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„Hoch oben“: Von Anbetung, Macht und einem Oberbürgermeister

In seinem neuen Roman „Hoch oben“ erzählt Joachim Zelter die Geschichte eines omnipräsenten Oberbürgermeisters und seiner Anhänger. Denn ohne diese hätten Populisten keine Bedeutung. Satirisch überzogen, doch mit Zügen, die den Menschen einen Spiegel vorhalten.
Zwei Seilbahnkabinen vor einer Burg auf einem Berg, umgeben von hohen Bergen.

In seinem neuen Roman „Hoch oben“ erzählt Joachim Zelter die Geschichte eines omnipräsenten Oberbürgermeisters und seiner Anhänger.

Illustration: KI generiert mit Adobe Firefly/ Hoß)

Tübingen. Patienten einer Unfallstation werden in Rollstühlen auf das Dach der Klinik gebracht. Andere humpeln mit Krücken zu den Aufzügen nach oben. Unter ihnen auch Jeremy Ash, ein Engländer, der einen Autounfall hatte. Oben steht eine Blaskapelle, Offizielle, ein Fernsehteam und Oberbürgermeister Thorwald Burger. Er spricht über die neue Aufzugsanlage der Klinik, die er ermöglicht habe. Es folgen weitere Ankündigungen. Nahtlos kommt er auf Motorrad- und Autounfälle, Verkehrszahlen, Unfallkosten, Heilbehandlungskosten, Pflegekosten zu sprechen. Dann redet er weiter über den öffentlichen Nahverkehr und verteilt am Ende noch Busfahrscheine. Dann entschwindet er wieder. Es ist die erste Begegnung Ashs mit dem Oberbürgermeister der fiktiven Universitätsstadt im Schwabenland.

Karlsberg ist nicht Tübingen, doch gewisse Parallelen gibt es

Sicher, Karlsberg ist nicht Tübingen und Thorwald Burger nicht Boris Palmer. Und doch dürfte der immer wieder für Kontroversen sorgende Tübinger OB ein Vorbild für Thorwald Burger gewesen sein. Nicht das einzige. Vielmehr überzeichnet der Autor Joachim Zelter in seinem Roman „Hoch oben“ einen populistischen Politiker, der von seinen Anhängern angebetet wird und durchaus auch für höhere Weihen gehandelt wird.

Er residiert nicht im Rathaus, sondern in einer Burg. Jeder seiner Posts auf Social Media wird von seinen Anhängern sofort gelesen. Dudelsackmusik kündigt diese stets auf allen Handys an. Ganz gleich, ob bei einem Empfang oder beim Radtraining in einer großen Halle, wo mit den Fitnessgeräten zugleich Strom erzeugt wird – und die Menschen so etwas für ihre Stadt tun. Und doch gibt es gewisse Parallelen zu Tübingen, etwa die Förderung des Radverkehrs. Auch eine von Thorwald Burger entworfene Fahrradbrücke. Ebenso wie das Vorgehen gegen Graffiti-Sprayer, denen auch Palmer den Kampf angesagt hat.

Wenn der Engländer sich weigert, den Oberbürgermeister zu grüßen

Und der omnipräsente Oberbürgermeister im Roman greift auch durchaus selbst ein. Etwa als ihm Ash auf dem Fahrrad in der Fußgängerzone begegnet – und sich weigert, Thorwald Burger zu grüßen. Das zieht eine groteske Verfolgungsjagd und über die sozialen Medien auch heftige Kritik gegen den Engländer Jeremy Ash nach sich. Dieser arbeitet nach seinem Krankenhausaufenthalt zwangsweise in einem Kinderhaus. So soll er seine Krankenhausrechnung abarbeiten.

Zelter spielt in seinem Roman mit Genres und Zitaten, überzeichnet maßlos und macht doch zugleich die Figuren greifbar und anrührend.

Der Autor Joachim Zelter

Joachim Zelter ist 1962 in Freiburg geboren. Er hat in Tübingen und Yale Literatur studiert und gelehrt. Seit 1997 ist er freier Schriftsteller. Sein Roman „Der Ministerpräsident“ war 2010 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Immer wieder greift er auch politische Themen in seinen Romanen auf, so etwa in „Schule der Arbeitslosen“ von 2006 oder das Thema Abschiebung in „Die Verabschiedung“ von 2021. Zelter erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen.

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