KI im Recruiting: „Das persönliche Gespräch wird umso wichtiger“

Künstliche Intelligenz (KI) bietet Personalern große Chancen bei der Suche nach Bewerbern und beschleunigt die Prozesse. Doch man sollte sich nicht nur auf die Technik verlassen.

Alexander Brem, Direktor am Institut für Entrepreneurship und Innovationsforschung (ENI) der Universität Stuttgart

Ludwig Olah)

Staatsanzeiger: Mit Künstlicher Intelligenz können große Textmengen analysiert werden, zum Beispiel die von Lebensläufen und Motivationsschreiben. Wie gut funktioniert das schon?

Alexander Brem: Da passiert gerade sehr viel und die Entwicklungsschritte sind sehr groß. Wie das in ein, zwei Jahren aussehen wird, kann niemand seriös vorhersagen. Mein Eindruck ist, dass OpenAI, ein US-Unternehmen, das sich mit der Erforschung von KI beschäftigt, weit vorne dabei ist und dass Google und Meta gerade aufholen. Es kommen immer mehr Anbieter dazu, insbesondere Startups. Das Unternehmen Rezi hat sich zum Beispiel auf KI-generierte Lebensläufe spezialisiert. Die Tools sind leicht zugänglich und teilweise kostenlos nutzbar. Man kann also sagen: für Bewerber und Personaler funktionieren KI-Tools schon gut.

Wenn das so ist, könnten Bewerber das perfekte Motivationsschreiben und den perfekten Lebenslauf erstellen. Wie können Personaler herausfinden, ob mit KI-Tools getrickst wurde?

Das ist schier unmöglich. Diese Probleme haben wir in der Lehre auch: wie will ich prüfen, dass ein Student den Report nicht selbst geschrieben hat? Ich glaube, die Tools, dies zu erkennen, werden nie so gut sein, wie die Tools, die die Texte erstellen. Personaler sollten künftig einfach davon ausgehen, dass Bewerber solche Tools nutzen.

Klingt nach einer schlechten Botschaft.

Das muss es nicht: Vielleicht ist es auch sogar ein Qualifikationsmerkmal. Einen Lebenslauf mit KI zu erstellen, muss man auch erst mal hinbekommen. Es braucht ein gewisses Know-how und Training, damit diese Ergebnisse wirklich gut werden. Das nennt man „prompt engineering“, also das Wissen, wie man Benutzereingaben so verfasst, dass die Ergebnisse individuell und hochkarätig werden.

Ein perfektes Anschreiben macht aber trotzdem keinen perfekten Bewerber. Was haben Personaler denn nun davon?

Wenn Bewerber ihren Lebenslauf mit KI besser zusammenfassen, ihre Stärken, Schwächen und Kompetenzen gut darstellen können, desto besser für mich als Personaler. Ich kann es auch als Vorteil sehen und sagen, die Bewerber werden einfach bessere Bewerbungen schreiben. Personaler können dann leichter die Personen heraus selektieren, die sie gut finden. Spätestens in einem persönlichen Gespräch merke ich dann in wenigen Minuten, ob die Person diejenige ist, für die sie sich ausgegeben hat. Auch auf Bewerberseite hilft KI, denn viele tun sich wahnsinnig schwer, einen Lebenslauf und ein Anschreiben zu erstellen. Wenn zum Beispiel ein Bewerber Legasthenie hat, kann ihm ein KI-Tool helfen, sich professionell auszudrücken. Vielleicht bewirbt er sich dann auch auf Stellen, auf die er sich ohne KI nicht beworben hätte. So können Personaler auf geeignete Kandidaten treffen, die sie sonst nie eingeladen hätten. In Zeiten von Personalnot an allen Ecken und Enden eine gute Entwicklung, wie ich finde. In Zeiten von Personalnot an allen Ecken und Enden eine gute Entwicklung, wie ich finde.

Gewinnt das persönliche Gespräch also an Bedeutung?

Ja, absolut. Genauso elementar ist es aber, die Filter für den Auswahlprozess klug zu wählen, damit es fair bleibt. Grundsätzlich kann man sagen, dass KI am Ende des Tages nur so gut ist wie die Menschen, die diese geschaffen haben. Wenn diese also irgendwelche bewussten oder unbewussten Vorurteile haben, können sich diese natürlich auch – bewusst oder unbewusst – in die KI-Tools widerspiegeln.

Besteht nicht trotzdem die Gefahr, dass wir uns zu sehr auf die Technik und weniger auf unser Bauchgefühl verlassen, was Bewerber angeht?

Das kann passieren. Aber das ist natürlich schon ein hohes Risiko für den Betrieb, jemanden nur anhand seines Lebenslaufs einzustellen. Deshalb ist das persönliche so wichtig. Das kann auch erstmal via Videocall geschehen, um einen ersten Eindruck zu gewinnen. Man braucht ein gutes Konzept, wen man eigentlich sucht, was das Besondere an seinem Unternehmen ist, wie man von außen dargestellt werden möchte – es braucht mehr denn je eine Recruiting-Strategie. So vermeidet man, dass sich zum Beispiel KI-generierte Stellenausschreibungen nicht von anderen Unternehmen abheben. Das erschwert das Finden geeigneter Kandidaten, da man austauschbarer wird.

