Bauen im Land

Kühle Energie im Nahwärmenetz soll Wärmewende beflügeln

Kalte Nahwärmenetze – in denen dezentrale Wärmepumpen erst in den Häusern der Abnehmer das Wasser auf das erforderliche Niveau erhitzen, gelten als eine sehr umweltfreundliche Art des Heizens. In Murg an der schweizerischen Grenze wird ein ganzes Neubaugebiet auf diese Weise versorgt.

1,5 Kilometer lang ist das Leitungsnetz für die Nahwärmeversorgung im Murger Neubaugebiet „Auf Leim“.

Energiedienst AG/Juri Junkov )

MURG/STUTTGART. 45 Eigenheime und sieben Mehrfamilienhäuser sollen im Wohngebiet „Auf Leim“ in Murg entstehen. Für die Heizung und Warmwasserversorgung hat die 7000-Einwohner-Gemeinde auf ein Konzept gesetzt, das zunächst paradox klingt: kalte Nahwärme.

Die Bezeichnung leitet sich von der Temperatur ab, die in den Leitungsnetzen herrscht. Während klassische Nah- und Fernwärmenetze mit 70 Grad und mehr arbeiten, sind es in Murg gerade einmal 13,2 Grad. Dies entspricht der Temperatur in 160 Meter Tiefe unter dem Areal. Denn für das Nahwärmenetz wurden 32 Erdwärmesonden im Granitboden versenkt.

Vertrag mit EnBW-Tochter auf 20 Jahre angelegt

Die Gemeinde ist dabei nicht selbst als Bauherr aufgetreten. Sie beauftragte die Energiedienst AG als Contractor mit Bau, Betrieb und Wartung der Anlagen. Das Unternehmen mit Sitz in der Schweiz ist als Energieversorger und -dienstleister tätig. Hauptaktionär ist die EnBW.

Für die Kommune erlaubt das Contracting, die wärmetechnische Erschließung des Neubaugebiets ohne Einsatz von Haushaltsmitteln umzusetzen. Der Vertrag mit der Energiedienst AG ist auf 20 Jahre abgeschlossen. Danach kann ihn die Kommune verlängern oder die Anlagen vom Contractor kaufen.

Um die Wärme aus der Tiefe zu gewinnen, wurden nach Angaben des Contractors 5,3 Kilometer Leitungen verlegt. Zur Verteilung an der Oberflächen würden 1,5 Kilometer benötigt. Wegen der niedrigen Temperatur der Sole in den Nahwärmeleitungen müssen diese nicht oder nur wenig isoliert werden. Wärmeverluste, wie bei klassischen Netzen, gibt es nicht, was die Effizienz deutlich steigert. Und das Nahwärmesystem kann auch zur Kühlung im Sommer genutzt werden.

In den Neubauten im Wohngebiet „Auf Leim“ heben strombetriebene Wärmepumpen das Temperaturniveau von 13,2 auf 65 Grad für Warmwasser und maximal 35 Grad für Heizwasser an. Werden diese Pumpen mit Ökostrom betrieben, ist das System klimaneutral, erklärt Stefan Schlachter, der das Projekt bei der Energiedienst AG leitet. Beim Contracting-Kongress in Stuttgart wird er das Murger Projekt gemeinsam mit Frank Philipps, dem Klimaschutzmanager der Gemeinde, vorstellen.

Rasche Grundstücksvergabe trotz Anschlusspflicht

Die Kommune hatte den Anschluss an das kalte Nahwärmenetz bei der Grundstücksvergabe zur Pflicht gemacht. Dennoch waren alle Bauplätze nach Angaben der Klimaschutz- und Energieagentur des Landes rasch vergeben gewesen. „Mit dieser modernen und umweltfreundlichen Form der Wärme- und Kälteversorgung bieten wir den Eigentümern ein Rundum-sorglos-Paket“, erklärt Murgs Bürgermeister Adrian Schmidle (parteilos) die Resonanz.

Für das Nahwärmenetz hat die Energiedienst AG nach eigenen Angaben 370 000 Euro investiert. Aus dem Landesförderprogramm „Energieeffiziente Wärmenetze“ flossen 110 000 Euro nach Murg.

Kalte Wärmenetze lassen sich auch aus anderen Quellen als Geothermie speisen. In Schallstadt (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) kommt die Wärme aus dem Abwasser, in anderen Projekten aus Industrieabwärme.

„Mit dieser modernen und umweltfreundlichen Form der Wärme- und Kälteversorgung bieten wir den Eigentümern ein Rundum-sorglos-Paket.“

Adrian Schmidle (parteilos), Bürgermeister von Murg

Jürgen Schmidt

Redakteur Bauen im Land und Wirtschaft

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