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Nachgehakt: Transformation

„Es ist ein grundlegendes Umdenken erforderlich.“

Die Transformation des öffentlichen Sektors mutet als Gordischer Knoten an. Doch mit einem Schwertstreich ist es nicht getan. Um die Fäden zu lösen und den Wandel voranzubringen, braucht es viele Hände. Zu diesem Schluss kommt die Studie „Den öffentlichen Sektor entfesseln“ des Fraunhofer IAO in Stuttgart.

Die Befragten der Fraunhofer-Studie wünschen sich unter anderem ein vernetztes Arbeiten, um Lösungen zu finden, die im Team umgesetzt werden.

IMAGO/Panthermedia)
Wie lange dauert der Wandlungsprozess schon?

Anpassungsprozesse sind – trotz der als starr empfundenen Strukturen im öffentlichen Sektor – schon seit Jahren ein Thema. Ein wichtiger Schritt etwa war Mitte der 1990er-Jahre die Einführung des „Neuen Steuerungsmodell“ (NSM), das das Führungssystem des New Public Management auf die hiesigen Verhältnisse überführte. Ansätze sind auch organisatorische und anreizorientierte Lösungen im Personalbereich, E-Government-Konzepte, um Verwaltungshandeln zu digitalisieren „bis hin zu Fragen einer modernen betriebswirtschaftlich geprägten wirkungsorientierten Verwaltungsführung“, heißt es im „Positionspapier Innovation im öffentlichen Sektor“ des Nationalen E-Government Kompetenzzentrums.

Welches Umfeld bestimmt den Wandel im öffentlichen Sektor?

Überbordende Bürokratie, das Onlinezugangsgesetz (OZG) nicht umgesetzt, das OZG-Änderungsgesetz am vergangenen Freitag vom Bundesrat erneut ausgebremst, Fachkräftemangel, demografischer Wandel in den Behörden – die Rahmenbedingungen, unter denen sich der öffentliche Sektor wandeln soll, sind herausfordernd. „Wirtschaft und Gesellschaft funktionieren mit einer hohen Dynamik, die Aufgaben sind vielschichtig, multifaktoriell, dynamisch und von hoher Komplexität – und treffen auf einen öffentlichen Sektor, der nicht als adäquat wahrgenommen wird“, sagt Ulrich G. Schnabel, Projektleiter und Transformationsbegleiter am Fraunhofer IAO. „Auf diesen vielschichtigen Druck muss mit zukunftsfähigen Organisationsformen in den Institutionen des öffentlichen Sektors reagiert werden.“ Wobei gleichzeitig Rahmenbedingungen wie Kontinuität, Verlässlichkeit, Stabilität und rechtliche Grundlagen des Verwaltungshandelns nicht infrage gestellt werden können.

Wie lässt sich die Transformation voranbringen?

Es ist, so das Fazit der Fraunhofer-Forscher und ihrer Partner, „ein grundlegendes Umdenken in Arbeitsweise und Organisation erforderlich“. Doch es gelte auch: „Die Beschleunigung der Transformation kann nicht mit einer Maßnahme erfolgen, es muss ein Puzzle von aufeinander abgestimmten Ansätzen sein – spezifische, kleine Schritte, die zusammenpassen“, sagt Schnabel. Eine wichtige Erkenntnis: Der Wille zum Wandel ist vorhanden.

Welche Zielvorstellungen für den Wandlungsprozess gibt es?

Die Befragten wünschen sich selbstorganisiertes, selbstverantwortliches, vernetztes Arbeiten über die „Silos“ der Fachabteilungen hinweg. Ein weiteres Ziel: pragmatische Abläufe, die auf Bedürfnisse und Erfordernisse angepasst werden können. In den Dienststellen vor Ort sollen spezifische Prozesse angewendet werden – nicht von der Zentrale vorgegebene Routinen. Vor allem sollten Standard- und Routineprozesse digitalisiert werden, um Freiräume und Entlastung zu schaffen. „Die Idee ist, rechtliche Vorgaben zu erfüllen, aber in der Wahl der Mittel und Vorgehensweise frei zu sein“, so Schnabel.

Was bedeutet die Transformation für Führungskräfte?

„Wir brauchen mehr Selbstführungskompetenz auf allen Ebenen und ein klares Rollenkonzept in der Führung“, sagt Schnabel. Die Führungskraft muss Ermächtiger, Begleiter des Teams, Mediator und Anwalt des Bürgers/Kunden sein. Und sie muss sich die Prozessaufgabe Transformation zu eigen machen, Ziele erarbeiten und mit dem Team umsetzen – und das Erreichte gemeinsam reflektieren. So lässt sich eine vertrauensvolle Lernkultur in der Behörde aufbauen. „Führungskräfte mit transformationalen Führungskompetenzen agieren als Vorbild, stellen Vertrauen und Loyalität her. Sie erarbeiten und kommunizieren eine inspirierende Vision, geben anspruchsvolle langfristige und übergeordnete Ziele vor, um Mitarbeitende zu motivieren und anzutreiben“, betont Schnabel.

Wer kann unterstützen?

„Die Studie zeigt, dass die digitale Transformation und die Einführung innovativer Technologien im öffentlichen Sektor maßgeblich durch eine strategische Personalplanung und -entwicklung mit dem Fokus auf Zukunftskompetenzen beschleunigt werden kann“, sagt Veronika Hübner, Senior Managerin bei der Unternehmensberatung Capgemini Invent. Die Politik muss die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Transformationsprozess setzen und – trotz klammer Kassen – voranbringen. Schlussendlich, so betont Schnabel, „geht Transformation uns alle an, wir müssen runter von der Tribüne, runter aufs Spielfeld und mitmachen.“

Gemeinsame Studie zur Transformation

Das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart und die Beratung Capgemini Invent haben eine Kooperationsstudie vorgelegt: „Hemmnisse und Beschleuniger der Transformation im öffentlichen Sektor / Unchain the Public Sector“. Dazu wurde im Zeitraum Mai bis September 2023 eine systematische Online-Befragung von 128 Führungskräften und elf persönlichen Interviews von Führungskräften im öffentlichen Sektor durchgeführt.

Beate Mehlin

Korrektorat und freie Mitarbeiterin beim Staatsanzeiger

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