Zusatznamen von Kommunen

Götz von Berlichingen wird zum Namenspatron

Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat 14 Kommunen das Recht verliehen, eine Zusatzbezeichnung zu tragen. Ab Oktober heben sie so touristisch effektiv die Besonderheit des Ortes hervor – manche für den Gesamtort, andere in einzelnen Ortschaften, mal einheitlich, mal je Ortsteil mit unterschiedlichen Zusätzen.

Germany, Baden-Wurtemberg, Neckarzimmern, Aerial panorama of Hornberg Castle in summer

dpa/Westend61/Martin Moxter)

Stuttgart. Die identitätsstiftende Wirkung der Zusatzbezeichnungen betonte der Minister bei der Verleihung im Stuttgarter Innenministerium. Davon profitieren mittlerweile 110 Kommunen und Ortschaften, was für den Erfolg spreche, den die Einführung der Zusatzbezeichnung in die Gemeindeordnung gebracht hat (siehe Kasten). Dennoch sieht Strobl keine inflationären Tendenzen. Es gebe ja immer noch weit über 900 Kommunen ohne Zusatz.

Der Minister ist mit der Qualität der Anträge zufrieden, erläuterte er gegenüber dem Staatsanzeiger. Daher musste bisher kein Ansinnen einer Gemeinde abgelehnt werden. Außerdem kommen weniger geeignete Namensvorschläge erst gar nicht ins Antragsstadium. Oft gebe es hierzu über Bürgermeisterämter oder Abgeordnete Vorabgespräche mit Strobl oder dem Ministerium. Ungeeignete Namensabsichten, denen die Nachhaltigkeit fehle, könnten so schon vor der sehr intensiven Prüfung des Ministeriums aussortiert werden.

Erst im zweiten Anlauf gibt es auf der Baar eine Hochschulstadt

Zunächst nicht geeignet war der Versuch Trossingens (Kreis Tuttlingen), sich „Hochschulstadt“ zu nennen. Die Stadt auf der Baar hatte diese Tatsache schon vor zwölf Jahren auf die Ortsschilder geschrieben, musste diese auf Weisung des Landes aber wieder abmontieren. Heute, nach drei Jahren Zusatzmöglichkeit, darf Trossingen sich auf den Ortsschildern auf seine Musikhochschule beziehen.

Hochschulstadt war schon oft der kommunale Namenswunsch. Andere bezogen sich auf den Weinbau, Ebringen (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) wird „Weinbaugemeinde“, oder erinnern an lokale Spezialitäten, Hügelsheim (Kreis Rastatt) wird „Spargeldorf“. Besondere Verhältnisse aus der Geschichte inspirierten Bönnigheim (Kreis Ludwigsburg) zum Namen „Ganerbenstadt“, Haßmersheim (Neckar-Odenwald-Kreis) zum Titel „Schifferdorf“ und Reichartshausen (Rhein-Neckar-Kreis) zur „Centgemeinde“ – nach einer Gerichtsbarkeit. Ins selbe Horn stoßen Heimsheim (Enzkreis) als „Schleglerstadt“ – ein Ritterbund – und Holzmaden, (Kreis Esslingen), das tief in die Geschichte geht und als „Urweltgemeinde“ an seine Fossilienfunde erinnert.

Ebenso beliebt ist die Bezugnahme auf historische Persönlichkeiten. Philipp Melanchthon steht Pate für die „Melanchthonstadt“ Bretten (Kreis Karlsruhe), wo er 1497 geboren wurde. Ein kleiner Star unter den Namensgebern von Kommunen ist allerdings ein Zeitgenosse des Luther-Vertrauten. Götz von Berlichingen galt bisher den Jagsthausenern als Patron, dort wurde er 1441 geboren. Vor einem Jahr wählten sie den Namenszusatz „Heimat Götz von Berlichingens“.  Der streitbare Ritter mit der eisernen Faust, dem Goethe so drastische Worte in den Mund legte, kaufte 1517 die Burg Hornberg in Neckarzimmern (Neckar-Odenwald-Kreis). Deshalb ging dieses Jahr der dortige Antrag auf „Sitz Götz von Berlichingens“ durch. Die Begriffsnähe ist für Minister Strobl kein Problem, stelle doch der Ritter in der Gegend eine wichtige Identitätsfigur dar.

Identität stiftete Schiller mit seinem Wilhelm Tell in Ötigheim (Kreis Rastatt). Die Freilichtspiele hatten den ersten großen Erfolg mit Schillers Spätwerk, weshalb die Verbeugung vor dem Drama zum Namen „Telldorf“ führt. Ebenfalls erklärungsbedürftig ist Mühlackers Namenswahl „Senderstadt“. Die Enzkreis-Stadt bezieht sich auf einen stillgelegten und durch Bürgerengagement vor dem Abriss geretteten Sendemasten, mit 273 Metern das wohl höchste Bauwerk im Land. Der Ortsteil Lienzingen als „Etterdorf“ hingegen erinnert an seine Dorfbefestigung.

Das gemeinsame Europa kommt an der Landesgrenze zum Tragen

Doch es geht auch klassisch: Wangen im Allgäu (Kreis Ravensburg) und seine Ortsteile Karsee, Leupolz, Neuravensburg, Niederwangen, Schomburg und Deuchelried nennen sich Erholungs- oder Luftkurorte. Breisach (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) dagegen verschreibt sich einer politischen Idee: Nachdem sich bereits 1950 bei einer Abstimmung 96 Prozent der Grenzstädter für ein geeintes Europa ausgesprochen haben, steht wohl bald auf den Ortsschildern kurz vor der französischen Grenze der Name „Europastadt“.

Innenminister Thomas Strobl hat 14 Kommunen das Recht verliehen, einen Zusatznamen zu tragen. Einige Vertreter hatten schon die passenden Ortsschilde dabei.

Hilfreich für die Identität und den Tourismus

Der Landtag hat Ende 2020 die Gemeindeordnung im Paragrafen 5 um eine Passage geändert, nach der Gemeinden oder Ortsteile besondere Bezeichnungen führen dürfen. Dazu braucht es die Dreiviertelmehrheit im Gemeinderat und das Okay des Innenministeriums. Die Änderung stieß auf Zustimmung der kommunalen Familie, der Gemeindetag etwa verweist auf die kommunale Identität und touristische Belange.

Vor der von Innenminister Strobl vorangetriebenen Novelle wurden die Zusatzbezeichnungen strenger gehandhabt, es ging um die Verleihung der Titel „Bad“ und „Universitätsstadt“.

Peter Schwab

Peter Schwab kümmert sich um verschiedene Journale der Zeitung und arbeitet außerdem im Crossmediateam und im Ressort Kreis und Kommune. Schon während seines Jura-Studiums hat er für verschiedene Zeitungen geschrieben, später volontiert und als Lokalredakteur gearbeitet. Nach seiner Zeit als Pressesprecher hat er erneut die Seiten gewechselt und ist 2022 zum Staatsanzeiger gegangen – und damit zum guten alten Journalismus zurückgekehrt.

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