Debatten im Landtag vom 22. Februar 2017

Grün-Schwarz verabschiedet Haushalt 2017

Stuttgart. Die Regierungsfraktionen von Grünen und CDU haben am Mittwoch im Landtag mehrheitlich den Haushaltsplan für 2017 verabschiedet. Der Etat sieht Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 47 864 170 400 Euro vor.  In dritter Lesung des „Gesetzes über die Feststellung des Staatshaushaltsplans von Baden-Württemberg für das Haushaltjahr 2017 (Staatshaushaltsgesetz 2017)“ stimmte die Opposition von […]

Stuttgart. Die Regierungsfraktionen von Grünen und CDU haben am Mittwoch im Landtag mehrheitlich den Haushaltsplan für 2017 verabschiedet. Der Etat sieht Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 47 864 170 400 Euro vor.  In dritter Lesung des „Gesetzes über die Feststellung des Staatshaushaltsplans von Baden-Württemberg für das Haushaltjahr 2017 (Staatshaushaltsgesetz 2017)“ stimmte die Opposition von AfD, SPD und FDP dagegen.
„Wir verabschieden einen Haushalt, der eine gute Finanzausstattung für die Erfüllung der Aufgaben des Landes sicherstellt, der die Zukunft im Blick hat und die Weichen richtigstellt und der wetterfest ist“, stellte Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) zufrieden fest. Sie  kündigte gleichzeitig an, Grün-Schwarz wolle zum zweiten Mal in der Landesgeschichte – nach 1960 bis 1964 – in einer kompletten Legislaturperiode keine neuen Schulden machen: „Grün-Schwarz macht Schluss mit der Politik auf Pump.“ Angesichts des auf 47 Milliarden Euro gewachsenen Schuldenbergs des Landes wolle man „diese Geschichte“ beenden. Die Landesregierung werde keine Risiken ausblenden und so tun, als wäre aufgrund der augenblicklich guten Finanzlage der Landeshaushalt schon langfristig gut aufgestellt.

Investitionen in Sanierung der Infrastruktur

Angesichts der Unwägbarkeiten durch die Weltpolitik sei es „richtig und wichtig“, die gute finanzielle Lage zu nutzen, um den Landeshaushalt „dauerhaft solider und nachhaltiger aufzustellen“. Im Haushalt 2017 seien dauerhafte sinnvolle Mehrausgaben von 150 Millionen Euro verankert, aber im Gegenzug 800 Millionen Euro dauerhaft eingespart. „So schaffen wir es, das strukturelle Defizit in der mittelfristigen Finanzplanung deutlich um über ein Drittel auf unter zwei Milliarden Euro in 2020 zu reduzieren“, erklärte Sitzmann. „Einmalige Spielräume“ würden 2017 genutzt, um kräftig in die Sanierung von Infrastruktur, Gebäude und Straße zu investieren.
An Ausgaben erwähnte die Finanzministerin die 2,7 Milliarden Euro, die Baden-Württemberg in den Länderfinanzausgleich zahlen muss, die 3,7 Milliarden Euro für den Haushalt des Innenministeriums zur Stärkung der Inneren Sicherheit und der Digitalisierung, die 5,2 Milliarden Euro für die Bereiche Wissenschaft und Kunst, die Rekordsumme von 10,6 Milliarden Euro im Kultus-Etat für die Bildung der Kinder und die 10,1 Milliarden Eur, die an die Kommunen fließen. Mehr als ein Drittel der Landesausgaben, rund 17 Milliarden Euro, sind Personalkosten.

Lob von Haushaltsexperten von Grünen und CDU

Die Haushaltsexperten von Grünen und CDU lobten den Landes-Etat verteidigten die Haltung ihrer Fraktionen, keine Kreditmarktschulden zu tilgen. Der Sanierungsstau und das strukturelle Defizit würden abgebaut, sagte Thekla Walker (Grüne). Das Land nutze die Niedrigzinsphase, um in das Landesvermögen zu investieren. „Es ist sinnvoll, versteckte Schulden abzubauen, wenn die Rahmenbedingungen am günstigsten sind“, erklärte sie. Von der Tilgung der Kreditmarktschulden hätten die Kommunen „gar nichts“; dies sehe der Landesrechnungshof genauso, rechtfertigte sie den Verzicht auf Reduzierung der Schulden. Stattdessen sei der Abbau der impliziten Verschuldung nur konsequent. Nach Ansicht Walkers könne man jedoch erst zu einer „ehrlichen Betrachtung des Landeshaushalts“ kommen, wenn eine Vermögensrechnung vorliege; damit wird Anfang 2018 gerechnet.
Auch Tobias Wald (CDU) bilanzierte den Haushalt positiv. „Kein Haushaltsbereich wird vernachlässigt, jeder Landesteil wird berücksichtigt, jede Region wird beachtet, keine Partner des Landes wird benachteiligt“, konstatierte er. Wald erwähnte den Finanzpakt mit den Kommunen, der allen Beteiligten für die gesamte Legislaturperiode Planungssicherheit garantiere. Solch einen „fairen Pakt“ wolle die CDU auch mit „den fleißigen Beamten unseres Landes“ abschließen. Der öffentliche Dienst solle wieder „attraktiver gestaltet“ und das Land als Arbeitgeber „endlich wieder verantwortungsvoll mit den Beschäftigten umgehen“. Hierzu zählt Wald auch, die Senkung der Eingangsbesoldung um acht Prozent wieder rückgängig zu machen.
Als wichtige Einzelposten im Haushalt erwähnte der CDU-Abgeordnete:  die Innere Sicherheit mit den neuen Stellen bei der Polizei und Justiz, die Schaffung von sozialem Wohnraum und Wohnraumförderung, die neuen Lehrerstellen, den Ausbau der digitalen Infrastruktur sowie die Sanierungen.  „Der Haushalt wird strukturell gesünder. Wir investieren in die Substanz des Landes und erhalten das öffentliche Vermögen“, sagte Wald.

