Debatten im Landtag vom 20. und 21. Februar 2019

„Weiter als Bayern“ – Grün-Schwarz preist Naturschutz im Land

Stuttgart. Baden-Württemberg ist nach Ansicht der Landesregierung beim Insektenschutz und der Artenvielfalt weiter als Bayern. Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) am Mittwoch im Landtag, Baden-Württemberg habe viele der in Bayern geforderten Regelungen bereits umgesetzt. „Baden-Württemberg ist bereits dort, wo Bayern hinwill“, betonte der Minister in Bezug auf das Volksbegehren beim östlichen Nachbarn. Gleichwohl seien auch im […]

Stuttgart. Baden-Württemberg ist nach Ansicht der Landesregierung beim Insektenschutz und der Artenvielfalt weiter als Bayern. Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) am Mittwoch im Landtag, Baden-Württemberg habe viele der in Bayern geforderten Regelungen bereits umgesetzt. „Baden-Württemberg ist bereits dort, wo Bayern hinwill“, betonte der Minister in Bezug auf das Volksbegehren beim östlichen Nachbarn.
Gleichwohl seien auch im Südwesten von den dort vorhandenen 50 000 Tier- und Pflanzenarten circa 40 Prozent gefährdet. Untersteller verwies unter anderem auf die Verpflichtung der öffentlichen Hand im Naturschutzgesetz zum Schutz der Natur, die Nachhaltigkeitsstrategie, das Düngeverbot in bestimmten Bereichen und geschützte Biotope. Für das Sonderprogramm biologische Vielfalt stelle das Land 36 Millionen Euro in den Jahren 2018 und 2019 bereit. Dieses werde die Situation „nicht grundlegend“ verändern. Deshalb müsse überlegt werden, was weiter zu tun ist, um die Trendwende hinzubekommen. Mit einem Monitoringsystem will das Land auf Veränderungen schneller reagieren.

„Wir sind anders und besser als unsere östlichen Nachbarn“

„Wir sind anders und besser als unsere östlichen Nachbarn“, erklärte auch Agrarminister Peter Hauk (CDU). 91 Prozent des Grundwassers sei sauber, andere Bundesländer hätten bei Nitratproblemgebieten weit größere Probleme. Hauk sprach sich in der von den Grünen beantragten aktuellen Debatte „Rettet die Bienen! – Baden-Württemberg auf gutem Weg beim Erhalt der Artenvielfalt“ erneut für Pflanzenschutz- und Düngemittel aus: Wer sich ernähren wolle, brauche diese. Außerdem seien Pflanzenschutzmittel Mittel zum Schutz der Pflanzen und nicht per se ein Insektenvernichtungsmittel. Hauk warnte davor, Pflanzenschutzmittel zu verteufeln. Das Land betreibe jedoch eine Reduktionsstrategie. Nach Ansicht von Hauk, der auch Verbraucherschutzminister ist, ist Natur- und Artenschutz „nicht zum Nulltarif“ zu haben. Bio- oder regionale Produkte seien immer teurer.
Artenvielfalt und Naturschutz sind wichtig – darüber sind sich auch alle Fraktionen im Landtag einig. Allerdings gehen die Meinungen über den Weg dorthin auseinander. Die Bilanz der Fraktionen von Grünen und CDU zum Natur- und Artenschutz fiel positiv aus. Seit 2011 sei die biologische Vielfalt „zentrales Thema“ der grün geführten Landesregierung, konstatierte Jürgen Walter (Grüne). 30 bis 60 Millionen Euro seien jährlich dafür eingesetzt worden, Ziel seien 90 Millionen. Der Wohlstand könne nur gerettet werden, „wenn wir im Naturschutz nicht nachlassen“. Natur- und Artenschutz brauche die Landwirtschaft, ob konventionell oder ökologisch. Da zwischen 1985 und 2015 drei Viertel der Fluginsekten zurückgegangen seien, müsse jetzt gehandelt werden. Martina Braun (Grüne), selbst Bio-Bäuerin, mahnte, hinter dem wichtigen Thema Klimaschutz stecke auch der Artenschutz. Und die Landwirtschaft nehme eine zentrale Rolle beim Artenschutz ein.
Raimund Haser (CDU) sagte, vieles, was in Bayern gefordert werde, „haben wir längst auf den Weg gebracht“. Niemand wisse, ob dies ausreicht. Er ergänzte, dass früher im Rhein kein Fisch mehr geschwommen sei, weil der Fluss zu dreckig gewesen sei, und heute im Bodensee weniger Fische vorhanden seien, weil dieser zu sauber sei. Er kritisierte große Industriestaaten, die nichts für den Klima- und Artenschutz tun. Klaus Martin Burger (CDU) nannte die Auswirkungen des Artensterbens: Ohne Bienen und Insekten würde es 60 Prozent weniger Erträge geben. Für das Land Baden-Württemberg, das über das größte Streuobstnetz in Europa verfügt, sei die Artenvielfalt besonders wichtig.
Dagegen warf Udo Stein (AfD) den Grünen vor, mit ihrer gescheiterten Energiewende das Artensterben „zu befeuern“. Das Volksbegehren in Bayern sei nicht von den Grünen, sondern von der ÖDP initiiert worden, deshalb seien die Grünen mit ihrer Debatte „Trittbrettfahrer“. Die Flora- und Fauna-Schädlichkeit gehe von der grünen Ideologie aus; Vögel, Fledermäuse und Insekten wurden zum Beispiel durch Windräder getötet. Zum Betrieb von Biogas würden Flächen angelegt zum Verbrennen statt für Lebensmittel, kritisierte Stein. Um Insektenvielfalt zu schaffen, seien freiwillige Förderprogramme statt „Zwänge und Gängelei“ nötig.
Die Regierung habe „einiges auf der Habenseite“, aber es gebe keinen Grund, sich zurückzulehnen oder hämisch auf Bayern zu schauen, sagte Gabi Rolland (SPD). Denn Biolandbau komme nur in Trippelschritten vor, die Reduzierung des Pestizideinsatzes sei nur ein Lippenbekenntnis, Kontrollen im Naturschutz würden fehlen oder Verstöße gegen die Düngeverordnung blieben ohne Sanktionen. Rolland forderte, die Düngeverordnung zu kontrollieren, Grünland insektenfreundlich zu bearbeiten, den Anteil des ökologischen Landbaus zu erhöhen und verschiedene Pestizide ganz oder teilweise zu verbieten oder zu verringern.

FDP kritisiert „Eigenlob und Lobhudelei“

Andreas Glück (FDP) warf den Grünen „Eigenlob und Lobhudelei“ vor und zeigte sich in Sorge über das „sichtbare Insektensterben“. Er warnte vor einem „rückwärtsgewandten Artenschutz“, denn Technik und Fortschritt helfe „allen, auch den Insekten“. Wie in der Medizin sei erst die Diagnostik und dann die Therapie notwendig, mahnte der Chirurg Glück. Man wisse nicht genau, wo und warum es weniger Insekten gebe.

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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