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Wie Kinder spielerisch die Welt der Mönche erkunden

Johanna (links) und Ilka im Scriptorium der Maulbronner Klosterwelt, in dem sie die mittelalterlichen Buchstaben ausprobieren können und einen Rundbogen. Fotos: epd
Stuttgart/Maulbronn. Bis ins kleinste Detail lassen sich Leben und Arbeit des Zisterzienserordens vom 12. bis 16. Jahrhundert im Kloster Maulbronn veranschaulichen.
„Der Innenhof des Klosters ist noch immer von Türmen umgeben, die über die Unterkünfte und Nebengebäude sowie eine Verteidigungsmauer von etwa einem Kilometer Länge hinaus ragen. Seit der Reformation wurden nur das Refektorium der Mönche und die Schlafräume der Laienbrüder umgestaltet“, heißt es auf der Internetseite www.unesco.de.
Demnach wurde die dreischiffige Basilika als ältester Teil der Anlage bereits im Jahr 1178 geweiht. „Im getrennten Mönchschor zeigt das aus dem 15. Jahrhundert stammende Chorgestühl mit seinen 92 Plätzen den Umfang des Klosters in dieser Zeit“, heißt es weiter.
Die Zisterzienser schufen ein ausgeklügeltes Wassersystem
Und der Zisterzienserorden war auch für seine Erfindungen auf dem Gebiet der Wassertechnik bekannt. Dies wird durch das ausgeklügelte System der Wasserspeicher, Bewässerungskanäle und Abläufe des Klosters deutlich. Regelmäßig bieten die Staatlichen Schlösser und Gärten dazu Themenführungen an.
Nun gibt es eine neue Attraktion, die „Junge Klosterwelt“. Sie ist ein Angebot für Kinder, in die Welt der mittelalterlichen Mönche einzutauchen. Mit Stift und Steinzange, „Maultaschenmemory“ und Murmelbahn.
Unter dem Titel „Pssst… Die junge Klosterwelt“ sind Schulklassen und Familien mit Kindern ab etwa acht Jahren dazu eingeladen, auf 200 Quadratmetern auf Entdeckungstour zu gehen. Im ersten Raum lernen sie fünf fiktive Charaktere aus der Klosterzeit kennen, die die Kinder auf ihrer Reise begleiten, wie den Chormönch Johannes, der es liebt, Psalmen zu singen, oder den jungen Ritter Heinrich, der zum Novizen Clemens wird und einen neuen Haarschnitt, eine Tonsur, erhält.
„Viele Jugendliche, die ins Kloster eintraten, stammten aus dem Adel. Da die Erstgeborenen meist das ganze Erbe erhielten, wurden die zweitgeborenen Söhne oft ins Kloster geschickt, um für ihre Familie zu beten“, erklärt die Klosterführerin Verena Sorce.
An einem großen Tisch befinden sich Schubladen mit Uhrzeiten, die den durchgetakteten Alltag der Mönche erklären, der aus Beten und Arbeiten, aus „ora et labora“, bestand. Acht Gebetszeiten, dazwischen Essen, Arbeit und Schlaf – so sah damals das Leben eines Zisterziensermönchs aus.
Den 12-jährigen Freundinnen Johanna und Ilka gefällt das Scriptorium am besten: Eine Schreibstube, in der sie sich mithilfe von Schablonen an mittelalterlichen Lettern ausprobieren können. Daneben laden romanische und gotische Fensterbögen dazu ein, mit farbigen Puzzleteilen bestückt zu werden. Und auf der „Baustelle“ können die Kinder versuchen, mit einer Steinzange und kleinen Bausteinen einen selbsttragenden Rundbogen aufzubauen.
Ein „Maultaschenmemory“ erklärt die Essgewohnheiten der Mönche, wie beispielsweise, dass jeder Mönch pro Tag 500 Gramm Brot erhielt und es kaum Fleisch, sondern vor allem Fisch gab. Wer mag, kann in einem nachgebauten Chorgestühl Platz nehmen und dem Gesang der Mönche lauschen oder sogar auf der Latrine probesitzen.
Spiel „Mönch ärgere Dich nicht“
Beim Quiz „Wer’s weiß, wird selig“ kann man sein Wissen über das Kloster testen: Ist ein Mönchsorden eine „Goldmedaille für gutes Beten“ oder doch eher „eine Gemeinschaft von Mönchen“? Und beim „Mönch ärgere Dich nicht“ lernt man etwas über den Alltag im Kloster, wenn es dort heißt, dass es Zeit für die Schafschur ist und die Wolle für neue Kutten zur Weberei gebracht werden soll. Oder der Abt Zahnschmerzen hat und für einen heilenden Tee Salbei aus dem Klostergarten braucht.
Eine Kugelbahn zeigt den Weg durch das Wassersystem der Zisterzienser: Rohre bringen frisches Quellwasser ins Brunnenhaus, und das Abwasser aus der Küche oder den Latrinen wird unterirdisch entsorgt. Laut einer Gründungslegende soll ein Maulesel den Standort des Klosters gefunden haben, indem er eine Quelle entdeckte, erklärt Verena Sorce.
Laut Jürgen Franke von der Klosterverwaltung Maulbronn ist das Klosterkindermuseum auf jeden Fall in Baden-Württemberg einmalig, wahrscheinlich sogar deutschlandweit. Ziel sei, dass Kinder den „Vibe“ von damals erleben können.
Architektonisches Meisterwerk und Bildungsstätte
Das Kloster Maulbronn gilt als die am besten erhaltene Klosteranlage des Mittelalters nördlich der Alpen. Im Jahr 1147 gründete der Zisterzienserorden das Kloster an der Salzach im Nordschwarzwald. Allein das sogenannte „Paradies“, die Vorhalle der Klosterkirche, ist ein architektonisches Meisterwerk. Viele Persönlichkeiten der Kultur- und Wissenschaftsgeschichte wie beispielsweise Johannes Kepler und Hermann Hesse erhielten ihre Ausbildung in der dortigen Klosterschule.
Ralf Schick und Judith Kubitscheck (epd)