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Alte Planung für die Sulm bleibt ein Werk für die Schublade

Zehn Jahre sind – in Verwaltungszeiträumen gedacht – nicht unbedingt eine lange Zeit. Der dringende Handlungsbedarf, der durch den Klimawandel entsteht, macht aber deutlich, dass Maßnahmen, die vor einer Dekade geplant und inhaltlich für gut befunden wurden, heute nicht mehr haltbar sind. Wie im Falle der Renaturierung des Flusses Sulm.

Die Sulm fließt an manchen Stellen in einer Betonrinne. Wie aus dem Kanal ein lebendiger Fluss werden soll, ist wegen veralteter Pläne unklar.

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NECKARSULM. Alles zurück auf Null: In Neckarsulm werden existierende Pläne zur Renaturierung von zwei Abschnitten entlang des Flusses Sulm für immer in der Schublade bleiben. So hat es der Gemeinderat einstimmig in seiner jüngsten Sitzung beschlossen. Die Überlegungen für eine naturnahe Gestaltung des Flusses in Neckarsulm müssen nun von Neuem beginnen.
Die Verwaltung hatte in einer Untersuchung festgestellt, dass die zehn Jahre alten Pläne zur Renaturierung nicht mehr den heutigen Standards und Zielen der Kommune entsprechen. Und das hat auch mit dem Klimawandel zu tun. Die Tatsache, dass die Pläne inhaltlich heute keinen Sinn mehr haben, zeigt die disruptiven Auswirkungen von Klima- und Umweltschutzthemen auf Verwaltungshandeln. Bei der Bundesgartenschau in Mannheim wurde ein Abschnitt des Neckars schon erfolgreich renaturiert (siehe Infokasten).
Ein Blick zurück: Ein Landschaftsarchitekturbüro hatte im Auftrag der Stadt Neckarsulm vor zehn Jahren eine grundlegende Planung für die Umgestaltung der Sulm vorgelegt. An einer Stelle sollte der Fluss, der in den Neckar mündet, nach dem Durchfließen eines Hochwasserrückhaltedamms um 1,70 Meter aufgestaut werden.

Möglichkeit, dass die Sulm durch einen Park mäandert

Das hätte bewirkt, dass der Fluss aus dem alten Bett herausgehoben wird und höher gelegt durch einen Park mäandern kann. In den angrenzenden Bereichen waren verschiedene Freizeitnutzungen geplant, etwa verschiedene Möglichkeiten für Veranstaltungen, für Gastronomie oder für Spielangebote für Kinder. Die Abflusskapazität hätte sich hier deutlich reduziert.
An anderer Stelle war ein sechs Hektar großer, künstlicher See mit einem Wasservolumen von 194 000 Kubikmetern geplant – ohne Verbindung zur Sulm. Dies hätte einen riesigen Erdaushub zur Folge gehabt. Nachgespeist werden sollte der See mit Wasser aus der Sulm, das zuvor einen Substratfilter durchlaufen hat. Einen regulären Ablauf hätte die höher gelegene Sulm aber nicht gehabt. Außerdem sollte ein Aussichtsturm errichtet werden. Dabei wird es auch bleiben.
Denn: das Tiefbauamt von Neckarsulm habe die alten Pläne nun gewichtet und bewertet, heißt es in den Beschlussunterlagen der Stadt. Und kommt zum klaren Ergebnis, dass für die Pläne aus dem Jahr 2013 „aus heutiger Sicht“ keine wasserrechtliche Genehmigung zu erwarten“ sei. Zu schwer würden die Eingriffe in relevante Schutzgüter wie Grundwasser oder Boden wiegen, „als dass sie sich durch Ausgleichsmaßnahmen kompensieren lassen“. Die Kosten für die Maßnahmen werden von den Experten auf 25 Millionen Euro geschätzt. Dies sei nach heutigen Gesichtspunkten nicht finanzierbar.
Im Einzelnen wird sichtbar, dass die damals als positiv bewerteten Auswirkungen der Maßnahme heute als negativ angesehen werden. So wäre nach heutigen Erkenntnissen bei Starkregenereignissen die Hochwassersicherheit im Park nicht gewährleistet, wenn das Flussbett nach oben verlegt wird.
Im Detail müsste im Vorfeld eine aufwendige Simulation stattfinden. Gleichzeitig droht die Gefahr, dass das alte Flussbett austrocknet, in der Folge verbunden mit einer starken und im Park nicht akzeptablen Geruchsentwicklung.
Der See sollte eine Tiefe von bis zu sechseinhalb Metern erhalten. Dabei drohe Gefahr, dass sich dieses Wasser mit dem Grundwasser verbinde und das gelte es unbedingt zu vermeiden. Auch der Erdaushub mit einem Volumen von rund 360 000 Tonnen ist problematisch. Es müsse deponiert werden, in einen angrenzenden Hochwasserrückhalteraum könne es nicht eingebaut werden. Für einen derart schwerwiegenden Eingriff in den Boden sei heute keine Genehmigung zu erwarten. Und: 14 000 Lkw-Fahrten seien für den Abtransport notwendig. Dies sei mit den Klimazielen der Stadt Neckarsulm nicht vereinbar.


Maßnahmen stellen gar keine Renaturierung mehr dar

Und mit Blick auf Tiere und Pflanzen kommen die Verantwortlichen zum ernüchternden Ergebnis, dass die ursprünglich geplanten Maßnahmen gar keine Renaturierung mehr darstellten, sondern neue, künstliche Wasserkörper schaffe und keine Biotopvernetzung stattfinde.
Die Verwaltung zieht das Fazit, dass eine Umweltverträglichkeit nicht mehr gegeben sei. Mit welchen Maßnahmen nun stattdessen das Ziel umgesetzt werden soll, die Sulm naturnah zu gestalten, ist bislang noch offen. Die Verwaltung will sie nun neu erarbeiten.

Neckar wird bei der Bundesgartenschau renaturiert

Bei der Bundesgartenschau hat Mannheim einen Abschnitt des Neckars naturnah umgestaltet. Den Schwerpunkt legte die Stadt auf Tiere und Pflanzen, die dort wieder mehr heimisch werden sollen. Uferbögen, für die Sand und Kies abgetragen wurden, ersetzen nun einen begradigten Flusslauf.Am Neckar entstünden ökologische Verbesserungen am Gewässerlauf, die Tierwelt werde laut Buga durch Totholz- und Steinhaufen und mit über 90 neu aufgehängten Nisthilfen gefördert. Die Maßnahmen werden vom Land gefördert, bis 2027 sollen zwei weitere Abschnitte folgen.

Quelle/Autor: Marcus Dischinger

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