Debatten im Landtag vom 15. und 16. Mai 2013

Regionale Schulentwicklung soll zukunftsfähige Schulstandorte hervorbringen

STUTTGART.  Auf die Schullandschaft im Südwesten kommen in den nächsten Jahren durch einbrechende Schülerzahlen massive Veränderungen zu. Viele kleinere Schulstandorte, viele  Haupt- und Werkrealschulen sind in ihrer Existenz bedroht. Kultusminister Andreas Stoch (SPD) stellte bei einer Regierungserklärung im Landtag die Eckpunkte des Konzepts zu einer regionalen Schulentwicklung vor, mit der die grün-rote Landesregierung dieser Entwicklung begegnen […]

STUTTGART.  Auf die Schullandschaft im Südwesten kommen in den nächsten Jahren durch einbrechende Schülerzahlen massive Veränderungen zu. Viele kleinere Schulstandorte, viele  Haupt- und Werkrealschulen sind in ihrer Existenz bedroht. Kultusminister Andreas Stoch (SPD) stellte bei einer Regierungserklärung im Landtag die Eckpunkte des Konzepts zu einer regionalen Schulentwicklung vor, mit der die grün-rote Landesregierung dieser Entwicklung begegnen will.
Stoch sprach von gewaltigen Herausforderungen und schwierigen Entscheidungen, die den Menschen vermittelt werden müssten. Vertreter der Opposition von CDU und FDP warfen Stoch und der Landesregierung vor, das bewährte Bildungssystem in Baden-Württemberg damit an die Wand zu fahren.
Bereits im Vorfeld waren entscheidende Inhalte aus der Regierungserklärung bekannt geworden: Das Land setzt künftig auf ein Zwei-Säulen-Modell aus Gymnasien und Gemeinschaftsschulen. In weiterführenden Schulen wird künftig für eine stabile Zweizügigkeit eine Mindestgröße von 40 Schülern in der Eingangsklasse (60 an allgemeinbildenden Gymnasien) angestrebt. Diese Richtgröße soll künftig bei Genehmigungen und Neueinrichtungen von Schulen gelten. Ausnahmen davon sollen im Einzelfall möglich sein. Wo eine Neuordnung der Schullandschaft erforderlich sein wird, sollen Gemeinden, Städte und Landkreise intensiv am Planungsprozess beteiligt werden, um landesweit die Bereitstellung des Bildungsangebots sicherzustellen

Grundschulen sind von der regionalen Schulentwicklung nicht betroffen

Neben der Erreichbarkeit der Schulen sollen dabei auch die angebotenen Bildungsabschlüsse entscheidend sein. „Sowohl bei Zielbeschreibung als auch bei der Planung wurde in weiten Teilen Übereinstimmung mit den kommunalen Landesverbänden hergestellt“,  sagte Stoch. „Dass Land und Kommunen sich gemeinsam an diese Aufgabe machen, ist eine gute Voraussetzung für den Erfolg.“ Für die beruflichen Schulen werde es einen gesonderten Entwicklungsprozess geben, die Grundschulen blieben von der regionalen Schulentwicklung unangetastet. „Der Grundsatz 'Kurze Beine, kurze Wege' gilt“, so Stoch.
Derzeit bringen von den 862 bestehenden Haupt- und Werkrealschulen im Land lediglich noch 40 Schulen die künftige Mindestgröße von 40 Schülern in der Eingangsstufe auf. 125 Schulen haben im laufenden Schuljahr bereits gar keine Schüler mehr in der Klasse fünf gemeldet, weitere 224 liegen unter der derzeitigen  Mindestschülerzahl von 16. Eine Entwicklung, dies sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen wird. Das Kultusministerium geht daher davon aus, dass es schon bald flächendeckend Schulentwicklungsprozesse geben werde. „An dem Planungsprozess sind alle Schulträger, auch über Landkreisgrenzen hinweg, zu beteiligen, die im Einzugsbereich der jeweiligen Schule liegen.“ Stoch äußerte die Hoffnung, dass es in dem dreistufigen Schulentwicklungsprozess am Ende Konsensentscheidungen geben werde. Ein Ausgleich der Interessen habe im Mittelpunkt des Planungsprozesses gestanden.

