Interview: Stephan Neher

„Bürgermeister sollten Zuversicht ausstrahlen“

Der Rathauschef in Rottenburg am Neckar erklärt, warum es bei der  Flüchtlingsunterbringung in seiner Stadt keine Probleme gibt und warnt vor einem Vertrauensverlust, wenn Politiker immer nur beschreiben, was nicht geht. 

Stephan Neher ist seit 2008 Oberbürgermeister in Rottenburg am Neckar. Im März kandidiert er für eine dritte Amtszeit.

Achim Zweygarth)
Staatsanzeiger: Die Unterbringung läuft in Rottenburg, sagen Sie. Andere Kommunen sind aber überlastet.

Stephan Neher: Die Überlastungssituation kann dann eintreten, wenn man zu lange wartet. In Rottenburg haben wir nicht gewartet, bis irgendjemand in Stuttgart oder in Berlin Zusagen finanzieller Art gemacht oder Programme geschnürt hat. Wir haben gesagt: „Wir machen einfach“.

Sind die Probleme mancher Kommunen auch hausgemacht?

In Teilen schon. Bei der aktuellen Krise kam es auf die erste Hilfsbereitschaft der Bürger an, im Februar, März, April 2022. Die bekomme ich nur in der Anfangsphase, aber dann müssen die Strukturen bereitstehen. Die Mitarbeiter des Ordnungsamtes und unsere Ortsvorsteher in den 17 Ortschaften haben Wohnungen angeschaut, die für eine Anmietung in Frage kommen. So konnten wir in den ersten Wochen nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs 20 bis 30 Wohnungen besichtigen.

Kommt es bei der Unterbringung auf die Haltung des Oberbürgermeisters an?

Ja, denn wir Bürgermeister sind auf kommunaler Ebene nah an den Menschen und sollten Zuversicht und Kompetenz ausstrahlen. Stellen Sie sich vor, der Sicherungskasten ist kaputt und Sie holen den Elektriker, der aber stellt sich davor und sagt: „Puh, keine Ahnung, was ich jetzt machen soll“. Wenn er dann den Schraubenzieher rausholt, dann würde ich auch sagen: „Lass es lieber, ich hole jemanden, der Ahnung davon hat“. Wir schaffen kein Vertrauen in der Bevölkerung, wenn wir immer beschreiben, was wir nicht hinbekommen.

Sind Sie in der kommunalen Familie ein Exot mit Ihrer Meinung?

Ich bin in die Kommunalpolitik gegangen, um an Herausforderungen zu wachsen. Der Schwabe ist eigentlich bekannt dafür, dass er anpackt und arbeitet und nicht jammert. Denn es geht uns ja nicht schlecht. Klar kann es auf kommunaler Seite immer noch besser laufen, aber in Rottenburg investieren wir so viel wie noch nie und bauen die Infrastruktur aus.

Also ist in der Migrationspolitik alles gut?

Es geht mir nicht darum, dass wir so weitermachen. Man muss schauen, wie man die irreguläre Migration begrenzen kann. Auf der anderen Seite wissen wir aber auch, dass wir deutlich mehr Zuwanderung gerade auf dem Arbeitsmarkt brauchen, damit unser Land leistungsfähig bleibt.

Philipp Rudolf

Redakteur Kreis und Kommune

0711 66601-184

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