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Winfried Hermann: „Bei der Verkehrwende müssen wir alle Verantwortung übernehmen“

Das Land bildet nun Straßenbauer zu Mobilitätsmanagern fort. Der erste Kurs ist in dieser Woche angelaufen. Ziel von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ist eine nachhaltige Verkehrspolitik, erzählt er im Interview.

Foto: Stadt Karlsruhe

STUTTGART. Das Land bildet nun Straßenbauer zu Mobilitätsmanagern fort. Dabei geht es nicht nur um ein neues Etikett, sondern um ein Umdenken im Bereich Verkehr und Mobilität. Ziel von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ist eine nachhaltige Verkehrspolitik.

Staatsanzeiger: Der Personen- und Güterverkehr im Land nimmt seit Jahren zu. Laut Bundesumweltamt erhöht das jedoch nicht zwangsläufig die Mobilität der Menschen oder führt zu einer besseren und effizienteren Güterversorgung. Was bedeutet das für die Nachhaltigkeit im Verkehr?

Winfried Hermann: Wir unterscheiden in der Verkehrspolitik zwischen Mobilität und Verkehr. Viel Verkehr kann durchaus wenig Mobilität bedeuten, etwa wenn man in einen Stau reinfährt. Genauso ist es bei übervollen Zügen und nicht funktionierenden Anschlüssen.

Ziel einer guten, nachhaltigen Politik ist es, die Mobilität der Menschen zu ermöglichen, aber kein Verkehrswachstum. Das bedeutet, dass man den Verkehr intelligenter organisieren muss.

Was gehört dazu?

Dazu gehören geeignete Alternativen zum individuellen Nutzen des Autos. In der Stadt sind das der Fuß- und der Radweg, der vielfach fehlt. Lange Zeit hat man in der Stadt die Straße geplant und dann halt noch einen Gehweg dazu gebaut, ohne sich zu überlegen, wie die Menschen sich bewegen wollen und wie Straßen aussehen müssen, damit sich Fußgänger und Radfahrer gut bewegen können. Bislang war die Verkehrspolitik stark am Auto orientiert. Das verändert sich gerade.

Was nicht so einfach ist.

Voraussetzung ist, dass das Angebot an umweltfreundlichen Verkehrsmitteln attraktiv ist. Nur dann werden wir es schaffen, die Autos verstärkt aus den Innenstädten fern zu halten. Das Auto mag zwar ein faszinierendes Bewegungsmittel in der Fläche und für viele individuelle Bewegungsformen sein, aber in der verdichteten Innenstadt ist es denkbar ungünstig. Da gibt es mit dem öffentlichen Verkehr und dem Fuß- und Radverkehr andere Möglichkeiten, die kostengünstiger und praktischer sind.

Darauf weisen Sie bereits seit zehn Jahren hin. Doch bislang werden immer noch viele Fahrten mit dem Auto gemacht. Wie wollen Sie das ändern?

Das ist ein Wechselspiel. Einerseits muss man dafür sorgen, dass ein anderes Verhalten möglich wird, in dem man ein günstiges und attraktives Angebot macht. Zugleich muss man auch das Angebot, öffentliche Flächen kostenfrei mit dem Auto zu nutzen, beenden.

Was planen Sie?

Wir arbeiten gerade an der Freigabe der Parkraumbewirtschaftung in den Kommunen, die lange rechtlich beschränkt war. Das wollen wir demnächst beschließen. Dann können die Kommunen das Anwohnerparken selber freier gestalten und die örtlichen Gegebenheiten besser berücksichtigen. Heute gibt es in den meisten Kommunen kein Anwohnerparken. Jeder darf sein Auto – häufig kostenlos – im öffentlichen Raum abstellen. Künftig wird das immer seltener der Fall sein. Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass der öffentliche Raum für alle da sein sollte. Die Parkraumbewirtschaftung wird deshalb ein wichtiges Element des Mobilitätsmanagements sein. Das wird auch dazu führen, dass sich alle, die oftmals das Auto nutzen, das Rad oder zu Fuß gehen, überlegen, welche Alternative für welchen Weg passt und ob man wirklich zwei Autos braucht, oder ob nicht eins auch ausreicht. Oder ob man überhaupt ein eigenes Auto braucht oder ob Carsharing und der öffentliche Nahverkehr nicht so gut und die Fahrradwege so sicher sind, dass man weitgehend damit auskommt. Man muss die unterschiedlichen Angebote und die unterschiedlichen Lebens- und Arbeitssituationen zusammendenken.

