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Bachelorarbeiten aus den Verwaltungshochschulen

Wie in der Oberrheinkonferenz Wissen weitergegeben wird

Die Oberrheinkonferenz bildet den institutionellen Rahmen in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Oberrheinregion. Die Masterarbeit von Linda Wulff und Tamara Strassheim befasst sich mit der Gestaltung des Wissensmanagements aus rechtswissenschaftlicher und politikwissenschaftlicher Perspektive.
Brücke über de Rhein zwischen Deutschland und Frankreich

Ein Luftbilder einer Brücke über dem Rhein zwischen Deutschland und Frankreich.

dpa/ Markus Mainka | Markus Mainka)

LUDWIGSBURG. Die deutsch-französisch-schweizerische Oberrheinkonferenz verbindet Regierungs- und Verwaltungsbehörden auf regionaler Ebene. Damit die grenzüberschreitende Zusammenarbeit auch funktioniert, braucht es spezifisches Wissen. In der Masterarbeit geht es um die Gestaltung des Wissensmanagements in der Oberrheinkonferenz.

Problematiken im Wissensmanagement

In der Praxis ist die größte Herausforderung, das Wissen von einzelnen Personen personenunabhängig systemisch zu speichern und zu nutzen. Dieses Wissen ist zudem vielschichtig: Es geht um Erfahrungswissen, Kenntnisse über die eigene Verwaltungskultur und Wissen über die jeweilige Tätigkeit, sowie deren Quellen und Prozesse. Also muss dieses komplexe Wissen in eine gesamte Struktur und Basis zusammengefasst werden.

Die Masterarbeit beschäftigt sich zuerst mit der Frage, welchen rechtlichen Verpflichtungen die Akteure der Oberrheinkonferenz bei der Umsetzung des Wissensmanagements in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nachkommen müssen. Das Ergebnis: Jede Form des Wissensmanagements unterliegt rechtlichen Verpflichtungen. Diese Forschungsfrage wird aus deutscher Perspektive beantwortet, da sich der Sitz des gemeinsamen Sekretariats in Deutschland befindet.

Wissensmanagement orientiert sich an Landesvorschriften

Auch wenn die Anwendung des Wissensmanagements in keiner gesetzlichen Regelung verankert ist, wird sie durch das Prinzip der rechtsstaatlichen Aktenführung geprägt: Deshalb wird dem gemeinsamen Sekretariat empfohlen, sich an den landeseinheitlichen Vorschriften des Landes Baden-Württemberg zu orientieren. Somit lassen sich einerseits ihre Schriftstücke einheitlich verwalten und andererseits soll dies eine Grundlage zur kontinuierlichen Wissenssicherung geschaffen.

Im Anschluss ging es um die Frage, wie die Wissenselemente und das gewonnene Erfahrungswissen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit identifiziert werden können. Dafür führten die Forscherinnen Experteninterviews mit Vertretern der Oberrheinkonferenz und der Infobesten – „Informations- und Beratungsstelle“.

Die Thematik wurde in zwei Themenblöcke, das Wissen und Wissensmanagement, untergliedert. Beim Wissen wurde weiter in explizites und implizites Wissen unterschieden, um alle Wissenselemente herausfinden zu können.

Wenig Dokumentation des Wissens

Das explizite Wissen beschreibt dabei das Wissen, welches aufgeschrieben wird. Die Forscherinnen stellten fest, dass in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am Oberrhein insgesamt wenig Dokumentation stattfindet und Potenzial beim Wissensmanagement offen bleibt. Obwohl kein einheitliches Wissensmanagement vorhanden ist, wird die Notwendigkeit dafür von allen Akteuren betont.

Das implizite Wissen kann als Erfahrungswissen zusammengefasst werden. Hierbei schätzen die befragten Akteure am Oberrhein die persönlichen Kontakte, die Erfahrung im Umgang mit anderen, die Netzwerkarbeit, den europäischen Gedanken, aber auch die interkulturelle Kompetenz und diesbezüglich auch fremdsprachliche Kenntnisse. Allgemein benötigt es in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit viel Motivation, um Probleme mit viel Pragmatismus und Kreativität zu lösen und wird ebenfalls als implizites, grenzüberschreitendes Wissen bezeichnet. Hinzu kommt das Verständnis für die unterschiedliche Gewichtung der Kompetenzen, sowie auch die Vielzahl an Akteuren zu verstehen.

Stärken und Schwächen des Wissensmanagements

Als dritte und abschließende Frage wurde untersucht, wie sich das Wissensmanagement der Oberrheinkonferenz optimieren und zugänglich machen lässt. Durch die Analyse des bisherigen Wissensmanagements wurden Stärken und Schwächen herausgearbeitet, auf deren Basis Handlungsempfehlungen erarbeitet wurden.

Als sehr gewinnbringend wird in allen Einrichtungen der Austausch mit den Kollegen empfunden, welcher zum Wissensaustausch und zur Aneignung von neuem Wissen beiträgt. Gerade die Netzwerkarbeit wird im grenzüberschreitenden Kontext als besonders wichtig angesehen. Als vorteilhaft gestaltet es sich, wenn der Vorsitz oder Mitgliedschaft in einer Arbeitsgruppe bereits fester Bestandteil der Stelle auf nationaler Ebene ist und nicht nebenberuflich wahrgenommen wird. Dies gibt der grenzüberschreitenden Tätigkeit mehr Gewicht. Um Wissen, auch das implizite Wissen, zu sichern und weitergeben zu können, bietet es sich an, mit Vermerken zu arbeiten. Diese können auch ohne persönlichen Kontakt für Nachfolgern nützlich sein.

