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Laut Studie: Gemeinderäte klagen über weniger Einfluss auf Entscheidungen

In Baden-Württemberg engagieren sich rund 20 000 Kommunalpolitiker in Gemeinderäten, Ortschaftsräten, Kreistagen und weiteren Gremien. Landesweit gibt es nur wenige Statistiken zu den Kommunalpolitikern. An der Hochschule Kehl gibt es nun eine Untersuchung, die Licht ins Dunkel bringt.

Kommunalpolitiker sehen ihren Einfluss schwinden. Gründe seien, dass die Verwaltung die Gremien unzulänglich informiert und dass sich Einzelne profilieren.

dpa/Zoonar/Matej Kastelic)

KEHL. Studien über die Zusammensetzung und Arbeit von Gemeinderäten sind selten, weil sie nur mit viel Aufwand erstellt werden können. Interessant sind sie, weil sie Erkenntnisse Aufschluss darüber liefern, wie es um das „Fundament der Demokratie“ bestellt ist. An der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl haben Studierende nun seit 2008 zum ersten Mal umfangreicher nachgefragt. Zum Teil unterscheiden sich die Ergebnisse erheblich, in anderer Hinsicht zeigen sich lange Kontinuitäten mit Blick auf die Gemeinderäte. Befragt wurden insgesamt knapp 2100 Gemeinderäte.

Anteil mehrfach engagierter Kommunalpolitiker geht zurück

Im Langzeitvergleich wird zunächst sichtbar, dass sich die Kräfteverhältnisse in den kommunalen Gremien grundlegend und nachhaltig verschoben haben. Waren vor zwölf Jahren noch die CDU und die Freien Wähler mit Anteilen von jeweils zwei Fünfteln an den Sitzen die dominierenden Kräfte, sind die Sitze nun deutlich gleichmäßiger unter mehr Listen als früher verteilt. Die Grünen konnten die Anzahl der Sitze beispielsweise landesweit mehr als vervierfachen.

Umfrage auch in Regierungsbezirken Stuttgart und Tübingen

Insgesamt wurden von den Studierenden der Hochschule die Kommunalpolitiker in 98 Orten verschiedener Größenklassen in den Regierungsbezirken Karlsruhe und Freiburg gebeten, bei der Umfrage mitzumachen. Etwa ein Viertel der Befragten folgten dem Aufruf. Angeleitet wurde die Studie vom ehemaligen Rektor der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl, Paul Witt, der auch schon die Untersuchung im Jahr 2008 durchgeführt hatte. Jetzt lassen sich Langzeitvergleiche ziehen.

In den kommenden Semestern sollen weitere Studierende die Umfrage auf Orte in den Regierungsbezirken Stuttgart und Tübingen ausweiten, sodass landesweite Ergebnisse vorliegen werden.

Aus der Studie und dem Vergleich mit der vorherigen Untersuchung lässt sich ableiten, dass die Arbeitsbelastung von ehrenamtlich engagierten Kommunalpolitikern gestiegen ist. Knapp ein Viertel der Gemeinderäte waren 2008 zusätzlich auch noch als Ortschaftsrat oder Bezirksbeirat engagiert. Dieser Anteil ist auf rund 18 Prozent gesunken. Gleichzeitig ist der Anteil derer, die kein zusätzliches politisches

Mandat innehaben von 67 auf 72 Prozent gestiegen.

Große Veränderungen gibt es auch bei der Frage, ob in früheren Jahren andere Familienmitglieder schon einmal kommunalpolitisch aktiv waren. 60 Prozent hatten 2008 angegeben, das sei beim Vater oder bei der Mutter der Fall gewesen. Dieser Anteil ist nun auf 37 Prozent zurückgegangen. Dafür ist die Anzahl der Gemeinderäte, deren Partner im politisch-öffentlichen Leben aktiv ist, von zwölf auf knapp 22 Prozent gestiegen.

Kommunalpolitiker – so weist es die Studie aus – sehen ihren persönlichen Einfluss auf Entscheidungen vor Ort schwinden. Sagten 2008 noch mehr als zwei Drittel, sie hätten einen „gewissen Einfluss“, so ist dieser Anteil auf 60 gesunken. In den meisten Fällen wird dieser Einfluss über Absprachen in der Fraktion oder über die Ausschussarbeit und Redebeiträge im Gemeinderat ausgeübt. Gefragt nach den Faktoren, die die Ratsarbeit erschweren, spielen insgesamt 13 Punkte und damit eine Vielzahl von Punkten eine Rolle, die häufiger genannt werden. An der Spitze stehen die Faktoren, dass die Verwaltung den Gemeinderat unzulänglich informiert, einzelne Ratsmitglieder sich profilieren wollen oder es um die Finanzen der Gemeinde schlecht bestellt ist. Allein um 20 Prozentpunkte gestiegen ist der Faktor, dass die kommunalen Aufgaben zugenommen hätten.

Geänderte Gemeindeordnung macht Aufgabe nicht attraktiver

Die Änderungen der Gemeindeordnung aus dem Jahr 2015, etwa das Erstatten von Betreuungskosten für Kinder oder zu pflegende Angehörige, die Mindestfrist beim Verschicken von Vorlagen oder die Stärkung der Minderheitenrechte bei der Aufnahme von Tagesordnungspunkten, werden von knapp der Hälfte der Befragten positiv gewertet. Die andere Hälfte ist allerdings auch der Ansicht, dass diese Änderungen noch nicht ganz ausreichend sind, um die Attraktivität der kommunalen Gremien zu steigern. Gefragt nach den Verbesserungsvorschlägen wurden höhere Entschädigungen und eine Begrenzung der Sitzungsdauer genannt. Vergleichswerte zur älteren Studie gibt es in diesen Fällen nicht, weil die Fragen jetzt erst neu aufgenommen wurden.

Kontinuitäten gibt es mit Blick darauf, dass fast zwei Drittel der Kandidaten im ersten Anlauf den Sprung in den Gemeinderat geschafft haben und dass der Bekanntheitsgrad, etwa durch Vereinstätigkeit, immer noch eine große Rolle bei den Wählern spielt. Hier sind insbesondere Sport-, Musik- und Gesangsvereine bedeutsam. Auch die Motivation, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren, hat sich nicht geändert: Den Gemeinderäten geht es größtenteils um das Allgemeinwohl.

Lesen Sie weitere Studien aus der Hochschule Kehl auf unserer Themenseite „Bachelorarbeiten aus den Verwaltungshochschulen“.

Quelle/Autor: Marcus Dischinger

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