Und wie kann KI beim Anwerben von Mitarbeitern helfen?

Zum Beispiel beim Erstellen von Stellenanzeigen. Doch die Vorstellung „Ich tippe schnell was ein und habe dann eine perfekte Stellenanzeige“ ist zu kurz gedacht. Man braucht etwas Know-how im Eingeben der Prompts. Im schlechtesten Fall hat das Unternehmen x genau die gleiche Stellenausschreibung wie Unternehmen y. Denn KI wird mit vergangenheitsbasierten Daten von anderen Nutzern gefüttert und trainiert. Hier wird es wichtig sein, die Prompts gut zu machen – also dass man der KI sagt, „gehe auf meine Unternehmenswebseite, analysiere meine anderen Stellenausschreibungen und generiere darauf basierend eine Ausschreibung zum Thema X oder Y.“  Die menschliche Hand wird nicht unwichtiger werden, sowohl bei der Eingabe als auch bei der Ausgabe. Man muss später auf jeden Fall noch mal drüber lesen. Stimmt das, will ich das so, trifft es den richtigen Ton, passt es auch zu mir als Unternehmen?

Das klingt, als wären die Möglichkeiten mit KI unendlich. Gibt es auch Tools für Personaler, die nicht textbasiert sind?

Die Tools sind vielfältig und es kommen immer mehr dazu. Zum Beispiel könnte man mit KI ein Werbevideo für seinen Betrieb erstellen. Doch hier kommt es wieder auf die Prompts an und man muss stark auf die eigene Zielgruppe achten, damit die Videos auch gut ankommen.

Was empfehlen Sie Unternehmen, die noch nicht mit KI arbeiten?

Einfach ausprobieren, bekommen Sie ein Gefühl dafür. Oder suchen Sie jemanden aus Ihrem Team, der ein bisschen affin ist. Man kann so die ersten Schritte machen, weil es selbsterklärend ist. Es gibt auch kostenlose Tools und Testversionen.

Kann man da wirklich nichts falsch machen?

Es gibt leider auch viele Betrüger. Also ich habe im App-Store gesehen, dass es auch ChatGPT-Tools gibt, die nicht vom Originalanbieter sind. Oft zahlt man dann Geld für eine schlechtere Version. IT-Sicherheit bekommt auch nochmal einen anderen Stellenwert. Man sollte sich bewusst sein, wenn man die KI mit Informationen füttert, landen die Daten irgendwo. Und wenn das sensible Unternehmensdaten sind, kann das mal gefährlich werden. In Sachen Datenschutz würde ich eher Unternehmen bevorzugen, die ihren Sitz in Deutschland haben. Denn die Strafen sind wirklich drakonisch. Also die Wahrscheinlichkeit, dass ein Deutscher dagegen verstößt, ist geringer als bei amerikanischen oder chinesischen Unternehmen. Man muss auch aufpassen, dass man nicht naiv damit umgeht und die KI zum Beispiel mit irgendwelchen Bewerberdaten füttert. Und deswegen wird zum Beispiel ChatGPT auch nicht von staatlichen Institutionen oder von vielen Unternehmen verwendet, weil eben die Daten im Ausland irgendwo liegen. Auch muss Ihnen klar sein, wenn Sie ein Video hochladen mit irgendwelchen Werbesprüchen, dass die von allen KI-Tools der Welt auch abgegriffen werden könnten und wieder für andere verwendet werden.

Deshalb nutzt die Landesverwaltung F 13 im Pilotprojekt. Das KI-Programm fasst lange Dokumente in Sekunden zusammen, erstellt Vermerke. Würden Sie sagen, dass die öffentliche Verwaltung vor einem Wendepunkt steht in Sachen Digitalisierung?

Das ist genau die Richtung, die man gehen muss. So können Verwaltungsvorschriften so erklärt werden, dass sie jeder versteht. Die neuen KI Tools können hier einen Quantensprung bedeuten. Doch irgendwas zu digitalisieren in der Verwaltung, ist wirklich wahnsinnig aufwendig. Bei uns an der Universität Stuttgart gibt es ein Agility Lab, das sich mit genau so etwas beschäftigt. Wichtig ist vor allem, nicht einen schlechten Prozess zu digitalisieren. Ein digitaler Reisekostenantrag bringt nichts, wenn man ihn ausdrucken und wieder einscannen muss. Das Land arbeitet nun auch stärker mit Startups zusammen. Das finde ich auch einen wichtigen Schritt. Das heißt, man erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Verwaltung einfach mal ausprobieren kann. Nicht nur Privatunternehmen, auch öffentliche Unternehmen können massiv von den KI-Tools profitieren, um auch als Arbeitgeber attraktiver zu werden.

KI-Tools können Personaler bei der Suche nach passenden Bewerbern helfen – doch es gibt auch Fallstricke. Foto: dpa/Westeend61/Andrew Brookes
Pia Hemme

Online-Redaktion

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