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Berufe im öffentlichen Dienst

Archivare sehen sich als Gedächtnis der Gesellschaft

Mit der Digitalisierung der Verwaltung wandelt sich das Berufsbild des Archivars. Papierberge waren gestern, heute geht es auch um das Bewahren und Zugänglichmachen der digitalen Überlieferung. Archivare sehen sich in der Verantwortung für die Gesellschaft und als authentische Vermittler zwischen Information und Nutzer.

Archivare pflegen das Gedächtnis der Gesellschaft – Archive sind systemrelevant.

Landesarchiv Baden-Württemberg)

STUTTGART. „Staub im Archiv gibt es nicht, die Akten sind weder im Magazin noch im Nutzungsbereich staubig“, sagt Peter Rückert. Der Archivdirektor ist Ausbildungsleiter im Hauptstaatsarchiv in Stuttgart. Dass Archivare in alten Akten wühlen, Staub aufwirbeln und graue, konservative Verwalter der Vergangenheit sind, dieses Vorurteil wurde jüngst wieder in einem Artikel zum Deutschen Literaturarchiv Marbach in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bedient.

Archivar als sicherer Beruf im Landesdienst

Jannik Staudenmaier, Archivinspektoranwärter im Hauptstaatsarchiv, mit Zopf und lockerer Kleidung, widerspricht diesem Vorurteil schon optisch. Er habe sich früh mit Geschichte beschäftigt und wollte das auch im Beruf tun. „Das Archiv ist ein sehr sicheres Arbeitsumfeld. Dass sich die sichere Stellung als Beamter damit kombinieren lässt, die eigenen Interessen an alten Archivalien auszuleben, hat mir gefallen“, sagt Staudenmaier. Und daneben stehe seine Offenheit für Digitales.

Denn die 150 bis 200 laufenden Meter Akten, die das Landesarchiv pro Jahr aus den Ministerien übernimmt, kommen sowohl digital als auch gedruckt an. Damit beginnt die eigentliche Arbeit des Archivars: Er arbeitet die Akten der Behörden so auf, dass sie für den Nutzer sprechen können. „Archivare sind das verantwortliche Gedächtnis für die Gesellschaft, bilden das Gedächtnis ab, halten es lebendig, das ist anders als früher, als es Geheimarchive gab“, so Rückert.

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Das heißt: Die Akten werden bewertet und ausgesondert und so eine Aktenüberlieferung gebildet – lediglich acht bis zehn Prozent des angebotenen Materials werde übernommen. Dieses werde, entsprechend aufbereitet, für die kommenden Generationen verwahrt. Es kommt in Archivkartons in die Magazine. Die digitalen Daten werden technisch bearbeitet und in einem digitalen Magazin bewahrt. Mit dem entsprechendem Programm lassen sie sich abrufen und stehen dem Nutzer zur Verfügung.

„Gerade in der heutigen Zeit mit dem Trend zur Digitalisierung, mit Fake News und der momentanen Debattenkultur sind Archive wichtig“, ist Rückert überzeugt, „denn bei uns liegen die Informationen authentisch vor.“ In den modernen Medien kämen die Informationen ungefiltert daher. Im Archiv könne der Nutzer auf die Informationen zugreifen, ihren Wahrheitsgehalt überprüfen, sich ein Bild machen.

Der Zugang zum Archiv sei ein demokratisches Grundrecht, die Informationsfreiheit wichtig. „Dass wir nach dem Lockdown zu den ersten Institutionen gehörten, die wieder öffnen konnten, damit wurde ein Zeichen gesetzt. Wir sind systemrelevant“, so Rückert. „Das Archiv ist eine urdemokratische Institution, damit alle Bürger an Informationen kommen. Sie sollen von jedem zu sichten und auszuwerten sein.“

Archivar sorgt für Interpretationshilfen

Deshalb spielt die Vermittlung im Berufsbild auch eine wichtige Rolle. Das archivpädagogische Angebot ist weit gespannt. Auch bei Ausstellungen läßt sich die authentische Aussagekraft von Textquellen betonen, kritisch hinterfragen und interpretieren.

„Das Kompetenzfeld des Archivars ist, für Interpretationshilfen zu sorgen, damit man Infos einordnen kann“, erklärt Rückert. „Der Archivar braucht ein Wissen der Behördenstrukturen, Aufgabenverteilung, Federführung und muss diese Infos transparent machen, weil es die sind, die der Historiker braucht, um die Politik nachzuvollziehen.“

Die Digitalisierung hat für die Archivnutzer mit Online-Findmitteln, Datenbanken und Digitalisaten den Zugang zu den Informationen erleichtert. Auch für die Archivare ist sie eine große Chance – wie auch eine Herausforderung. „Algorithmen könnten Routinen im digitalen Magazin übernehmen, etwa wenn das Gewerberegister automatisch eingepflegt wird“, sagt Staudenmaier. Die klassische Bewertungskompetenz und -hoheit dürfe aber nicht an künstliche Intelligenz abgegeben werden.

„Der Beruf hat mit Staub nichts mehr zu tun, es geht um Transparenz, Rechtssicherheit und Authentizität von Informationen, das ist immer mehr gefragt“, sagt Rückert. „Die Türen der Archive sind offen, jeder ist frei, zu kommen. Die Archivare sind die authentischen Vermittler zwischen Information und Nutzer.“

Beate Mehlin

Korrektorat und freie Mitarbeiterin beim Staatsanzeiger

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