und nicht an einer politisch motivierten“, sagte Binder.
Blenke antwortete, er sei der SPD dankbar, dass sie die Evaluation der Polizeireform auf die Tagesordnung gebracht habe. „Wir halten sie für dringend erforderlich und wir halten sie jetzt für erforderlich.“ Keiner habe die Absicht, „das Rad komplett zurückzudrehen“. Doch „nach 1000 Tagen wird man doch mal nachfragen dürfen“. Die „Gall-Reform“ – die Reform geht auf den ehemaligen SPD-Innenminister Reinhold Gall zurück – habe erhebliche Fehler. Der Kardinalfehler sei es gewesen, die Polizeibasis zunächst auszuschließen und dann keinen einzigen Einwand zu berücksichtigen. Der Clou sei dann die Evaluation durch den Berliner Verwaltungswissenschaftler Joachim Jens Hesse im Jahr 2015 gewesen. Dessen Rolle sei mit der eines Restauranttesters zu vergleichen, „der nicht sagen darf, ob das Essen schmeckt, sondern nur, ob der Koch den richtigen Löffel genommen hat“. In der nun gestarteten Evaluation würden die Betroffenen erstmals ernst genommen. „Wären Sie seinerzeit so vorgegangen, müssten wir heute nicht diese Debatte führen.“
Ähnlich argumentierte Innenminister Thomas Strobl (CDU). Es gehe weder darum, den Zustand vor der Reform wiederzuerlangen, noch, alles zu lassen, wie es ist. Der Lenkungsausschuss, der sich am 6. Oktober das erste Mal traf, werde voraussichtlich am 19. Dezember erste Entscheidungen darüber treffen, wie es weitergeht – insbesondere, was die acht Bauvorhaben angeht, die Strobl im Sommer stoppen ließ, um ergebnisoffen zu evaluieren. Bis dann soll auch die Online-Befragung abgeschlossen sein, die an diesem Montag begann und an der sich bis Donnerstag früh bereits 6000 von 32000 Kollegen beteiligt hätten. Im März soll die Evaluation abgeschlossen sein.
Für Ursula Häffner (Grüne) ist diese Evaluation genau das, was die Grünen von Anfang wollten. Auch der Zeitpunkt sei richtig, ebenso die personelle Zusammensetzung der Lenkungsgruppe unter der Leitung des früheren bayerischen Polizeipräsidenten Waldemar Kindler, der schon zahlreiche Polizeireformen begleitet und – da ist Häffner sicher – „das Beste für die Polizei herausholt“. Es sei sinnvoll, Baumaßnahmen auszusetzen, um Spielraum zu gewinnen. Sie wünscht sich mehr Flexibilität für die Polizeipräsidien, weil es einen Unterschied ausmache, ob ein Präsidium für eine Stadt oder für eine ländliche Gegend zuständig sei und ob es regionale Besonderheiten wie etwa Grenznähe oder Unfallschwerpunkte gebe.
Die schärfste Kritik an der Polizeireform übte FDP-Innenexperte Ulrich Gall. Er habe lang darüber nachgedacht, aber nichts gefunden, was für die Reform spricht, sagte der ehemalige Justizminister. „Wenn das nicht Realität wäre, würde man es für einen Witz halten.“ Als Bespiel nannte er die Verschmelzung der Zuständigkeiten in Heidelberg und Mannheim, die Anbindung des Nordschwarzwalds an Karlsruhe und von Ravensburg an Konstanz. „Da liegt der Bodensee dazwischen.“ Gall begrüßte die Evaluation als Möglichkeit, „die größten Fehler noch zu korrigieren“.
Der einzige Redner, der nicht zum Thema sprach, war Heinrich Fiechtner (AfD). Stattdessen beschäftigte sich der Stuttgarter Arzt mit dem Zustand des Rettungswesens und der Ausrüstung der Polizei. Von Parlamentsvizepräsident Wilfried Klenk (CDU) auf den fehlenden Zusammenhang mit der Polizeireform angesprochen, beharrte Fiechtner: „Das gehört alles zum Thema.“

Quelle/Autor: Michael Schwarz

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