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Das Malefizbuch beschreibt Verbrechen und Unglücke im Spätmittelalter

Im Jahr 1803 wurde das Klosterarchiv der Reichenau nach Karlsruhe transferiert. Es enthält Schätze aus mehr als 1000 Jahren Geschichte. Dazu gehört auch das Malefizbuch.

Das Generallandesarchiv zeigt Kriminalitätsfälle auf der Reichenau.

Generallandesarchiv Karlsruhe)

Karlsruhe. Im Mittelalter war das Kloster Reichenau ein wichtiger politischer, aber auch kultureller Ort. Das bezeugen nicht nur die Gründungsurkunden, die erst nachträglich im 12. Jahrhundert entstanden sind und die Klostergründung im Jahr 724 belegen sollen, sondern auch viele andere Urkunden, die derzeit in der Großen Landesausstellung „Welterbe des Mittelalters – 1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“ im Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg in Konstanz zu sehen sind.

Doch nicht nur die berühmten Kaiser- und Papsturkunden aus seiner frühen Glanzzeit, „auch die mannigfaltigen Zeugnisse des Lebens der einfachen Menschen im Herrschaftsgebiet des Klosters faszinieren“, schreibt das Generallandesarchiv im Vorfeld seiner eigenen Ausstellung.

Zu den wertvollen Dokumenten aus der Klostergeschichte zählt nämlich auch ein Malefizbuch, in dem exakt 150 Kriminalfälle aus den Jahren 1450 bis 1590 aufgelistet sind. Sehen kann man dieses kostbare Werk in einer Korrespondenzausstellung im Generallandesarchiv in Karlsruhe unter dem Titel „Spurensuche… eine Kriminalitätsgeschichte der Reichenau“, die bis 9. August besichtigt werden kann.

Das Malefizbuch beschreibt Verbrechen der einfachen Menschen

„Im Malefizbuch sind Übeltaten und Verbrechen, aber auch Unglücksfälle der einfachen Menschen im Spätmittelalter beschrieben“, sagt Kurator Rainer Brüning. Das Buch sei zudem ein wertvolles Zeugnis über Leben und Leiden, Gefühle und soziale Lage von Bauern und Handwerkern, ergänzt Brüning.

Die Kriminalitätsgeschichte ist eine Form der Dokumentation und erzählt von Konflikten und dem Umgang damit. „Das Malefizbuch ist nicht nur eine bekannte Quelle von der Reichenau, sondern beschreibt Verbrechen und Unglücksfälle“, sagt Brüning. Ab dem Jahr 1590 wurden die Verbrechen der vergangenen 140 Jahren zuvor aufgelistet. Dies hänge auch damit zusammen, dass im Jahr 1590 der neue Bischof von Konstanz die Klosterleitung übernimmt. Durch das Malefizbuch entstand ein Überblick über die hohe und niedere Gerichtsbarkeit im Kloster und über die Rechtssprechung dort. Nicht alle Fälle sind darin aufgenommen worden, es ist von weiteren Fällen auszugehen, sagt Brüning.

Doch was für Fälle werden im Malefizbuch beschrieben? Es gibt kurz beschriebene Fälle aber auch solche, die mehrere Seiten füllen, etwa wenn es sich um aufsehenerregende Gewalttaten handelte. Aufgelistet werden zudem Nachbarschaftsstreitigkeiten, Beleidigungen, körperliche Angriffe, Diebstahl und Sexualdelikte, Wirtschaftsvergehen, Wilderei, Urkunden- und Münzfälschung, Gotteslästerungen und Hexerei. So gibt es auch mehrere Fälle von Konkubinen bei den Geistlichen.

Die Sanktionen waren sehr personen- und situationsbezogen, es gab damals keine Rechtsgleichheit. „Es war wichtig, welche soziale Stellung man hatte“, sagt Brüning in einem Podcast mit dem Badischen Landesmuseum. Adlige oder Landstreicher wurden für dasselbe Vergehen unterschiedlich bestraft. Und bei der Wahrheitsfindung wurde sehr umfangreich die Folter eingesetzt, sagt Brüning, Amts- und Würdenträger wurden nicht gefoltert.

Zu den Sanktionen zählten Ermahnungen oder Ausweisungen, es gab aber auch drakonische Leibesstrafen wie Köpfen oder Hängen. Das zeigt auch ein Ausstellungsstück wie eine eiserne Kette von der Hinrichtungsstätte in Allensbach. Der Ort gehörte zum Herrschaftsgebiet des Abtes von Reichenau, wo die Urteile vollstreckt wurden.

Archiv ist auch Leihgeber für die Große Landesausstellung

Doch warum zeigt das Generallandesarchiv überhaupt eine solche Ausstellung? „Wie sind ja auch Leihgeber für die Große Landesausstellung, außerdem zeigen wir einen weiteren Ausschnitt aus dem Klosterarchiv“, sagt Brüning. Man wende sich anders als die Große Landesausstellung in Konstanz mit der Karlsruher Ausstellung dem Alltag der einfachen Leute zu mit dem Schwerpunkt im 15. und 16. Jahrhundert.

Recht und Gerechtigkeit im Lauf der Jahrhunderte

Das Generallandesarchiv Karlsruhe lädt am 16. Mai um 18 Uhr zu einem Vortrag über Recht und Gerechtigkeit im Lauf der Jahrhunderte ein. Einer der renommiertesten deutschen Kriminalitätshistoriker, Gerd Schwerhoff aus Dresden, spricht über Vergehen und Verbrechen vergangener Zeitalter als wesentlichen Bestandteil der Kulturgeschichte.

Vor dem Vortrag findet um 17 Uhr auch eine Kuratorenführung durch die aktuelle Ausstellung statt.

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