Ungewöhnlich niedrige Angebote

Der besonders intensive Wettbewerb führt zuweilen dazu, dass Bieter Angebote mit ungewöhnlich niedrigen Preisen abgeben. Soweit die Kosten des Auftrags nicht mehr durch den Angebotspreis gedeckt werden können, werden diese auch als Unterkostenangebot bezeichnet. Sowohl für den öffentlichen Auftraggeber als auch für konkurrierende Bieter ergeben sich in diesem Zusammenhang verschiedene Handlungsmöglichkeiten bzw. –pflichten. Die Behandlung […]

Der besonders intensive Wettbewerb führt zuweilen dazu, dass Bieter Angebote mit ungewöhnlich niedrigen Preisen abgeben. Soweit die Kosten des Auftrags nicht mehr durch den Angebotspreis gedeckt werden können, werden diese auch als Unterkostenangebot bezeichnet.

Sowohl für den öffentlichen Auftraggeber als auch für konkurrierende Bieter ergeben sich in diesem Zusammenhang verschiedene Handlungsmöglichkeiten bzw. –pflichten.

Die Behandlung ungewöhnlich niedriger Angebote ist in § 60 VgV geregelt. Eine fixe Aufgreifschwelle, ab welcher der öffentliche Auftraggeber ungewöhnlich niedrige Preise aufklären muss, sieht die Norm nicht vor. Als Faustregel kann bei einem Preisunterschied von mehr als 20 % zwischen dem günstigsten und dem nächstgünstigsten Angebot eine Aufklärungspflicht des öffentlichen Auftraggebers angenommen werden. Je nach Einzelfall kann es aber auch geboten sein, den Mechanismus des § 60 VgV bei geringeren Preisunterschieden anzuwenden. Die entsprechenden Erwägungen sollte der öffentliche Auftraggeber dokumentieren. § 60 Abs. 2 VgV normiert Gesichtspunkte, die der öffentliche Auftraggeber prüfen kann. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Ein Ausschluss des Angebots unterliegt grundsätzlich dem Beurteilungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers. Ein Ausschluss ist jedoch regelmäßig geboten, wenn nach Aufklärung die begründete Erwartung besteht, der Bieter werde den Auftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß ausführen können. Zwingend ist das Angebot auszuschließen, wenn es ungewöhnlich niedrig ist, weil gegen § 128 Abs. 1 GWB verstoßen wurde (umwelt-, sozial- und arbeitsrechtliche Aspekte) oder der Bieter − nicht nachweislich rechtmäßige − staatliche Beihilfen erhalten hat.

Der BGH (Beschluss vom 31.01.2017 – X ZB 10/16) hat zudem die Rechtsschutzmöglichkeiten für konkurrierende Bieter gestärkt und klargestellt, dass § 60 VgV bieterschützend ist. Bieter haben damit ein subjektives Recht auf Prüfung und ggf. auch Ausschluss eines ungewöhnlich niedrigen Konkurrenzangebotes.

 

Über den Autor:

Regina Dembach, Europajuristin (Univ. Würzburg) ist Rechtsanwältin bei der EY Law GmbH an den Standorten Eschborn sowie Mannheim. Frau Dembach berät öffentliche Auftraggeber und Unternehmen im Bereich des öffentlichen Wirtschaftsrechts. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Vergaberecht und Beihilfenrecht sowie im ÖPNV-Sektor.

Kontakt:
Regina Dembach
Telefon 06 196.996 249 74
Telefax 01 81 39 43 24 974
regina.dembach(at)de.ey.com
www.ey-law.de

Quelle/Autor: Regina Dembach