Debatten im Landtag vom 4. März 2020

Strobl ist anders als die FDP mit der Digitalisierung der Verwaltung zufrieden

Stuttgart. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hat seine Forderung nach einem eigenständigen Digitalisierungsministerium mit Kritik an Innenminister Thomas Strobl (CDU) verbunden. In der von seiner Fraktion beantragten aktuellen Debatte „Stempel, Faxgerät und Personal Computer – sieht so eine moderne Verwaltung als Rückgrat des smarten Ländles aus?“ verlangte Rülke am Mittwoch im Landtag mehr Unterstützung für die Kommunen. […]

Stuttgart. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hat seine Forderung nach einem eigenständigen Digitalisierungsministerium mit Kritik an Innenminister Thomas Strobl (CDU) verbunden. In der von seiner Fraktion beantragten aktuellen Debatte „Stempel, Faxgerät und Personal Computer – sieht so eine moderne Verwaltung als Rückgrat des smarten Ländles aus?“ verlangte Rülke am Mittwoch im Landtag mehr Unterstützung für die Kommunen. Vom Land würden viel zu wenige Verwaltungsdienstleistung online angeboten.
„Mir liegen keine statistisch belastbaren Zahlen zu den Stempelkissen in der Verwaltung des Landes vor“, konterte Strobl, der in der Landesregierung für Digitalisierung zuständig ist, die FDP-Kritik. Die Landesregierung habe sich ambitionierte Ziele gesetzt und arbeite „mit großen Anstrengungen“ daran, Baden-Württemberg zur digitalen Leitregion zu machen. Allen Mitarbeitern dankte der Minister, denn sie seien „die Stützen der Demokratie und des Rechtstaats“. Die vielzitierte Digitalisierung sei kein frommer Wunsch, sondern „Realität und erlebbar“.

Innenminister spricht von „Politisierung der E-Akte“

Als Beispiele nannte er Videokonferenzen oder die „Politisierung der E-Akte“ in seinem eigenen Haus: Schriftstücke würden nicht mehr in den Umlauf gegeben, sondern gescannt und am Bildschirm bearbeitet. Seit Anfang 2017 werde auch schrittweise die elektronische Personalakte eingeführt. Und Bewerber schickten schon lange kein Fax mehr, sondern nutzten die Bewerberportale. „Das sind die Fakten“, so der Innenminister an die Adresse Rülkes, „mit denen ich Sie gerne bekannt mache.“
Für die Grünen-Fraktion verteidigte Daniel Lede-Abal auf die Städte und Gemeinden und die Verwaltung im Land, die sehr wohl im Jahr 20200 angekommen sei: „Zu digitalisieren heißt nicht ein Faxgerät abzuschaffen, sondern eine Vielzahl von Vorschriften akribisch zu durchforsten und neue Verfahren zu entwickeln.“ Genau das geschehe in Baden-Württemberg. 
Andreas Deuschle (CDU) zeichnet ebenfalls ein ganz anderes Bild und warf der FDP vor, nach einer leicht zu erkennenden Strategie zu verfahren: Die Fortschritte im Land würden nicht wahrgenommen und stattdessen „den Menschen eingeredet, Herr Strobl kann das nicht, Herr Strobl kann dies nicht, wählen Sie doch bitte wieder die FDP“. Den Tatsachen entspreche das nicht. Der Esslinger Abgeordnete verwies unter anderem ebenfalls auf die E-Akte, für deren Verwendung 57.000 Arbeitsplätze umgestellt würden. „Und bei allen Zukunftshemen liegen unsere Kommunen über dem Durchschnitt“, sagt Deuschle, der an die „Bedenkenträger der FDP“ appellierte, die Devise der Landesregierung „machen statt nörgeln“ anzuerkennen.  
„Wir sind wirklich weiter als der Titel der Debatte vermuten lässt“, sagte auch der frühere SPD-Justizminister Rainer Stickelberger: „Gehen Sie doch mal in ein Landratsamt, dort erleben Sie Fortschritt pur.“ Die Beschäftigten hätten die Kritik nicht verdient, gerade weil sehr viele schon zahlreiche Veränderungen mitgemacht hätten „und zwar neben dem alltäglichen Geschäft“. Das sei anzuerkennen als „riesiger Kraftakt“, der nicht von heute auf morgen umzusetzen sei.
„Wir möchten, dass der Prozess funktioniert", sagte Stickelberger, „deshalb müssen die Beschäftigten einen Mehrwert erleben.“ Das sei nicht von oben zu verordnen. Vielmehr müsse es um Akzeptanz dieser Aufgabe in der Verwaltung gehen.  Und er verlangt Konsequenz und „am besten“ das Thema zur Chefsache zu machen. 

Grüne: Persönliche Vorsprache lässt sich nicht immer vermeiden

Für die Grünen wies Lede-Abal zudem darauf hin, dass die formale Anforderung an Prozesse dem Prinzip „Vor dem Gesetz sind alle gleich“ gehorche. Außerdem gebe es viele Vorgänge, die ohne persönliche Vorsprache nicht erledigt werden könnten, etwa im Ausländer- und im Aufenthaltsrecht. „So sehr wir uns über augenscheinlich formalistische Vorgehensweise mokierten haben“, so der Grüne, „so richtig ist aber auch, dass wir nach den Zahlen der OECD eine der leistungsstärksten Verwaltungen der Welt haben.“
Der Sprecher für Digitalisierung der FDP-Fraktion, Daniel Karrais, legte Zahlen vor: Rund 84 Millionen Stunden könnten pro Jahr an Warte- und Bearbeitungszeit in Deutschland durch eine konsequente Verwaltungsdigitalisierung eingespart werden. Bürokratieabbau sei also zwingend notwendig, Digitalisierung und E-Government-Angebote „ein wichtiger Baustein“ für moderne Effizienz. Rülke warnte vor Wettbewerbsnachteilen und beklagte, dass nur von sieben Prozent der Kommunen Gewerbeanmeldungen online angeboten würden. Das sei der niedrigste Wert eines Flächenlandes in Deutschland.
Die AfD kritisierte das Thema der Debatte grundsätzlich angesichts der aktuellen Entwicklung an der griechischen Grenze oder der Ereignisse im Thüringer Landtag. Er wundere sich, so der Calwer Abgeordnete Klaus Dürr, was die FDP „da aus dem Hut gezaubert hat“. Dürr verlangte „weniger Bürokratie und weniger Behördengänge“, dann wäre nach seiner Ansicht in Sachen Digitalisierung schon viel erreicht.

Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer

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4. März 2020