Viele Menschen meinen, sie täten schon genug für den Klimaschutz.

Wir müssen auch am Verantwortungsbewusstsein der Menschen arbeiten. Das Typische für den Verkehr ist, dass die meisten Menschen „Täter und Opfer“ sind, um drastische Begriffe zu wählen. „Täter“, weil sie selber Auto fahren und andere manchmal auch in Gefahr bringen sowie die Umwelt und das Klima belasten, und „Opfer“, weil sie selber auch darunter leiden. Viele haben diese innere Spaltung im Verkehrsverhalten im Kopf, ich nehme mich selbst natürlich nicht aus. Und gerne wird es auf die anderen geschoben. Andere können ja mit dem Fahrrad fahren, aber ich nicht. Oder die Autoindustrie soll halt endlich saubere Autos liefern, dann sei doch alles in Ordnung.

Das klingt nach Schwarze-Peter-Spiel.

Ich glaube, dass Klimaschutz und die Verkehrswende eine so große Aufgabe ist, dass alle Verantwortung übernehmen müssen. Jede und jeder kann und muss sich überlegen, welche Wege er oder sie mit dem Fahrrad oder zu Fuß machen kann und wo er das Auto wirklich braucht. Wenn alle Menschen, obwohl sie ein Auto haben, einen Teil ihrer Wege anders zurücklegen würden, wäre schon viel gewonnen. Die Zahl der Autos ist perspektivisch zu reduzieren. In Städten gehen wir davon aus, dass ein Drittel weniger Autos bis 2030 gut möglich wäre und hilfreich für eine bessere Lebensqualität.

Mehr dazu lesen Sie am Freitag, 11. Juni im Staatsanzeiger sowie im E-Paper.

Neue Fortbildung zum Mobilitätsmanager

„Nachhaltige und klimaschonende Mobilität ist ein zentraler Baustein für die Einhaltung der Klimaziele. Deshalb wollen wir auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Straßenbauverwaltung in diesem Themenfeld weiterbilden,“ erklärt Verkehrsminister Winfried Hermann. In dieser Woche ist der erste Lehrgang gestartet, der 14 Beschäftigte der Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg zu Mobilitätsmanagern ausbildet. Die Teilnehmenden des Lehrgangs werden für die vielfältigen Herausforderungen einer nachhaltigen Mobilität geschult. „Durch die Initiative der Mobilitätszentrale BW konnte gemeinsam mit dem Baden-Württemberg Institut für nachhaltige Mobilität unter Beteiligung meines Hauses ein wichtiger Fortbildungsbaustein aufgesetzt werden,“ so Hermann. Das Angebot soll in den nächsten Jahren verstetigt und auch den auf kommunaler Ebene für Verkehr verantwortlichen Fachbüros zur Teilnahme angeboten werden.

In vier Modulen wird neben den theoretischen Grundlagen zu Mobilitätsformen und -angeboten auch der Evaluierung und Wirksamkeit von Maßnahmen und damit ihrer konkreten Umsetzung Raum gegeben. Mit Abschluss des Lehrgangs werden die Teilnehmenden in der Lage sein, Themen der nachhaltigen Mobilität einzuordnen, zu bewerten und adressatengerecht in umsetzbare Konzepte zur überführen. Im fünften Modul besteht die Möglichkeit, mit Erstellung einer Abschlussarbeit und der Teilnahme an einem Kolloquium eine Zertifizierung erwerben. Die Lehrenden kommen von der Hochschule Karlsruhe und vom Ministerium für Verkehr.

Stefanie Schlüter

stellvertretende Redaktionsleitung und Redakteurin Politik und Verwaltung

0711 66601-41

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