Expertenbeitrag: Bauverträge

Kooperation statt Konfrontation und Kontrolle

Was Bauprojekte brauchen, sind Verträge, die der Realität standhalten. Denn Anforderungen, Zeitpläne und Rahmenbedingungen können sich ändern. Gute Verträge akzeptieren dies und schaffen einen Rahmen, in dem trotz Komplexität gemeinsam erfolgreich gebaut werden kann.
Mann in grauem Mantel und weißem Hemd vor grauer Wand.

Konfrontation ist der falsche Weg, sagt Jörg Müller, Vertragsexperte bei Thost Projektmanagement in Pforzheim.

Thost)

Pforzheim . Bauprojekte scheitern selten an echten Risiken, sondern eher an der Angst, bei Abweichungen wirtschaftlich haftbar gemacht zu werden. Vor allem öffentliche Auftraggeber greifen zu rigiden Vertragsmustern mit fixen Terminen, Festpreisen und Sanktionen. Und die Rechtsprechung verschärft die Lage.

Die Folge: Selbst bei unverschuldeten Verzögerungen bleiben Risiken und Mehrkosten beim Auftragnehmer hängen – inklusive Vertragsstrafe. Statt gemeinsam Lösungen zu finden, verlieren sich die Projektbeteiligten in Nachträgen, Behinderungsanzeigen und Eskalationen. Das kostet Ressourcen und blockiert Fortschritt.

Anforderungen, Zeitpläne und Rahmenbedingungen ändern sich

Damit Bauvorhaben gelingen, braucht es Verträge, die der Realität in Bauvorhaben standhalten. Und die Realität ist: Anforderungen, Zeitpläne und Rahmenbedingungen können sich ändern. Wie aber lässt sich das in einem Vertrag abbilden? Das Ziel muss sein, Vertragsmodelle zu schaffen, die auf Kooperation setzen, auf eine faire Risikoallokation zwischen den am Bau Beteiligten. Nötig sind klare Kommunikationsprozesse und flexible Mechanismen, die erforderliche Anpassungen im Baugeschehen zulassen. Vertrauen wird hier nicht vorausgesetzt, sondern systematisch erzeugt. Für bessere Verträge gibt es drei Stellschrauben:

1. Vertrauen vertraglich verankern: Statt einer Straflogik braucht es geeignete Anreizsysteme. Bonus-Malus-Modelle belohnen Kooperation und Effizienz, ohne bei Abweichungen den wirtschaftlichen Boden zu entziehen. Wer Verantwortung übernimmt, sollte gestalten können – nicht sich verteidigen müssen.

2. Kosten teilen – nicht gegeneinander kalkulieren: Ein Open-Book-Ansatz mit einer Zielkostenvereinbarung schafft Transparenz statt Taktik. Beide Seiten gewinnen: Wer unter dem Ziel bleibt, profitiert. Wer mehr braucht, verliert nicht automatisch. So ersetzt Vertrauen das Gegeneinanderrechnen.

3. Realistische Terminplanung: Statt starrer Fristen braucht es flexible Modelle mit Puffern und gemeinsam definierten Worst-Case-Szenarien. So wird nicht jede Verschiebung zum Streitfall, sondern Teil eines steuerbaren Prozesses.

Dass solche Vertragsmodelle funktionieren, zeigt unsere Praxis: In mehreren Projekten mit kooperativen Modellen blieben Zeit- und Kostenrahmen stabil. Die eingeplanten Puffer wurden kaum beansprucht, weil von Beginn an auf Augenhöhe gearbeitet wurde. Planung, Abrechnung und Terminsteuerung erfolgten transparent. Statt starrer Vorgaben gab es einen gemeinsamen Risikoworkshop, bei dem Eintrittswahrscheinlichkeiten, Kausalitäten und Wechselwirkungen analysiert wurden. Ergebnis: ein realistischer Zeitplan mit Anreizen für eine frühzeitige und budgettreue Fertigstellung.

Trotz solcher Beispiele bleiben kooperative Vertragsmodelle die Ausnahme. Warum? Weil sie Mut erfordern. Wer vom Standardvertrag abweicht, muss sich erklären – vor Vergabestellen, Gremien, im Zweifel auch juristisch.

Doch wer bei komplexen Projekten weiter auf klassische Verträge setzt, spart nicht, sondern riskiert das Scheitern. Wer Kooperation ermöglichen will, muss den Vertrag als Werkzeug verstehen. Flexibilität, Transparenz und Verständnis füreinander sind die Grundlage für funktionierende Projekte.

Vergaberecht und VOB/B-Vertrag erlauben flexible Vertragsmodelle

Natürlich ist dieses Modell nicht für jedes Projekt sinnvoll. Bei standardisierten Vorhaben mit klar umrissenen Leistungen genügen klassische Vertragsformen. Doch überall dort, wo Unsicherheiten und Schnittstellen dominieren, braucht es flexiblere Lösungen. Diese lassen sich auch im Rahmen des öffentlichen Vergaberechts und im VOB/B-Vertrag pragmatisch umsetzen.

Projekte werden von Menschen gemacht – mit individuellen Interessen, Unsicherheiten und Erwartungen. Sie leben von Kommunikation, Vertrauen und gemeinsamer Verantwortung. Aufgabe der Vertragspartner ist es, die Zusammenarbeit so zu gestalten, dass individuelle Interessen im Projekterfolg erfüllt werden. So führen bessere Verträge auch zu erfolgreichen Projekten.

Zum Autor

Jörg Müller ist Senior Experte Contract & Claims Management bei Thost Projektmanagement. Das Unternehmen steuert die Entwicklung, Planung und Realisierung komplexer Projekte im In- und Ausland, unter anderem in den Bereichen Immobilien, Mobilität, Infrastruktur und Energie.

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