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Wahlhelfer aus Leidenschaft: Ohne sie funktioniert die Demokratie nicht

Hinter den bevorstehenden Wahlen steckt viel ehrenamtliche Arbeit. Wahlhelfer ermöglichen den Urnengang erst. Sie sind aber nicht immer leicht zu finden.

Alexander Schmidt ist schon seit mehr als zehn Jahren als ehrenamtlicher Wahlhelfer tätig.

dpa/Marijan Murat)

Stuttgart. Er liebt das Ausfüllen von Formularen, die Beschäftigung mit Zahlen und Statistiken und die Klarheit von Wahlergebnissen. „Ich mag Bürokratie“, gibt Alexander Schmidt unumwunden zu und hat damit die besten Voraussetzungen für einen guten Wahlhelfer. Der 31-Jährige gehört schon seit seinem 19. Lebensjahr zu den engagierten Menschen, die dazu beitragen, dass Wahlen in Baden-Württemberg reibungslos vonstattengehen. In einem Wahlbezirk im Osten der Stadt Stuttgart ist er zum dritten Mal Chef des achtköpfigen Wahlhelferteams  – ein Amt, um das sich kaum jemand reißt. 

Schmidt hat am 9. Juni das Hausrecht über das Wahllokal in der Raitelsbergschule , das er Punkt 8 Uhr öffnen muss. Nach der Wahl muss der Sozialwissenschaftler die Stimmzettel der Kommunalwahl ins Rathaus fahren, wo sie in den darauffolgenden beiden Tagen ausgezählt werden. Die Ergebnisse der Europawahl und der Regionalwahl stehen noch am Wahlabend fest. Zudem muss Schmidt die Lokalität vor der Wahl begehen und eine Schulung absolvieren. Für diese Vorbereitungen erhält er dieselbe Summe wie am Wahltag – 99 Euro. 

Menschen, die wie Schmidt willens sind, solche Leitungsaufgaben zu übernehmen, sind auch in der Landeshauptstadt schwer zu finden. „Zurzeit müssen wir noch aus dem Kreis der erfahrenen Wahlhelfenden einige Personen gewinnen, die bereit sind, erstmalig die Funktion eines Wahlvorstehers oder einer Stellvertretung zu übernehmen“, erläutert Stadtsprecher Sven Matis. Ansonsten seien die rund 3800 Plätze besetzt. Zwischen Main und Bodensee werden 80 000 Wahlhelfer in 11 000 Wahllokalen benötigt.

Probleme der Kommunen bei der Suche nach Wahlhelfern

Die Kommunen müssen ausreichend Ehrenamtliche mobilisieren, vor allem unter den städtischen Mitarbeitern. Die Entschädigungen reichen von unter 50 Euro bis hin zu 100 Euro und einem freien Tag. Dem Städtetag sind Probleme bei der Anwerbung der Ehrenamtlichen zu Ohren gekommen. Verbandssprecherin Christiane Conzen : „Landauf, landab ist es in der Tat nicht überall so ganz einfach, ausreichend Wahlhelferinnen und Wahlhelfer zu rekrutieren.“ Da seien zum Teil mehrere Aufrufe nötig. 

Das kann Schmidt kaum verstehen. Er brennt für das Amt, auch weil er ein „Super-Team“ mit wenig Fluktuation leitet. „Die meisten bleiben dabei, wenn sie merken, dass das Spaß macht.“ Es sei schön, nach längerer Zeit die Mitstreiter wiederzutreffen. „Da gibt es viel zu quatschen.“ Überdies sind dem Mann Wahlen als ein Barometer für die Stimmung in der Gesellschaft wichtig: „Wir alle wollen in einer Demokratie leben, wir wollen alle wählen gehen – am Ende braucht es Leute, die sich drum kümmern und sich ins Wahllokal setzen.“ 

Der junge Mann mit Nasenpiercing ist auch für Ruhe und Ordnung im Wahllokal verantwortlich. Einmal pöbelte dort ein Mann und schimpfte über eine angebliche Scheindemokratie – ihn musste Schmidt hinauskomplimentieren. Er wacht auch penibel über die geheime Wahl. Ehepaare tendierten gelegentlich dazu, einander beim Ankreuzen in der Kabine über die Schulter zu schauen. Bei solchen Regelverstößen muss er eingreifen.

Zudem stehen die Wahlhelfer beratend zur Seite – etwa bei Fragen zum sogenannten Panaschieren und Kumulieren. Also die teils komplexen Verteil-Möglichkeiten der vielen Stimmen, die die Wahlberechtigten bei der Kommunalwahl haben.  

Städte zahlen mehr Geld

Die Stadt Mannheim hat aus Engpässen vor fünf Jahren gelernt: Die Entschädigung für den Wahlsonntag wurde von 60 auf 100 Euro angehoben. Städtische Mitarbeiter können stattdessen auch einen Tag freinehmen. Auch mit dem Verzicht auf das aus ihrer Sicht wenig aussagekräftige Stimmzettelergebnis der Kommunalwahl noch am Sonntag will die Stadt die Tätigkeit für die Freiwilligen attraktiver machen, da sie am Wahlsonntag nicht mehr bis spät in die Nacht auszählen müssen. „Die Rückmeldungen sind besser als beim letzten Mal“, sagt Carolin Strifler-Tavernier von der Stadt. Die insgesamt 1700 Plätze sind bereits weitgehend besetzt, weitere Kandidaten verstärken die Reserve für Ausfälle.

Auch in Freiburg hat man das Honorar erhöht. „Es gab einen Inflationsausgleich, aber das spielt nur eine sekundäre Rolle“, sagt Stadtsprecher Toni Klein. Der Vorstand oder die Vorsteherin im Wahllokal erhalten 100 Euro, ihre Stellvertreter 85 Euro. „Wir haben in der Regel keine Schwierigkeiten, genügend Helfer zu finden.“ Es gebe einen festen Stamm, der mehrere Male dabei sei. Bei den jungen Leuten sei die Fluktuation höher. Insgesamt überwiegen laut Klein ältere Menschen; Männer und Frauen sind gleichstark vertreten. 

In Ulm stellt sich die Lage anders dar. „Es ist schwieriger, Helfer zu finden, da etliche bisherige kandidieren und dadurch ausfallen, andere nutzen die Zeit nach den Schulferien, um außerhalb der teuren Saison Urlaub zu machen“, heißt es aus dem Rathaus der Münsterstadt. Etliche komplette Teams fehlten so wie ein paar Einzelne in bestehenden Teams. Den Einsatz würdigt die Stadt mit einem „Zehrgeld“ von 70 Euro. 

Die Stadt Weinheim (Rhein-Neckar-Kreis) hat sich schon früh um das Thema gekümmert. Neben dem städtischen Personal greift die Kommune auf 250 Helfer zurück, die bereits im Oktober angeschrieben wurden. Die externen Wahlhelfer bekommen 47 Euro pro Tag – und obendrauf ein kostenloses Mittagessen.  

Kommunen müssen für Wahlen blechen

Die Ausgaben für den Urnengang gehen in die Millionen. In Stuttgart etwa schlagen die Gesamtkosten für Europawahl, Gemeinderatswahl und die Wahl der Regionalversammlung mit 3,3 Millionen Euro zu Buche. