Debatten im Landtag vom 20. und 21. Februar 2019

Streit um Luftreinhaltung und Dieselfahrverboten

Stuttgart. In einer hitzigen aktuellen Debatte zu den Dieselfahrverboten in Stuttgart nannte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch die grün-schwarze Koalition einen „handlungsunfähigen Haufen, der den Titel Regierung doch überhaupt nicht verdient hat". Stoch sprach vom „grünen Urwunsch, Autos per Verbot stillzulegen“ und mokierte sich über das Verhalten der CDU, die auf der Straße demonstriere „gegen das, was Sie in der Regierung […]

Stuttgart. In einer hitzigen aktuellen Debatte zu den Dieselfahrverboten in Stuttgart nannte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch die grün-schwarze Koalition einen „handlungsunfähigen Haufen, der den Titel Regierung doch überhaupt nicht verdient hat". Stoch sprach vom „grünen Urwunsch, Autos per Verbot stillzulegen“ und mokierte sich über das Verhalten der CDU, die auf der Straße demonstriere „gegen das, was Sie in der Regierung beschlossen haben“. Gemeinsam mit der FDP fordern die Sozialdemokraten ein Moratorium, das eine befristete Aussetzung der Fahrverbote bedeuten würde. „Wenn Sie glaubwürdig sein wollen“, so Stoch, „müssen Sie diese Entscheidung hier in diesem Haus treffen.“  
Die SPD-Fraktion leitet diesen Gedanken aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig ab. Darin heißt es, Übergangsfristen für „Dieselfahrzeuge namentlich der Abgasnorm 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen“. Grundlage der Argumentation ist eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes im Bundestag. Im Leipziger Urteil selber heißt es allerdings auch, dass – gerade unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit – Eigentümern von Dieselfahrzeugen, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. August 2014 Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 erworben haben, „mit Blick auf das höhere Alter und die höhere Fahrleistung und den daraus resultierenden geringeren Restwert der Fahrzeuge eine Einschränkung der Nutzbarkeit durch Verkehrsverbote grundsätzlich zuzumuten" sei. 

FDP will Fahrverbote für Euro-4-Diesel wieder aufheben

Die FDP wiederum verlangt sogar, dass auch Dieselfahrzeuge der Euro-4-Norm wieder fahren dürfen. „Wenn Sie sagen können“, so Rülke „‘Euro-5-Fahrverbote gibt es mit uns nicht‘, dann können Sie auch die Euro-4-Fahrverbote aufheben.“ Denn das zeige, dass „diese ganzen Fahrverbote eben nicht juristisch zwingend sind, sondern sie sind eine rein politische Entscheidung“. Für die Grünen wurde Fraktionschef Andreas Schwarz in seiner Rede an einer Stelle besonders deutlich. „Jetzt halten Sie doch mal die Klappe“, fuhr er den früheren SPD-Innenminister Reinhold Gall an, als der den Grünen per Zwischenruf Versäumnisse vorwarf. Schwarz musste sich dafür von Landtagspräsidenten Muhterem Aras (Grüne) aufrufen lassen, sich in seiner Wortwahl doch zu mäßigen.
CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart listete einzelne Projekte der Landesregierung in Sachen Luftreinhaltung auf. So seien 65 Millionen Euro zur Förderung von Expressbuslinien etatisiert sind, und ein Landesfonds Luftreinhaltung solle dafür sorgen, dass Geld bei den Kommunen ankomme.
Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann versuchte abermals die Rechtslage zu verdeutlichen und vor allem, welche Maßnahmen die Landesregierung bereits ergriffen hat. Das Paket sei „bundesweit einzigartig“ mit fast eine halber Milliarde Euro für günstige Ticketpreise im ÖPNV in Stuttgart und den neuen BW-Tarif, für Elektro bei Bussen, Flottenfahrzeugen und Lastenrädern, für innovative Maßnahmen wie die Filterung von Feinstaub, fotokatalytische Fassadenfarbe, Straßenoberflächen und intelligente Verkehrssteuerung. „Wir haben ein Jobticket für Landesbedienstete eingeführt, damit sie vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen“, so Kretschmann weiter, „und wir konnten die großen Arbeitgeber der Stadt für ein Bündnis für Luftreinhaltung gewinnen.“ Noch diese Woche „geht auch ein Brief an die Mittelständler raus, sich diesem Bündnis anzuschließen“. Niemand könne sagen, dass die Landesregierung nicht handele.

Kretschmann: Mir ist die Gabe der Prophetie nicht gegeben

Von Rülke wollte Kretschmann wissen, ob er sich denn nicht an Gerichtsurteile halten würde. Und Rülke wiederum wollte vom Ministerpräsidenten wissen, ob und zu welchen Fahrverboten es noch kommen werde. „Sagen wir mal so, mir ist die Gabe der Prophetie nicht gegeben“, antwortet der Ministerpräsident und zitierte Kant: „Man soll nur die Zukunft voraussagen, die man selbst auch bewirken kann.“ Deshalb könne er im vorliegenden Fall sagen, dass wir „wirklich alles dafür tun, dass es nicht zu Euro-5-Fahrverboten kommt“.
Genau das stellt die AfD in Abrede. Fraktionschef Bernd Gögel betonte insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der gewahrt werden müsse.  Hier erwarte er „von dieser Regierung mehr Fantasie, als sie bisher aufgebracht hat“, so Gögel weiter. Seiner Fraktion gefalle das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht, weil es bei Dieselfahrzeugen mit der Euronorm 4 und älter ein Fahrverbot bereits ab dem 1. Januar 2019 als verhältnismäßig eingeordnet habe. 
Die AfD scheiterte im Landtag an diesem Donnerstag mit einem umfangreichen Antrag, der unter anderem verlangte, „eine wissenschaftliche Untersuchung bei einer unabhängigen, kompetenten Einrichtung in Auftrag zu geben, welche geeignet ist, die derzeit gültigen EU-Immissionsschutz-Grenzwerte für den Luftschadstoff NOx und gegebenenfalls für weitere Luftschadstoffe hinsichtlich ihrer tatsächlichen und nachweisbaren Relevanz für den Gesundheitsschutz bestimmter Bevölkerungsgruppen und der allgemeinen Bevölkerung zu überprüfen“. Dem mochten nur 19 von 133 Abgeordneten zustimmen, alle anderen votierten mit Nein. 

Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer

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