Debatten im Landtag vom 24. Oktober 2018

Sckerl: „Extremisten haben in diesem Hause nichts verloren“

Stuttgart. Mit scharfer Kritik reagierten die Redner von Grünen, CDU, SPD und FDP im Landtag auf einen Gesetzentwurf der AfD-Fraktion, der die Beschäftigung von Verwandten verhindern soll. In Baden-Württemberg sei es zu keinem einzigen einschlägigen Fall gekommen, so Reinhold Gall (SPD). Es handele sich um ein „reines Ablenkungsmanöver“, weil eigentlich der interfraktionelle Gesetzentwurf zur Verschärfung […]

Stuttgart. Mit scharfer Kritik reagierten die Redner von Grünen, CDU, SPD und FDP im Landtag auf einen Gesetzentwurf der AfD-Fraktion, der die Beschäftigung von Verwandten verhindern soll. In Baden-Württemberg sei es zu keinem einzigen einschlägigen Fall gekommen, so Reinhold Gall (SPD). Es handele sich um ein „reines Ablenkungsmanöver“, weil eigentlich der interfraktionelle Gesetzentwurf zur Verschärfung der Regelungen für Mitarbeiter in Mittelpunkt stehen sollte. Und den „die inakzeptable Personalpolitik der AfD notwendig macht“, erläuterte Hans-Ulrich Sckerl (Grüne).
Sckerl, der selber mit Unterlassungsandrohung durch die AfD konfrontiert ist, zählte einige einschlägige Fälle auf: „Angehörige rechtsextremer Burschenschaften, zum Beispiel der sogenannten Rheinfranken, beobachtet vom Verfassungsschutz, unter dem Dach des rechtsextremistischen Verbands Deutsche Burschenschaften, arbeiten bei Fraktionen und Abgeordneten; der parlamentarische Berater im Petitionsausschuss war Autor im NPD-Parteiorgan ‚Deutsche Stimme‘ und Aktivist der vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung; ein persönlicher Mitarbeiter von Abgeordneten der AfD hat eine langjährige Karriere bei der NPD-Nachwuchsorganisation Junge Nationaldemokraten und hatte in Baden-Württemberg eine Führungsaufgabe; der parlamentarische Berater im Untersuchungsausschuss ‚Zulagen Ludwigsburg‘ war bei der neonazistischen Heimattreuen Deutschen Jugend stellvertretender Bundesführer. Und, ganz aktuell: Bei Ihrer jüngst eingestellten parlamentarischen Beraterin gibt es potenzielle Bezüge zur früheren Rechtsrockband ‚Noie Werte‘ und sogar zur Terrorgruppe NSU.“
Während die AfD auch in Baden-Württemberg immer wieder versuche, sich „als deutschnationale Biedermänner zu inszenieren“, zeige die „klammheimliche Personalpolitik in den Hinterzimmern dieses Parlaments, wohin die Reise wirklich geht: hin zum Schulterschluss mit den Rechtsextremisten“, so Sckerl. Extremisten hätten aber „in diesem Hause nichts verloren“.

Razavi: Das wollen und dürfen wir nicht zulassen

Auch Gall erläuterte den interfraktionellen Gesetzentwurf als Notwendigkeit, um diesem „Treiben zu begegnen, mehr Sicherheit und mehr Vertrauen zu schaffen". Der AfD-Vorstoß sei dagegen ein „zielgerichteter, billiger Versuch, politische Meinung zu formen, indem Sie Erkenntnisse manipulieren“. Das Parlament werde nicht zuschauen, „wie Sie versuchen, die Grenze des Zumutbaren immer weiter zu verschieben“.
Für die CDU erklärte die Parlamentarische Geschäftsführerin Nicole Razavi, dass es inakzeptabel sei, im Landtag Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit eindeutigen Mitgliedschaften und Kontakten zu rechtsextremen Gruppierungen zu beschäftigen: „Das wollen und dürfen wir nicht zulassen.“ Davor müsse das Parlament „uns selbst, aber auch unsere rechtschaffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schützen“.

AfD verteidigt eigenen Vorstoß mit Verweis auf Bayern

Timm Kern (FDP) nannte es „nicht nur in diesen Tagen wichtig und richtig, unsere Demokratie mit ihren Normen und Werten gegen alle Widersacher, seien sie von rechts oder von links, aktiv und selbstbewusst zu verteidigen“. Der Landtag sei das zentrale Herzstück unserer Demokratie. „Wer hätte es“, fragte der FDP-Abgeordnete mit Blick auf Stefan Räpple (AfD) „für möglich gehalten, dass eines Tages ein Abgeordneter dieses Hauses jemandem ein Jobangebot als Belohnung für einen Rechtsbruch machen würde?“
Die AfD verteidigte den eigenen Vorstoß mit der „Verwandtenaffäre im Bayerischen Landtag, die auch als Gehaltsaffäre, Abgeordnetenaffäre, Familienaffäre und Beschäftigungsaffäre bekannt geworden ist“, so Fraktionsvize Rüdiger Klos. Dort hätten Landtagsabgeordnete und Regierungsmitglieder „ihre Ehefrauen oder Stiefsöhne angestellt, und das Ganze mit Mitteln des Landtags, mit Steuermitteln“. Und die gemeinsamen Vorstellungen der anderen vier Fraktionen wies Klos zurück mit Hinweisen wie diesem: „Wer einen Ströbele, einen Schily in seinen Reihen hat, der RAF-Terroristen, Mörder verteidigt hat, der sollte mal ganz ruhig sein."
Der Gesetzentwurf, den Grüne, CDU, SPD und FDP eingebracht haben, zielt darauf ab, dass Mitarbeiter  und Praktikanten von Abgeordneten künftig vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ein Führungszeugnis
vorlegen müssen. Darüber hinaus erhält der Landtag eine neue Hausordnung. Diese soll dazu beitragen, die Sicherheit im Parlament zu erhöhen. Kernstück sei eine mehrstufige Regelung der Zugangsberechtigung für die Beschäftigten der Fraktionen, der Abgeordneten und der Landtagsverwaltung, teilte der Landtag am Dienstag mit. Sie werde nun an die "Vorlage einer positiven Zuverlässigkeitsüberprüfung gekoppelt". Neu einzustellende Beschäftigte einer Fraktion oder eines Abgeordneten erhalten ein Zugangsrecht künftig zunächst nur zu ihrem Arbeitsplatz. Ein umfassenderes Zugangsrecht in das Haus des Landtags, etwa um in den Plenarsaal oder Sitzungssäle der Ausschüsse zu gelangen, bekommt nur, wer sich einer polizeilichen Zuverlässigkeitsprüfung unterzieht.

Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer

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24. Oktober 2018