Kultusminister: Vorgängerregierungen hätten Prozess einleiten müssen

Stoch machte in seiner Regierungserklärung die Vorgängerregierungen dafür verantwortlich, dass sich die Situation so zugespitzt habe. „Bereits vor einigen Jahren – der starke Rückgang der Schülerzahlen setzte bereits Anfang dieses Jahrtausends ein –  wäre eine planvolle Gestaltung dringend notwendig gewesen“, sagte Stoch. „Wäre dieser Prozess von den Vorgängerregierungen eingeleitet worden, hätten wir in vielen ländlichen Bereichen noch stabile Strukturen.“ Dennoch forderte Stoch die Oppositionsparteien zur konstruktiven Mitarbeit auf.
CDU und FDP wiesen diese Kritik zurück. Die überstürzte Abschaffung der Grundschulempfehlung  habe das Sterben der Haupt- und Werkrealschulen beschleunigt. „Damit haben Sie die Situation unnötig verschärft“, so der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Timm Kern, der der Landesregierung vorwarf, das erfolgreiche Bildungssystem in Baden-Württemberg an die Wand zu fahren. „Das Konzept ist kein großer Wurf, sondern ein halbherziges Vorgehen,“ sagte Kern, „vorgelegt haben Sie ein zentrales Schulschließungsprogramm mit Beteiligungs-Feigenblatt.“
Auch die CDU übte scharfe Kritik an den Plänen. „Sie versuchen das zu korrigieren, was Sie mit der Abschaffung der Grundschulempfehlung selbst angerichtet haben“, sagte Georg Wacker (CDU). Der Schülerrückgang von 50 Prozent an den Hauptschulen habe mit der demographischen Entwicklung nichts zu tun.

Boser: Dreizügiges Schulsystem hat nach heutigen Zahlen keine Zukunft

Für die Grünen wies Sandra Boser die Kritik der Opposition zurück. „Wir konnten in den letzten zwei Jahren noch nicht alles verbessern, das liegt daran, dass wir immer noch ihre Versäumnisse aufarbeiten müssen.“ Das dreizügige Schulsystem habe nach heutigen Zahlen, so Boser, keine Zukunft in Baden-Württemberg. Von CDU und FDP forderte sie, Polemisierung und Verunsicherung der Bevölkerung einzustellen und sich konstruktiv zu beteiligen.
„Machen wir uns nichts vor: Wir werden nicht alle Schulstandorte im Land halten können,“ sagte für die SPD Stefan Fulst-Blei. „Aber wir beenden mit dem heutigen Tag die Vogel-Strauß-Politik der Vorgängerregierungen.“  Fulst-Blei lobte seinen Parteikollegen Stoch für die Einbindung aller Beteiligten am Planungsprozess: „Das Verfahren bietet Gestaltungsspielraum vor Ort und ist eben keine Reißbrettplanung aus Stuttgart, es bietet Bestandsschutz und Zukunftssicherung“. Freiwilligkeit und Partnerschaft seien zentrale Ansätze des vorgelegten Planes. Die Verhandlungen mit den Kommunen hätten auf Augenhöhe und sehr lösungsorientiert stattgefunden. Die Kritik unter anderem des baden-württembergischen Gemeindetages an der Festlegung auf die Zahl 40 als Mindestgröße wies Fulst-Blei zurück. „Uns geht es um eine möglichst große Zahl von zukunftsfähigen Standorten,“ sagte er. „Die Zahl 40 bietet eine gute Orientierung, um auch bei weiter zurückgehenden Schülerzahlen eine Zweizügigkeit sicherzustellen.“  

Quelle/Autor: Ulrike Bäuerlein

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15. und 16. Mai 2013