Debatten im Landtag vom 11. Februar 2021

Sondersitzung im Landtag: Scharfe Vorwürfe gegen die Landesregierung

STUTTGART. Mit scharfen Vorwürfen haben SPD, FDP und AfD die Corona-Politik der Landesregierung kritisiert. In der ersten Sondersitzung des Landtag nach Ende der regulären Plenarberatungen in dieser Legislaturperiode informierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) über die  Beschlüsse der Beratungen von Bund und Ländern vom Mittwoch: „Wir können erste Öffnungsschritte gehen“. Das sei die gute Nachricht. SPD […]

STUTTGART. Mit scharfen Vorwürfen haben SPD, FDP und AfD die Corona-Politik der Landesregierung kritisiert. In der ersten Sondersitzung des Landtag nach Ende der regulären Plenarberatungen in dieser Legislaturperiode informierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) über die  Beschlüsse der Beratungen von Bund und Ländern vom Mittwoch: „Wir können erste Öffnungsschritte gehen“. Das sei die gute Nachricht. SPD und FDP verlangten abermals, Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) die Verantwortung fürs Corona-Management zu entziehen.
Als falsch bezeichnete es SPD-Fraktionschef und Spitzenkandidat Andreas Stoch, einem derart kleinen Haus die Pandemie bearbeiten zu lassen, daran werde aber „mit einer übermenschlichen Sturheit festgehalten“. Sein FDP-Kollege Hans-Ulrich Rülke erwartet, dass die Landesregierung vor Gericht eine weitere Niederlage einfährt, weil ab 1.März nur Friseure, nicht aber Blumenhändler aufsperren dürften. Und für die AfD forderte Fraktionschef und Spitzenkandidat Bernd Gögel, den Menschen endlich die Freiheit zurückzugeben, „selbst entscheiden zu können, welche Risiken sie eingehen wollen und welche nicht“.

Streit um Erarbeitung eines Stufenplans aus dem Lockdown

Ein weiterer Streitpunkt zwischen Opposition und Koalition ist die Möglichkeit, einen belastbaren Stufenplan zum Weg aus dem Lockdown zu erarbeiten. „Mir ist bewusst, dass viele Bürger sich einen klaren, langfristigen, genau ausgearbeiteten Fahrplan wünschen“, so Kretschmann, „doch der müsste entweder laufend angepasst werden, dann hat er seinen Zweck verfehlt und es gibt keine Planungssicherheit“. Rülke nannte „eine klare Perspektive ist für Gesellschaft, Kultur, Bildung, Betreuung und Wirtschaft“ dagegen „richtig und wichtig“. Die FDP scheiterte jedoch mit einem Antrag, Öffnungen in drei Stufen zu planen „nach stabilen Inzidenzwerten von 100, 50 und 35“. Stoch sprach sich für eine „Vorwärts-Strategie“ aus, für einen „nachvollziehbaren und an Risikoerwägungen orientierten Wenn-Dann-Plan“.
Neben Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz, der vor bei zu schnellen Lockerungen vor Jojo-Effekten wie in anderen europäischen Ländern warnte, sprang auch CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart dem Ministerpräsidenten zur Seite. Denn die Ausbreitung neuer mutierter Viren finde „unter dem Tarnmantel insgesamt sinkender Infektionszahlen statt, als unsichtbare Welle“. Fachleute fürchteten genau die, „sobald die neuen, ansteckenderen Virenvarianten die Oberhand gewinnen“. In der Frage der Ausgangssperre und der Aufhebung durch den VGH rate er „ebenfalls zu einer maßvollen Debatte“. Denn der VGH sei gar nicht prinzipiell gegen die Regelung, sondern fordere einen räumlich differenzierten Einsatz.

Kretschmann: Ausgangssperren haben zum Rückgang der Zahlen geführt

Der Ministerpräsident selber bleibt bei seiner Einschätzung, dass gerade die Ausgangsbeschränkungen seit 12.Dezember „wesentlich mit dazu beigetragen haben, dass wir in Baden-Württemberg den stärksten Rückgang der Infektionszahlen haben und heute an der Spitze aller Länder liegen“. Er verwies noch einmal darauf, dass die Landesregierung eine Veränderung ohnehin geplant habe. Das glaube er nicht, rief Rülke dazwischen. Man könne gerne den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) fragen, mit dem er am Sonntag gesprochen habe, konterte Kretschmann. „Dem glauben wir auch nicht“, antwortete der FDP-Fraktionschef.
Zu den Schulöffnungen kündigte der Ministerpräsident an, dass „die Klassen für den Präsenzunterricht geteilt werden, im Klassenzimmer wird nur die Hälfte einer Klasse unterrichtet“. Die Zusammensetzung dieser Gruppen bleibe immer gleich, unterrichtet werde „also in konstanten Kohorten“. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte den Wechselbetrieb ursprünglich abgelehnt, legte jetzt aber ein Konzept vor.

Keine Präsenzpflicht an den Schulen: Eltern können entscheiden

„Nach der gestrigen Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit der Bundeskanzlerin können wir den Schulen im Land nun endlich eine Öffnungsperspektive für die Rückkehr zum Präsenzunterricht aufzeigen“, schrieb sie dazu auch an alle Schulleitungen im Land und empfiehlt, bei den Planungen auf die Erfahrungen zum Ende der Pfingstferien für den Wiedereinstieg in den Präsenzbetrieb zurückzugreifen.
Seinerzeit sei dieses Modell schon an den Grundschulen erfolgreich umgesetzt worden. Beispielsweise könnten in der letzten Februarwoche die Klassenstufen 1 und 3 und in der ersten Märzwoche die Klassenstufen 2 und 4 Präsenzunterricht erhalten. Umfassen soll der jeweils mindestens zehn Unterrichtsstunden pro Woche. Es wird weiterhin keine Präsenzpflicht geben – die Eltern dürfen wie bisher frei entscheiden, ob die Kinder zur Schule gehen oder zu Hause lernen. Auch die Grundstufen der Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) sollen ab 22. Februar wieder schrittweise öffnen. Für Abschlussklassen wird ebenfalls Wechselunterricht angeboten.

Perspektive für weiterführende Schulen steht noch aus

Lehrer und Erzieher bekommen, wie Kretschmann erläuterte, virenfilternde Masken und jede Woche zwei Antigen-Schnelltests. Nach Angaben des Kultusministeriums ist der Versand von geprüften Schutzmasken des Typs KN95 an rund 2500 Grundschulen fast abgeschlossen. Eine Perspektive für  weiterführenden und den beruflichen Schulen steht noch aus. „Da findet für alle Klassenstufen zunächst weiterhin Fernunterricht statt“, schreibt Eisenmann in ihren Brief. Für die Klassenstufen 5 bis 7 der allgemein bildenden Schulen sei zudem die Notbetreuung nach den bisherigen Regelungen für die zur Teilnahme berechtigten Schülerinnen und Schüler eingerichtet.

Videos mit den Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2021 sowie Infografiken zu den vergangenen Wahlen finden Sie hier.

Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer

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11. Februar 2021