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Kunstsammlung

Joseph Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach: Einblicke in die Lebenswelt eines adligen Kunstsammlers

Joseph Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach war Domdekan in Straßburg und Dekan in St. Gereon in Köln. Einen Namen machte er sich allerdings als einer der bedeutendsten Kunstsammler der Welt um das Jahr 1800.

Joseph Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach.

Landesarchiv Baden-Württemberg)

Karlsruhe. Joseph Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach (1748-1813) wurde in Bad Wurzach im oberschwäbischen Landkreis Ravensburg geboren. Bereits in jungen Jahren wurde er von seiner Familie für den geistlichen Stand bestimmt. Im Jahr 1773 wurde er in Köln zum Priester geweiht und war später Dekan in Köln und hatte zugleich das Domdekanat in Straßburg inne.

Am liebsten aber sammelte der Geistliche Kunstwerke. „Ursprünglich in den 1780er-Jahren in Köln und Straßburg aufgebaut, gelangte seine Sammlung von über 1000 Gemälden in den Wirren der Revolutionszeit über Wurzach und Wien im Jahr 1803 nach London“, sagt Peter Exner vom Generallandesarchiv in Karlsruhe, die dem Truchsess und dem englischen Kunstmarkt eine Ausstellung widmet (siehe Infokasten).

In London entstand ein reger Markt für Konsumgüter

In London sollte seine Kunstsammlung sogar die Basis einer englischen Nationalgalerie bilden. „Die Weltmetropole London hatte im 18. Jahrhundert durch ihren blühenden Handel eine enorme individuelle Kaufkraft angehäuft und einen regen Markt für Konsumgüter entwickelt, der für dieses Vorhaben gezielt genutzt werden sollte“, heißt es in der Ankündigung zur Ausstellung.

Bei der Veräußerung der sogenannten Truchsessian Picture Gallery wird eine ganz spezifische kulturelle Infrastruktur mit großen Auktionshäusern und kommerziellen Galerien sichtbar. „Anschaulich können die damaligen Marktmechanismen und die besonderen Vorlieben der englischen Sammler nachvollzogen werden“, heißt es weiter.

Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach flüchtete in der Zeit der französischen Revolution erst nach Ettenheim und Oberkirch und wenig später zurück in sein Schloss Wurzach. Dorthin hatte er sicherheitshalber auch schon seine Gemäldegalerie von Köln gebracht, in der sich Werke von Albrecht Dürer, Rembrandt, Michelangelo, Lukas Cranach oder von Peter Paul Rubens befanden.

„Die damals bestehende Absicht, dort eine Zeichen- und Malschule zu eröffnen, zerschlug sich durch die Übergriffe der französischen Soldaten in Schwaben und die dadurch notwendig gewordene Flüchtung der Gemäldesammlung nach Wien im Juli 1796“, heißt es beim Landesarchiv. Sie wurde in Wien in der Geschwind’schen und Windhaag’schen Bibliothek untergebracht.

Doch auch in Wien war die Sammlung in beiden Galerien nicht mehr sicher und der Truchsess musste sich erneut überlegen, wohin er seinen bedeutenden Bestand an Kunstwerken bringen könnte. Allerdings hatte er sich durch den ständigen Ortswechsel ziemlich verschuldet, es fehlte ihm inzwischen schlichtweg an Geld. So kam es, dass im Jahr 1802 entschied, fasste er 1802 den Entschluss, einen Teil seiner Galerie in London zu veräußern.

„Mit dem Transport und Verkauf der Gemälde wurde das Handlungshaus de Fries in Wien beauftragt. Der mit diesem abgeschlossene Vertrag besagte, dass bei Nichteinhaltung des Zahlungstermins für die dabei angefallenen Nebenkosten die Galerie dem Handlungshaus zufallen sollte“, schreibt das Landesarchiv.

Weil der Geistliche die bis 1805 verlängerte Frist nicht einhalten konnte, machte die Firma von ihrem vertraglich festgelegten Recht Gebrauch und versteigerte die Gemälde zu ihrem Gewinn. Ein bei dem niederösterreichischen Landesgericht in Wien erfolgter Prozess auf Rückgabe der Gemälde beziehungsweise Schadensersatz hatte keinen Erfolg.

Mit dem Rest der Galerie versuchte der Truchsess 1807 unter Vermittlung des Grafen Esterhazy in Preßburg eine Bildergalerie und Zeichenschule zu eröffnen, nachdem er den Kaiser vergebens um den Ankauf seiner Gemälde gebeten hatte. Vermutlich scheiterte dieser Plan. Der Truchsess starb 1813 in Wien.

Sein Nachlass landete beim Generallandesarchiv

Doch was hat das alles eigentlich mit dem Generallandesarchiv in Karlsruhe zu tun? Der Nachlass des Geistlichen ist dort gelandet. Dieser enthält neben wenigen persönlichen und das Domstift Straßburg betreffenden Unterlagen hauptsächlich Material über seine Gemäldegalerie an ihren verschiedenen Unterbringungsorten und über den Prozess gegen das Handlungshaus de Fries.

Im Jahr 1810 wurde der Nachlass zunächst in die Schlossbibliothek des Fürsten Dietrichstein im südmährischen Nikolsburg gebracht. Dort wurde er erst 1933 entdeckt durch ein wissenschaftliches Institut.

Das Institut wiederum verlieh 1943 einen Teil des Nachlasses zu Forschungszwecken an die Kunsthistorikerin Gerda Franziska Kircher, deren zugehörige Publikation aber erst 1979 erschien. Diese Unterlagen wurden 1952/53 dem Generallandesarchiv geschenkt.

Ausstellung zur Truchsessen-Galerie in London

Das Generallandesarchiv Karlsruhe zeigt vom 4. Juli an eine Ausstellung zur Truchsessen-Galerie in London und den englischen Kunstmarkt um das Jahr 1800. Unter dem Titel „art&market“ gibt sie Einblicke in die Lebenswelt des adligen Sammlers Graf Joseph Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach (1748-1813) um 1800 und die Entwicklung des professionellen Ausstellungswesens. Zugleich dokumentiert sie die Kommerzialisierung von Kunstwerken.

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