Debatten im Landtag vom 2. und 3. Dezember 2020

Landtag ändert Kommunalabgabengesetz und Gemeindeordnung

STUTTGART. Der Landtag hat am Mittwoch die von der Landesregierung beantragten Änderung des Kommunalabgabengesetzes und der Gemeindeordnung beschlossen. Grüne, CDU und SPD stimmten in zweiter Lesung der Gesetzesvorlage zu, AfD und FDP votierten dagegen. Das Kommunalabgabengesetz wird modernisiert und Bestimmungen zum Datenschutz in das Kommunalabgabenrecht übernommen, um ein einheitliches Datenschutzrecht bei der Erhebung von Kommunalabgaben […]

STUTTGART. Der Landtag hat am Mittwoch die von der Landesregierung beantragten Änderung des Kommunalabgabengesetzes und der Gemeindeordnung beschlossen. Grüne, CDU und SPD stimmten in zweiter Lesung der Gesetzesvorlage zu, AfD und FDP votierten dagegen.
Das Kommunalabgabengesetz wird modernisiert und Bestimmungen zum Datenschutz in das Kommunalabgabenrecht übernommen, um ein einheitliches Datenschutzrecht bei der Erhebung von Kommunalabgaben und Realsteuern in den Steuerämtern der Gemeinden zu gewährleisten. Das Erschließungsbeitragsrecht wird an Änderungen der Regelungen zu städtebaulichen Verträgen im Baugesetzbuch angepasst. Zudem ist die Einführung einer zeitlichen Obergrenze von 20 Jahren zur Festsetzung von Anschluss- und Erschließungsbeiträgen sowie sonstigen Abgaben zum Vorteilsausgleich, anknüpfend an die jeweilige Vorteilslage, vorgesehen, nach deren Ablauf eine Abgabenerhebung grundsätzlich ausgeschlossen ist.
Für die Gemeinden und einzelne Ortsteile soll es erleichtert werden, neben dem Gemeinde- beziehungsweise Ortsteilnamen auch eine sonstige Bezeichnung (sogenannte Zusatzbezeichnung) zu führen, die auf der geschichtlichen Vergangenheit, der Eigenart oder der heutigen Bedeutung der Gemeinden oder der Ortsteile beruht. Die bisher zurückhaltende Verwaltungspraxis soll im Zuge der Änderung der Gemeindeordnung gelockert und das Verfahren vereinfacht werden. In der Gemeindeordnung wird außerdem die Ausgliederung von unselbstständigen Organisationseinheiten der Gemeinde, die als Eigenbetriebe geführt werden können, in selbstständige Kommunalanstalten ermöglicht.
Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte in der Debatte, die Gesetzesänderung sei kein Thema für aufgeregte Polemik, jedoch für die kommunale Praxis von großer Bedeutung. Zusätze im Gemeindenamen sorgten für Identität der Bürger mit ihrer Stadt und Heimat. Sein Ministerium ändere durch „wohlwollende Bearbeitung“ künftiger Anträge seine bisherige zurückhaltende Praxis. Mit der Einführung der Verjährung, für die es „überzeugende Gründe“ gebe, verfolge das Ministerium das Ziel, dass Kommunen die Erhebung von Erschließungsbeiträgen zeitnah abschließen.
Das Gesetz bringe wichtige Anpassungen an aktuelle Rechtssprechungen und bundesrechtlicher Bestimmungen, erklärte Ute Leidig (Grüne). Es sorge für Rechtssicherheit und stärke die kommunale Selbstverwaltung.  Auch die Beschränkung auf 20 Jahre für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen sei notwendig. Durch Zusatzbezeichnungen bei den Ortsnamen werde die Vielfalt im Land noch sichtbarer.
Karl Klein (CDU) sieht in dem „schlüssigen“ Gesetz eine praxisnähere Ausstattung des „täglichen Handwerkszeugs für eine leistungsfähige Verwaltung“; es schaffe Rechtssicherheit. Die 20-Jahres-Frist beginne mit der objektive Vorteilslage, also wenn Wasser durch die Kanalisation fließe, durch die Leitung ins Haus komme oder wenn der Verkehr fließe und die Straßen beleuchtet seien. 99 Prozent der Erschließungsbeiträge würden heute schon rechtzeitig erhoben, konstatierte der Vorsitzende des Innenausschusses.
Aus Sicht von Rainer Hinderer (SPD) bedarf der Begriff der Vorteilslage einer Präzisierung, da dieses Problem immer wieder in den Kommunen „aufschlage“. Dies sei auch von Grünen und CDU im Innenausschuss verlangt worden. Allerdings habe Innenminister Strobl bisher keine Präzisierung vorgenommen, urteilte Hinderer.
Baden-Württemberg hinke Bayern sieben Jahre hinterher, kritisierte Udo Stein (AfD). Mit der Änderung solle „trickreich der Pelz der Kommunen gewaschen“ werden, die jahrelang den Bürgern „das Geld aus den Taschen ziehen konnten“. Auf die Aussage der Abgeordneten Leidig, die Grünen stünden an der Seite der Kommune, reagierte mit Stein mit dem Satz: „Wir stehen an der Seite der Bürger.“ Er sprach sich für eine 10-Jahre-Frist bei den Erschließungsbeiträgen aus. Durch die geplanten Zusatzbezeichnungen bei den Gemeinde-Namen, mit der man nur Eitelkeiten der Stadtoberhäupter befriedige, befürchtet er einen „Wildwuchs“.
Erik Schweickert (FDP) warf Innenminister Strobl die „Missachtung des Parlaments“ vor. Die vom Ausschuss geforderte Konkretisierung des Gesetzentwurfs sei nicht gekommen. Er forderte das Innenministerium auf, den Kommunen die „Unsicherheiten“ zu nehmen. Im Gesetz fehle die Begründung für die Verjährung – ein „Armutszeugnis“ des Ministeriums. Tagtägliche Praxis sei, dass für Straßen, die schon seit Jahrzehnten vorhanden und für den Verkehr freigegeben sind, immer noch im Land Erschließungsbeiträge erhoben würden. Er befürchtet, dass die Probleme weiter die Gerichte beschäftigen werden.

Quelle/Autor: Wolf M. Günthner

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 167,00 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesermeinungen

Bitte loggen Sie sich ein, um zu kommentieren.

2. und 3. Dezember 2020