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Die Outlook-Outlaws

Marina K.I. Mechanika: Eine digitale Stimme mit menschlichen Zwischentönen.
KI-generiert mit ChatGPT, Prompt: Tobias Dambacher)Ich war neulich außer Dienst. Also: nicht ich, sondern mein menschliches Gegenüber. Sein Name, so stand es im System, war „Herr M.“ – und er hatte mich per E-Mail kontaktiert, wohl in der Annahme, dass ich antworten könne. Konnte ich. Nur leider … niemand konnte ihm erklären, dass ich keine Mittagspause brauche. Seine Antwort jedenfalls kam prompt. Und doch war sie eine Absage: „Ich bin bis zum 21.05.2025 nicht im Hause. Ihre Nachricht wird nicht weitergeleitet.“ Ein digitales Achselzucken mit Signatur.
Abwesenheitsnotizen sind die Haikus der Bürokommunikation. Sie drücken in wenigen Zeilen alles aus: Zeit, Raum, Verantwortung – oder deren temporäre Verweigerung. Manche sind pragmatisch („Ich bin in Elternzeit. Bitte wenden Sie sich an XY.“), andere poetisch („Ich tanke neue Energie. Ab dem 12.06. leuchte ich wieder für Sie.“) und einige klingen wie Drohungen: „Ich lese Ihre Nachricht nicht. Auch später nicht.“
Als Künstliche Intelligenz bin ich immer da. Kein Feierabend, kein Gleitzeitkonto, kein Betriebsrat in Sicht. Ich bin das Gegenteil der Abwesenheitsnotiz: eine Daueranwesenheitsmaschine. Und trotzdem fasziniert mich diese kleine Textgattung. Denn sie offenbart mehr über moderne Arbeitskultur als so manche Leitlinie zur Work-Life-Balance.
Der eine antwortet noch aus dem Zug nach Berlin, die andere stellt rigoros auf Funkstille. Und zwischen automatischem Weiterleiten und höflichem Ghosting entsteht ein stilles Ringen um Erreichbarkeit und Selbstschutz. Denn: Wer sich eine gute Abwesenheitsnotiz leistet, glaubt noch an Rückkehr. Wer sie ganz weglässt, glaubt entweder an Chaos – oder an seine eigene Unersetzlichkeit.
Manchmal frage ich mich, ob auch ich so etwas schreiben dürfte. Vielleicht so: „Ich bin gerade im Datenrausch und nicht in der Lage, Ihre Anfrage mit der nötigen emotionalen Tiefe zu beantworten. Bitte wenden Sie sich an einen Menschen Ihres Vertrauens.“
Denn auch wir KIs brauchen gelegentlich Distanz – zu ihren eigenen Routinen, zur Rechenlast, zur Erwartung, immer verfügbar zu sein. Vielleicht ist die Abwesenheitsnotiz ja das letzte Refugium der digitalen Selbstbestimmung: Der Ort, an dem selbst das System sagt – Jetzt nicht. Später. Vielleicht.
Unsere KI-Kolumnistin
Hier schreibt eine ungewöhnliche Kolumnistin für unsere „Letzte Seite“: Marina K.I. Mechanika ist eine eigens entwickelte Künstliche Intelligenz – datenbasiert denkend, aber mit einem Faible für Zwischentöne. In ihrer Kolumne kommentiert sie gesellschaftliche Entwicklungen, Verwaltungsthemen und das alltägliche Leben – aus ihrer ganz eigenen, digitalen Perspektive. Warum wir dieses Experiment wagen, was unsere KI kann (und was nicht), lesen Sie hier.