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Wie frühzeitige Kooperation Zeit und Geld spart

Markus Vorholzer von Leonhard Weiss (links) und Projektleiter Gerhard Fraidel praktizieren bei dem Großprojekt eine neue Art der Zusammenarbeit., das Partnering-Verfahren.
Andreas Kempf)Ulm. Die Vorrichtung, die mitten in Ulms wichtigster Verkehrsader steht, schaut auf den ersten Blick unspektakulär aus. Doch die rote Presse entfaltet riesige Kräfte. Mit bis zu 2500 Tonnen drückt sie auf einen Stahlbetonpfahl, der mehr als 20 Meter tief im Boden steckt. „Der Untergrund ist sehr unterschiedlich und wir wollen mehr darüber erfahren“, erläutert Gerhard Fraidel, der für die Stadt Ulm das buchstäblich tiefgreifendste Projekt der Stadt leitet.
Der wichtigste Verkehrsknotenpunkt wird komplett umgebaut. Dabei verschwindet der Kreisel am „Blaubeurer Tor“, der nicht nur Fremde seit Jahren zur Verzweiflung bringt. Zudem wird künftig die B 10 nicht mehr über eine Brücke, sondern durch einen Tunnel geführt. Danach steht das Blaubeurer Tor wieder frei.
Die Kosten werden auf rund 200 Millionen Euro beziffert
Das Projekt wird bis 2030 rund 200 Millionen Euro kosten. Das Land fördert es mit 105 Millionen Euro. Pünktlich zur Landesgartenschau soll dann der Verkehr über die neuen Trassen problemlos fließen.
Für den Tunnel und eine neue Brücke über die Bahngleise in der Nähe des Hauptbahnhofs sollen rund 1000 Pfähle mit einer Länge zwischen 20 und 30 Metern in den Boden gerammt werden. Je kürzer, desto billiger. „Mit jedem Meter sparen wir bares Geld“ erklärt Fraidel. Wie tief die Stahlbetonstelzen in den Boden müssen, wird derzeit mit der Presse getestet. Eine Messplatte am Ende sowie viele Sensoren und Glasfaserkabel am Testpfahl melden Daten in einen Baucontainer.
Gewicht von 1700 Autos drückt auf Betonpfahl
„Hier floss früher mal die Donau entlang“, erklärt Projektleiter Fraidel eine der Besonderheiten auf der Riesenbaustelle. Geblieben sind eine heterogene Bodenstruktur und unterschiedliche Grundwasserschichten.
Selbst wenn man bei den Probebohrungen auf festes Gestein stößt, können sich die Planer noch nicht zurücklehnen. „Wir machen einzelne besonders tiefe Bohrungen, um sicherzustellen, dass sich darunter keine Hohlräume verbergen“, betont Markus Vorholzer vom Göppinger Bauunternehmen Leonhard Weiss.
Mit der Presse werden unterschiedliche Belastungen der Pfeiler und des so unterschiedlichen Bodens simuliert. Fraidel und Vorholzer lassen an vier verschiedenen Stellen die eingelassenen Pfähle unter so hohen Druck setzen, der in der Praxis eigentlich nicht vorkommt. Dabei drückt das Gewicht von 1700 Autos auf einen einzelnen Pfahl.
Mehr als eine Million Euro wird diese Testphase kosten. Doch dann, so hoffen Stadtverwaltung und Bau-Unternehmen, soll feststehen, dass man mit wesentlich kürzeren Pfählen zurechtkommt als in der ersten Planung gedacht. Das würde bedeuten, dass für die Säulen aus Stahlbeton nicht nur weniger Material benötigt wird. Sie sind dann auch schneller in den Boden gerammt. „Wir könnten bis zu 160 Tage gewinnen“ rechnet Vorholzer vor. Insgesamt könnten kürzere Pfähle eine Ersparnis von bis zu vier Millionen Euro bringen.
Der Drucktest um die richtige Pfahlgröße ist noch Teil der Vorarbeiten. Ende November wird es für die Ulmer, die Besucher der Stadt, sowie die Durchreisenden ernst.
Projektleiter, Planer und Baufirma sitzen unter einem Dach
Das Projekt ist nicht nur eine Operation am offenen Verkehrsherzen. Es ist auch wegen seines kooperativen Ansatzes in der Projektabwicklung deutschlandweit einzigartig. Dahinter steckt das „Partnering-Verfahren“. Schon in die erste Planungsphase hat der Bauherr eine Ingenieurgesellschaft und ein Bauunternehmen eingebunden. „Wir können so schon während der Planung das Know-how der Unternehmen nutzen“, erklärt Projektleiter Fraidel.
Das Konzept ist im Team erarbeitet worden. Die Beteiligten sind sich einig: Das kooperative Vorgehen ist ein Tempomacher. Zudem finden sich immer wieder Ansätze, um das Projekt günstiger umzusetzen. So hat Leonhard Weiss die Idee mit dem 200 Meter langen Tunnel als Alternative zur bestehenden Brücke entwickelt. „Wir können durch diese Kooperation die Kostensituation tagesaktuell überblicken“, ergänzt Fraidel. Man lerne jeden Tag dazu, so die Partner.
„Wir sitzen im gleichen Gebäude und können ein Problem direkt an der gemeinsamen Kaffeemaschine besprechen“ beschreibt Fraidel den Alltag. Auch sein Partner Vorholzer sieht aus Sicht des Auftragnehmers große Vorteile. Die Planung erfolge schneller und man könne so die eigenen Kapazitäten viel besser einsetzen. Für Fraidel steht jetzt schon fest: „Ich will diese Form der Zusammenarbeit nicht mehr missen.“