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In Bad Boll gibt es seit 40 Jahren progressive Lesbentagungen

In Bad Boll gibt es seit 40 Jahren Tagungen für lesbische Frauen. Dieses Bild stammt aus dem Jahr 1987.
Herta Leistner)Bad Boll. Die Lesbentagungen waren ein Treffpunkt für lesbische Frauen im kirchlichen Umfeld, die sich sonst im Alltag verstecken mussten. Die erste Tagung in Bad Boll begann Mitte der 1980er-Jahre an einem Donnerstagabend mit einer Einführung zum Thema „Wie Frauen lebten“ und endete am darauffolgenden Sonntagmorgen mit einem Gottesdienst. Dazwischen lagen zwei Tage voller Impulsvorträge – etwa „Frauen, Sexualität und Macht im Urchristentum“ – sowie Gesprächsgruppen und künstlerische Workshops.
Initiiert wurde die Tagung von der damaligen Studienleiterin der Evangelischen Akademie Bad Boll, Herta Leistner, einer ausgebildeten Sozialpädagogin, die die Treffen viele Jahre leitete. Gemeinsam mit den Mitbegründerinnen Monika Barz und Ute Wild feiert sie 2025 das 40-jährige Jubiläum der Veranstaltung. Es ist ein Jubiläum für einen Ort, der Frauen von Beginn an einen geschützten Raum bot – einen Raum, in dem sie offen über ihre sexuelle Identität sprechen konnten, ohne Ausgrenzung oder Gewalt befürchten zu müssen. Ein Raum von lesbischen Frauen für lesbische Frauen.
Das war 1985 alles andere als selbstverständlich. Viele Lesben hielten ihre Identität verborgen, nicht zuletzt, weil ihnen gesellschaftliche Anerkennung fehlte.
Bad Boll gab lesbischen Frauen Sichtbarkeit
Die Evangelische Akademie Bad Boll schreibt rückblickend: „In der Familie, in der Schule, am Arbeitsplatz, in der KiTa der Kinder, im Wohnumfeld, in der Kirche – überall gab es Diskriminierungen.“ Die Tagungen seien damals „eine Oase der Akzeptanz“ gewesen. Dies im Raum der evangelischen Kirche zu erleben war für alle überraschend und ist es oft auch heute noch.
Vier Jahrzehnte später haben zahlreiche Teilnehmerinnen ihre Erfahrungen und Erkenntnisse aufgeschrieben und geteilt – darunter auch Leistner und Barz. Exklusive Räume für lesbische Frauen seien, schreiben sie, „ein notwendiges internationales Zeichen in einer Zeit, in der Millionen von Frauen – weil sie Frauen sind – weltweit um ihre elementarsten Rechte kämpfen und um ihr Leben fürchten.“
H eute erstreckt sich die Tagung über drei Tage, doch die Grundidee ist dieselbe geblieben: Historische Rückblicke und Generationengespräche treffen auf aktuelle Debatten zu Sichtbarkeit, Antifaschismus, queerer Geschichte und gesellschaftlichen Herausforderungen. Workshops, ein Kreativ-Markt, Musik- und Abendveranstaltungen sowie ein World Café zur Zukunftsgestaltung schaffen Raum für Austausch, Vernetzung und Empowerment. Und auch heute endet die Tagung mit einem Gottesdienst.
Wo Gleichgesinnte sich zwangsfrei begegnen
Irene Löffler, die seit 1989 kaum eine Tagung verpasste, hat ebenfalls ihre Erfahrungen in Bad Boll geteilt. Ihr Fokus lag weniger auf dem Programm: „Wichtig ist mir die Möglichkeit, anderen Lesben zu begegnen“, schreibt sie. Sie komme seit Jahren immer wieder nach Bad Boll, die gemeinsame Zeit habe zu vielen Freundschaften und auch zu einer Liebe geführt. Löffler ist römisch-katholische Theologin und arbeitet auch in der Frauenseelsorge: „Als Feministin bin ich oft frustriert und fühle mich wie eine feministische Urgroßmutter, weil ich seit ich 15 Jahre alt war, die gleichen Argumente herunterbeten muss.“
Der Kampf für kirchliche, gesellschaftliche und politische Veränderungen ist noch nicht vorbei, auch wenn sich vieles in den 40 Jahren verändert hat. Frauen wie Löffler wünschen sich, dass Bad Boll noch lange ein Begegnungsort für junge und alte Lesben bleibt.
Leistner und Barz sind nach dieser Zeit nicht mehr in die Organisation eingebunden. Sie wissen aber, dass jede Generation nur für eine gewisse Zeit die folgende Zeit beeinflusst. Sie richten deshalb an das Team der Tagung 2025 ein paar Worte: „Ihr tragt die Verantwortung für das Morgen.“
Die Situation 1985
Im Jahr 1985 wurden lesbische Frauen in Deutschland sichtbarer, weil erstmals große öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen wie die Berliner Lesbenwoche stattfanden. Es entstanden neue Treffpunkte und Netzwerke, in denen offen gesprochen werden konnte, oft im Schutz der Kirche. So auch in Bad Boll.