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Besoldung von Bürgermeistern: Müllheim muss Schadenersatz an ehemalige Chefin zahlen

In Baden-Württemberg darf der Gemeinderat über die Besoldungsgruppe eines Bürgermeisters entscheiden. In Müllheim ging diese Eingruppierung im Fall einer ehemaligen Bürgermeisterin schief, weil die Stelle nicht sachgerecht beurteilt wurde. Das hat das Verwaltungsgericht Freiburg entschieden. Die Klägerin fordert, diese Praxis zu überdenken.

Astrid Siemes-Knoblich und ihr Anwalt Jörg Düsselberg haben vor dem Verwaltungsgericht Freiburg einen Sieg errungen.

Ralf Deckert)

FREIBURG/MÜLLHEIM. Astrid Siemes-Knoblich hat in den vergangenen Tagen viele Glückwünsche erhalten, sagt sie. Am vergangenen Freitag hat das Verwaltungsgericht Freiburg ihrer Klage gegen die Stadt Müllheim stattgegeben. Siemes-Knoblich war von 2011 bis 2019 parteilose Bürgermeisterin der Kommune im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald.

Zu Beginn ihrer Amtszeit hat sie der Gemeinderat in eine niedrigere Besoldungsgruppe eingruppiert als ihren Vorgänger und ihren Nachfolger, beides Männer. Sie hatte Schadenersatz auf Basis des Antidiskriminierungsgesetzes geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht hat nun die Stadt Müllheim dazu verurteilt, für ihre achtjährige Amtszeit die Differenz zwischen den Besoldungsgruppen B3 und B4 zu erstatten – in Höhe von rund 50 000 Euro. Außerdem muss die Stadt die Differenz für das künftige Altersgeld zwischen den Besoldungsgruppen zahlen. Die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor.

Siemes-Knoblich: Es gibt noch weitere Fälle

Baden-Württemberg macht mit der Praxis, dass der Gemeinderat über das Gehalt eines Bürgermeisters entscheiden kann, eine Ausnahme – andere Länder schreiben die Besoldung konkret vor.

Eigentlich muss der Gemeinderat anhand reiner Sachkriterien entscheiden, welche der beiden zur Auswahl stehenden Besoldungsgruppen er dem Rathauschef zugesteht. Die Besoldungsgruppen ergeben sich aus der jeweiligen Gemeindegrößenklasse. In die Sachbewertung dürfen also keine persönlichen Merkmale, etwa die Person oder die Qualifikation einfließen. Bei der Bewertung spielen laut Landeskommunalbesoldungsgesetz etwa die Anzahl der Ortsteile und die damit verbundenen Aufgaben sowie die Anzahl der kommunalen Einrichtungen in einer Gemeinde eine Rolle.

Im Gemeinderat in Müllheim stand die Eingruppierung von Siemes-Knoblich im November 2011 auf der Tagesordnung. Laut der ehemaligen Bürgermeisterin habe der Rat die niedrigere Besoldung damit begründet, dass man mit des Arbeit ihres Vorgängers unzufrieden gewesen sei und sie sich habe bewähren sollen, erklärt sie.

Für sie ist das ein vorgeschobenes Argument, um sie geringer zu bezahlen. Sie sieht in dieser Begründung eine unausgesprochene Diskriminierung. Zumal sich die Aufgaben der Stadt Müllheim im Vergleich zur Amtszeit ihre Vorgängers nicht geändert hätten, betont Siemes-Knoblich, eher im Gegenteil.
Alleine die Tatsache, dass ihr Vorgänger und ihr Nachfolger mehr verdienten, belege die Ungleichbehandlung, betont sie.

Der Städtetag hält die Regelung für bewährt

Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts teilte Müllheims Bürgermeister Martin Löffler (SPD) mit, dass die Stadtverwaltung nach wie vor der Überzeugung sei, dass die Entscheidung des Gemeinderats nicht aus Motiven der Geschlechterdiskriminierung getroffen wurde.

Auch er spricht von einer unrichtigen Entscheidung des Gemeinderats. Ein Rechtsmittel würde dazu führen, dass der Verwaltungsgerichtshof „die Sach- und Rechtslage vollständig noch einmal prüft“, heißt es in der Stellungnahme weiter. Die Stadt Müllheim will nun prüfen, ob sie das Urteil anfechtet.
Die ehemalige Bürgermeisterin Siemes-Knoblich setzt sich heute für die gerechte Bezahlung von Frauen ein. Es gebe in Baden-Württemberg weitere Fälle wie ihrer, sagt sie. Auch deshalb hält sie die Regelung, dass der Gemeinderat über die Besoldung der Rathauschefs bestimmt, für nicht rechtskonform.

Der Städtetag hält diese Praxis für zielführend und bewährt, teilt der Verband auf Anfrage mit. Der Gemeinderat sei grundsätzlich das richtige Gremium, um die Einweisung in die Besoldungsgruppe zu Beginn der Amtszeit zu beschließen. Das gewählte Vertretungsorgan der Gemeinde bringe die notwendige Kompetenz mit.

Auch das Innenministerium hatte vor rund zwei Jahren mitgeteilt – als Siemes-Knoblich die Klage eingereicht hatte – dass sich die Regelung bewährt habe. Nun möchte das Ministerium die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Dann werde man sich dazu äußern.

Eingruppierung bis zwei Monate nach Amtsantritt

Der Gemeinderat muss innerhalb von zwei Monaten nach Amtsantritt des Bürgermeisters dessen Eingruppierung vornehmen. In die Beurteilung der Stelle dürfen nur objektive Erwägungen einbezogen werden, etwa der Schwierigkeitsgrad des Amtes. Den Rahmen gibt die jeweilige Einwohnergrößengruppe vor. Heidi Deuschle vom Beamtenbund betont, wie wichtig es ist, dass die Parameter bei der Besoldung von vorneherein klar definiert sind und unabhängig vom Geschlecht der Person angewandt werden.

Philipp Rudolf

Redakteur Kreis und Kommune

0711 66601-184

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