Hospitationsprogramme sind zu empfehlen

Ganz bedeutend ist es zudem, ein Bewusstsein auch für das implizite Wissen zu schaffen und dieses nicht als gegeben hinzunehmen. So wird dieses als gleichwertig zum expliziten Wissen unter den Befragten gesehen. Die Methode des Storytellings kann hierfür hilfreich sein. Die Übergabe eines Vorsitzes oder einer Stelle sollte einheitlich organisiert werden und mithilfe von Checklisten und überlappenden Übergaben verbessert werden. So sinkt die Gefahr, dass zu viel Wissen verloren geht und eine Einarbeitung wird garantiert. Um den fehlenden Fremdsprachenkenntnissen entgegenzuwirken, aber auch ein Verständnis für andere Verwaltungskulturen aufzubauen, sollten Hospitationsprogramme im Nachbarland eingeführt werden. Hierbei lernen Angestellte der Verwaltungen die Fachverwaltungen der beiden anderen Staaten kennen, erleben hautnah die Arbeitsweise, erlernen interkulturelle Kompetenz  und verbessern ihre Sprachkenntnisse. Wünschenswert ist es, eine gemeinsame Datenbasis zu schaffen und den Beginn einer Datenbank wie bei den Infobesten, weiter auszubauen.

Auch wenn jede Grenzregion vor unterschiedlichen rechtlichen, administrativen und interkulturellen Hürden steht, und daher die Ergebnisse nicht pauschal übertragen werden können, bringen die Erkenntnisse dieser Arbeit dennoch einen praktischen Mehrwert. Einen Mehrwert, der zur Zukunftsfähigkeit der Oberrheinkonferenz und der Stärkung der kontinuierlichen grenzüberschreitenden Kooperation beitragen kann.

Linda Wulff hat im Jahr 2020 erfolgreich ihren Bachelor in Politik-und Verwaltungswissenschaften an der Universität Konstanz absolviert. Im Anschluss studierte sie im Master Europäisches Verwaltungsmanagement an den beiden Hochschulen für öffentliche Verwaltung in Ludwigsburg und in Kehl. Seit November 2022 arbeitet Wulff als wissenschaftliche Mitarbeitern im Kehler Institut für angewandte Forschung, der Forschungsabteilung der Hochschule Kehl.

Dank des Kooperationsmasterstudiengangs konnte Frau Wulff ein Semester lang in Kehl und somit in einer Grenzregion studieren. Zudem vertiefte sie durch Ihre Kurswahl der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ein Themenfeld, welches Ihre persönlichen Interessen zu Frankreich hervorragend ergänzen. Bereits ihre vorangegangene Schul-und Studienzeit pflegte sie die französische Sprache und verbringt immer wieder Studienaufenthalte in unserem Nachbarland.

Wulff verfolgte mit der Themenwahl der Masterarbeit den Wunsch, eine Forschungsarbeit mit hohem Praxisbezug zu schreiben, welche im Anschluss nicht in der Schublade landet, sondern eine Problematik unterstützt und darin Anwendung findet. Das Wissensmanagement insgesamt, besonders aber in grenzüberschreitenden Einrichtungen, bietet viel Potenzial und gestaltet sich schwierig zu sichern. Genau diese Herausforderungen werden in der Arbeit beleuchtet und beispielhaft am Oberrhein mit Handlungsempfehlungen abgerundet.

Linda Wulff darf kontaktiert  werden unter l.wulff@boeblingen.de und wissensmanagement.oberrhein@googmelamil.com.

Tamara Strassheim hat im Jahr 2020 ihren Bachelor an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl abgeschlossen. Anschließend hat sie ihren Masterabschluss an den beiden Hochschulen für öffentliche Verwaltung in Kehl und Ludwigsburg absolviert. Aktuell arbeitet Strassheim bei der Landeshauptstadt Stuttgart im Bereich Projektmanagement. Mit der vorliegenden Masterarbeit war es Tamara Strassheim möglich, gleich mehrere persönliche Anliegen zu erforschen. Die Nähe der Nachbarländer Frankreich und der Schweiz sowie die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Masterstudium weckten das Interesse, sich mit dem Wissensmanagement in der Grenzregion intensiver zu beschäftigen. Die Oberrheinregion gilt heute als eine der bestvernetzten Grenzregionen in Europa und kann auf zahlreiche sowie erfolgreiche Projekte und Kooperationen zurückblicken. Die Oberrheinkonferenz stoßt in diesem Zuge auf unterschiedliche Rechts- und Steuersysteme der beteiligten Staaten, welche zu Herausforderungen führen, die in der Masterarbeit beleuchtet wurden.

Tamara Strassheim darf kontaktiert werden unter wissensmanagement.oberrhein@googmelamil.com.

Quelle/Autor: Linda Wulff und Tamara Strassheim

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