Kritik von der Opposition

Die Opposition teilte die positiven Einschätzungen wie schon in der ersten und zweiten Lesung und im Finanzausschuss nicht. Jörg Meuthen (AfD) bewertete die Beiträge von Walker und Wald als „Büttenreden“. Im haushaltspolitischen Fokus der AfD seien von Beginn an „Effizienzsteigerungen in allen Bereichen sowie Gesundschrumpfung in den meisten Bereichen mit Ausnahme der Sicherheit, der Bildung und der Infrastruktur“ gestanden. Grünen und CDU gelinge dies „leider nicht“. Beide würden es nicht schaffen, in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen die Schulden zu tilgen. Die AfD habe 158 Änderungsanträge eingereicht, alle seien pauschal abgelehnt worden. Mit der Prioritätensetzung im Haushalt lege Baden-Württemberg dort zu, „wo wir schon Übergewicht haben, und wir nehmen dort ab, wo wir zulegen sollten“. Es werde viel zu viel Steuergeld für „obskure, stark ideologisch motivierte Absurditäten ausgegeben“.
Rainer Stickelberger (SPD) kritisierte Sitzmann, da sie in der zweiten Lesung in der Einzelberatung ihres Haushalts diesen nicht – wie der Ministerpräsident und alle anderen Minister – selbst vertreten und stattdessen Staatssekretärin Gisela Splett (Grüne) vorgeschickt hatte. Der SPD-Vorwurf von „Tricksen, Tarnen, Täuschen“ habe die Ministerin wohl mutlos gemacht, mutmaßte Stickelberger, der auch Vorsitzender des Finanzausschusses ist. Seine Bilanz des Haushaltsplans: „Wir haben es hier mit einer Komplementärkoalition zu tun, bei der man den Eindruck hat, dass zwei Regierungen nebeneinander regieren, denen aber die gemeinsame Idee fehlt, wie dieses Land in der Zukunft gestaltet wird.“
Er monierte auch das Vorgehen von Grün-Schwarz: Beratungen im Ausschuss und im Landtag müssten entsprechend der Regeln und der gesetzlichen Vorgaben vorgenommen werden. Die Regierungsfraktionen aber hätten eine Reihe von finanzwirksamen Projekten „auf den letzten Drücker vorgelegt“ und damit eine sachgerechte Beratung im Finanzausschuss und Parlament unterlaufen, lautete der Vorwurf des früheren Justizministers.

Stickelberger: Balance zwischen Regierung und Parlament verschoben

Dies rief Markus Rösler (Grüne) auf den Plan. Es sei nicht üblich, als Ausschussvorsitzender politische Attacken zu reiten, kritisierte Rösler. Seine Aufgabe sei es schon, darauf zu achten, dass die verfassungsmäßigen und gesetzmäßigen Rechte des Ausschusses gewahrt werden, entgegnete Stickelberger. Mehr noch: Die von Grün-Schwarz vorgenommene Lockerung von Paragraf 18 der Landeshaushaltsordnung, wonach auch impliziter Schuldenabbau die Verpflichtung zur Tilgung von Schulen erfüllen kann, gehe schon an die Grundsätze der Gewaltenteilung und verschiebe „die Balance zwischen Regierung und Parlament zugunsten der Regierung“. Er habe Bedenken, dass dies mit Artikel 61 der Landesverfassung in Einklang stehe.     
„Haushalte werden in guten Jahren ruiniert“, stellte Gerhard Aden (FDP) fest. Die Lösung von Überschuldung werde fast immer auf die nächste Wahlperiode verschoben. „So macht es auch die grün-schwarze Landesregierung.“ Sie lasse eine historische Chance verstreichen. „Noch nie war die Möglichkeit, endlich in die Tilgung der Landesschulden einzusteigen, so gut wie dieses Jahr. Nicht allein, dass die Regierung keinerlei Initiative zeigt, sie umgeht aktiv die in der Haushaltsordnung festgelegte Schuldentilgungspflicht“, so Aden. Dass die grüne Finanzministerin davon Abstand nehmen möchte, Schulden, die sie nicht gemacht hat, zu tilgen, sei zwar verantwortungslos, aber menschlich verständlich. Dass aber die CDU darauf verzichte, zumindest einen Funken finanzpolitischer Haltung angesichts der von ihr aufgehäuften Schulden zu zeigen, sei für die FDP schlicht enttäuschend, so Aden. In diesem Haushalt sei Sanieren und Tilgen möglich. Und die Liberalen sehen auch die Verpflichtung, den Tarifabschluss der Angestellten auf die Beamten des Landes inhaltsgleich zu übertragen.

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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22. Februar 2017