Debatten im Landtag vom 8., 9. und 10. Februar 2017

SPD: Dieser Haushalt ist keine Grundlage für eine innovativere Agrarpolitik

Stuttgart. Baden-Württemberg braucht nach Ansicht von Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) aktive ländliche Räume. Deshalb investiere Grün-Schwarz auch in die ländlichen Räume, damit die dort lebenden Menschen „Perspektiven gewinnen, haben und bewahren können für ihre Zukunft“, sagte der CDU-Minister am späten Mittwochabend in der Haushaltsdebatte des Landtags zum Einzelplan 08 des Ministeriums für Ländlichen Raum und […]

Stuttgart. Baden-Württemberg braucht nach Ansicht von Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) aktive ländliche Räume. Deshalb investiere Grün-Schwarz auch in die ländlichen Räume, damit die dort lebenden Menschen „Perspektiven gewinnen, haben und bewahren können für ihre Zukunft“, sagte der CDU-Minister am späten Mittwochabend in der Haushaltsdebatte des Landtags zum Einzelplan 08 des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz.
Mit rund 780 Millionen Euro, davon 300 Millionen Euro für Personal, macht der Etat lediglich 1,6 Prozent des Gesamthaushalts des Landes aus. 200 der 478 Millionen Euro an Sachausgaben sind durchlaufende Posten von der Europäischen Union und vom Bund, gebunden für Ko-Finanzierungen. Deshalb seien freie Verausgabung und freie Einsparung „gar nicht so einfach“, erklärte Hauk mit Blick auf die angestrebte Nullverschuldung in diesem und den kommenden Jahren. Dabei stünden die Landbewirtschaftung und der ländliche Raum vor Herausforderungen. „Das beginnt mit den Landwirten selbst“, sagte der Minister.

Hauk fordert Rücktritt von Bundesumweltministerin

Mit Blick auf die umstrittene Bauernregel-Kampagne von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) forderte Hauk, es müsse einfach aufhören, Berufsgruppen und Berufsstände, die im ländlichen Raum wirken, ständig zu bashen und mobben: „Das ist unanständig“, sagte er und wiederholte seine Rücktrittsforderung an die Ministerin. Er lasse es nicht zu, dass in Baden-Württemberg Berufsgruppen stigmatisiert werden. Stattdessen wies er auf den Wasserschutz und eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft hin, die dafür sorgten, dass Baden-Württemberg die geringste Nitratbelastung des Grundwassers aufweise.
Grün-Schwarz wolle im Zuge der Regionalität „Wertschöpfungsketten stärken“, wobei Bio-Anbau „genauso okay“ sei wie konventionelle Landwirtschaft, sagte Hauk. Er freue sich über das Wachstum der Biobranche, die Baden-Württemberger seien „die Stärksten in diesem Bereich“. Für regionale Produkte gebe es Bedarf, vor allem im Gemüsebau. Der Klimawandel sei die Nagelprobe für Pflanzen- und Tierarten, Hauk sieht außerdem Bedarf an mehr Moorschutz. „Deshalb schließen sich die Ziele, die sich die Landesregierung gegeben hat, nämlich bis zu zehn Prozent Prozessschutz und Stilllegung und Totholz und dergleichen in unseren Wäldern einerseits sowie Artenvielfalt, eine aktive Klimaschutz- und Umweltpolitik andererseits nicht gegenseitig aus, sondern sie ergänzen sich. Die Nutzung ist zwangsläufig ein Teil der Artenvielfalt,“ erklärte der Minister.

Grüne sehen ländliche Regionen gut aufgestellt

Die ländlichen Regionen seien gut aufgestellt, betonte Martina Braun (Grüne). Das Geld des Ministeriums für den ländlichen Raum wirke in der Fläche, so mit dem Maßnahmen- und Entwicklungsplan und seinen 16 Förderprogrammen oder mit Agrarinvestitionsförderprogramm (AFP) und dem Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (FAKT). Auch die Ausgleichszulage sichere die dauerhafte Nutzung landwirtschaftlicher Flächen in benachteiligten Gebieten.
Braun erinnerte auch an die wichtige Umsetzung des Nationalparks Schwarzwald und des Biosphärengebiets Südschwarzwald in der vergangenen Legislaturperiode als Erfolgsmodelle für gelebten Naturschutz und Motor für Tourismus und regionale Entwicklung. Auch der Breitbandausbau sei ein wichtiger Standortfaktor im ländlichen Raum. Die Grünen-Abgeordnete erinnerte daran, dass rund ein Drittel der Baden-Württemberger außerhalb der Ballungszentren lebt und ein Drittel der Wirtschaftskraft erarbeitet. Der neu geschaffene Kabinettsausschuss Ländlicher Raum arbeite ressortübergreifend und gebündelt an allen für den ländlichen Raum relevanten Themen.

