Debatten im Landtag vom 15. und 16. Mai 2019

Verkehrsminister und CDU-Fraktion streiten über Nord-Ost-Ring

Stuttgart. Zwischen Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und der CDU-Fraktion kam es am Mittwochabend zum Streit im Landtag. „Wollt Ihr wirklich, dass wir uns im Streit inszenieren oder was soll das?“, fragte Hermann in der Debatte über den „Stand verschiedener Projekte der Verkehrsinfrastruktur“ am Mittwoch im Landtag pikiert in Richtung CDU-Fraktion. Deren Verkehrsexpertin Nicole Razavi hatte […]

Stuttgart. Zwischen Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und der CDU-Fraktion kam es am Mittwochabend zum Streit im Landtag. „Wollt Ihr wirklich, dass wir uns im Streit inszenieren oder was soll das?“, fragte Hermann in der Debatte über den „Stand verschiedener Projekte der Verkehrsinfrastruktur“ am Mittwoch im Landtag pikiert in Richtung CDU-Fraktion. Deren Verkehrsexpertin Nicole Razavi hatte zuvor Hermann vorgeworfen, Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zwischen Grünen und CDU nicht umgesetzt zu haben. Im Koalitionsvertrag stehe, dass all die Projekte, die im Bundesverkehrswegeplan stehen, planerisch umgesetzt und gebaut würden bis zum Ende der Laufzeit des Koalitionsvertrags. Außerdem liege es am Verkehrsministerium und dem Regierungspräsidium, die Planungen für den Nord-Ost-Ring aufzunehmen und die Filder-Auffahrt nachzumelden, wie es der Bund angeboten habe.
Hermann konterte schroff: „Wir haben in mehreren Beschlüssen und zwei Kabinettsbeschlüssen exakt das hineingeschrieben, was im Bundesverkehrswegeplan steht. Ganz genau das. Ganz genau das, nicht mehr und nicht weniger.“ Nach Ende der Plenardebatte stürmten Razavi und Albrecht Schütte (CDU) protestierend und gestikulierend zur Bank von Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz.
Zuvor hatte Schütte ausgeführt, das Verkehrsministerium werde wie zugesagt eine Konzeption vorlegen, wie der Stuttgarter Talkessel vom Durchgangsverkehr entlastet werden kann. „Für uns gehören der Nord-Ost-Ring und die Filder-Auffahrt dazu – deshalb werden wir bei diesem Thema nicht locker lassen, zum Wohle der Bevölkerung in Stuttgart“, sagte Schütte. Die Voraussetzungen für die Umsetzung des Bundesverkehrswegeplanes seien geschaffen, der Nord-Ost-Ring in diesen Plan mit Planungsrecht aufgenommen und alles vorbereitet, damit auch die Filder-Auffahrt dort aufgenommen wird.

Nord-Ost-Ring scheitert seit 50 Jahren an Widerständen

Hermann jedoch sieht dies anders. Die CDU habe 58 Jahre lang den Verkehrsminister im Land gestellt, aber den Nord-Ost-Ring nicht geplant und gebaut. Er sei nicht gebaut worden, weil es viele Gegner gegeben habe. Deswegen seien die Pläne letztendlich verworfen worden. Auch diesmal habe die CDU den Nord-Ost-Ring nicht für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet. „Es ist rechtlich, ökologisch und politisch 50 Jahre nicht möglich gewesen. Aus diesem Grund habe ich gesagt, ist werde es auch nicht weiter versuchen. Wir brauchen andere Lösungen“, argumentierte der Minister.
Die Lösungen nannte Hermann sogleich: „Die A 81 bauen wir sechsspurig aus, für das letzte Teilstück zwischen Böblingen und dem Kreuz Vaihingen hat die DEGES den Auftrag, mit dem Bau zu beginnen.“ Auch die A 8 sei an die DEGES zum achtspurigen Ausbau übergeben worden. „Wenn man den Nord-Ost-Ring nicht bauen kann, dann muss man die Tangenten A 81 und A 8 ertüchtigen und erweitern“, konstatierte der Minister. Dies sei platzsparend, funktioniere und gehe schneller als irgendein Phantom eines Nord-Ost-Rings, „den man nie bauen wird“. Einige CDU-Abgeordnete waren zu diesem Zeitpunkt schon auf 180, zumal Hermann noch nachlegte: „Die CDU ist ganz irritiert, weil sie jetzt feststellen muss, dass sie das selbst nicht hinbekommen hat.“
Die vorangehende Debatte ging angesichts des Zwists zwischen Hermann und der CDU fast unter. Die Nord-Ost-Umfahrung würde nach Ansicht von Hans Peter Stauch (AfD)  das Problem von Stickoxyd und Feinstaub innerhalb Stuttgarts einfacher lösen als „alle Verkehrsbehinderungsmaßnahmen der vergangenen Jahre zusammen“. Er kritisierte, dass derzeit noch Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan von 2004 abgearbeitet werden. Die AfD plädiere deshalb für den notwendigen Bau des Nord-Ost-Rings. Gleichzeitig werde die Um- und Rücksetzung der Messstation am Neckartor gefordert.

SPD: Es ist ein Irrglaube, dass mehr Straßenbau die Verkehrsprobleme löst

Eine moderne Verkehrsinfrastruktur bestehe nicht nur aus Asphalt und Beton, sondern auch aus Schotter, Holz, Stahl und Kupfer, reagierte Hermann Katzenstein (Grüne) auf die autoverkehrlastige Anfrage der AfD. Die Grünen würden am Grundsatz „erst sanieren, dann planieren“ festhalten, also am Erhalt vor dem Ausbau und dem Neubau. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müssten alle Vorhaben, vor allem im Verkehrsbereich, klimaverträglich sein. Was gegen Klimaziele verstoße, dürfe nicht mehr in Kraft treten.
Martin Rivoir (SPD) warf der AfD vor, der Ruf nach mehr Straßen als Allheilmittel für Mobilitätsprobleme passe, wie der ganze Rest des Parteiprogramms, in die 1960er oder 1970er-Jahr. Es sei ein Irrglaube, dass mehr Straßenbau die Verkehrsprobleme löse. Stattdessen müsse der öffentliche Nahverkehr massiv ausgebaut werden. Auch das Projekt Stuttgart 21 mache den Regionalverkehr schneller und schaffe neue Verbindungen auf der Schiene. Nah-, Regional- und Radverkehr mache Mobilität nachhaltiger.
Die Mobilität im gesamten Land müsse im Blick behalten werden, forderte Jochen Haußmann (FDP). Die Autobahnen 5, 6, 8 und 98 müssten initiiert werden, problematisch sei auch die Mobilität am Bodensee und im ländlichen Raum. Zu einer guten Verkehrspolitik gehöre auch, sich im Interesse der Wirtschaft und der Menschen in Baden-Württemberg um diese Themen zu kümmern. Es sei erforderlich, an das Thema Mobilität bis hin zur Diskussion E-Mobilität technologieoffen heranzugehen und Verbände gleich in die Planungen mit einzubeziehen.

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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15. und 16. Mai 2019