CDU will Wertschöpfung in ländlichen Regionen erhalten

Ein Kernanliegen der Landesregierung sei die Stärkung der Regionalität und der Erhalt der Wertschöpfung in den ländlichen Regionen, erklärte Patrick Rapp (CDU). Land- und Forstwirtschaft und der Verbraucherschutz würden unterstützt. „Wir alle wissen um die niedrigen Erzeugerpreise in der Landwirtschaft und die damit einhergehenden Probleme“, sagte er. Gleichwohl würden viele Landwirte zurzeit mit Milch, Fleisch und Getreide leider nur sehr wenig Geld verdienen. Die Politik könne hier nur flankierend tätig sein. „Wir können keine Preise festlegen. Aber wir können die Rahmenbedingungen verbessern“, sagte Rapp. Immerhin würden im Haushalt 2017 die Mittel im Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl um acht Millionen Euro erhöht.
Wichtig sei Grün-Schwarz auch die Förderung des Steillagenweinbaus. Zudem soll wegen des schwebenden Kartellverfahren die Forstverwaltung mit tragfähigen Lösungen in die Zukunft überführt und auch die vereinbarte Anstalt des öffentlichen Rechts für die Bewirtschaftung und die Pflege des Staatswaldes gegründet werden. Auch das Wildtier-Monitoring werde zusätzlich gefördert.

AfD fordert Obergrenze für Maisanbau

Als „langweilig und im Status quo verharrend“ bezeichnete Stefan Herre (AfD) den Haushaltsplanentwurf. Er warf Hauk fehlende zukunftsweisende Ideen vor und forderte den Minister auf, im Bundesrat eine Initiative auf Senkung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie auf sieben Prozent zu starten. Die AfD wolle auch eine Obergrenze für den Anbau von Mais „Noch nie hatten wir so viel Silo- und Körnermais wie im Jahr 2016“, berichtete Herre; auf dem Ackerland betrage der Anbau schon 25 Prozent. Zum Schutz der Landschaft, der Natur, der Böden, des Wassers und am Schluss zum Schutz der Bauern vor sich selbst müsse per Gesetzgebung eine Obergrenze gezogen werden. „Sonst werden wir immer noch mehr Mais, noch mehr Hochwasser, noch mehr Erosion und noch mehr ungeschützte Böden in der Landwirtschaft bekommen“, meinte der AfD-Abgeordnete.
Für die SPD-Fraktion liegen Grüne und CDU „in kaum einem anderen Bereich so weit auseinander“ wie in der Land- und Forstwirtschaft. „In der realen Politik wird nun nach und nach eine interessante Arbeitsteilung sichtbar, die sich auch in den kommenden Jahren mehr und mehr bestätigen wird“, sagte Georg Nelius. Die Grünen seien mit dem Naturschutzbereich abgefunden, im Gegenzug versuche die CDU eine leise und möglichst unauffällige Kehrtwende in der tatsächlichen Politik im Agrar- und Forstbereich durchzuführen. Er sieht ungelöste Fragen hinsichtlich Pflanzenschutzmittel und Glyphosat, Antibiotika in der Tierhaltung, Artenvielfalt, Altholz und Bannwald im naturnahen Wald. „Dieser Haushalt ist für uns kein Dokument des grundsätzlichen Wandels und keine Grundlage für eine innovativere Agrarpolitik. Er finanziert das Vorhandene und schreibt es fort“, kritisierte Nelius.

Bullinger spricht von Degradierung des Ministeriums zu einem Restministerium

Eine zukunftsgerichtete Agrarpolitik müsse regionale Aspekte genauso berücksichtigen wie globale Märkte, eine regionale süddeutsche Agrarpolitik könne es nicht geben, sagte Friedrich Bullinger  (FDP). Gleichzeitig verwies er auf den Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe von 44 500 (2010) auf 40 600 (2016). „Allein in der Regierungszeit der grün-roten Landesregierung haben rechnerisch jeden Tag zwei Betriebe aufgegeben“, rechnete der Liberale. Der Strukturwandel sei durch Grün-Rot nicht gehemmt, sondern noch beschleunigt worden durch Bevormundungen, Einschränkungen des Eigentums und Verbote. Baden-Württemberg sei auch Schlusslicht beim landwirtschaftlichen Einkommen.
Besserung ist für Bullinger nicht in Sicht, denn „zum Schaden der Landwirtschaft und des ländlichen Raums“ sei das Ministerium für ländlichen Raum zu einem Restministerium degradiert worden. „Wir haben es mit einem unter der grünen Aufsicht stehenden ausgeweideten – nicht ausgeweiteten – Restministerium zu tun“, sagte der FDP-Agrarexperte. Die CDU habe vor der Wahl den Jägern, den Fischern, den Landwirten – beginnend bei der Novellierung des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes – und den Forstwirten viel versprochen und nichts gehalten. Bullinger wandte sich auch gegen die Pläne von Grün-Schwarz zur Stillegung von zehn Prozent des Staatsforstes: „Das widerspricht der Energiewende, und es ist ökonomisch und ökologisch falsch. Totholz und Bannwald haben wir genug.“

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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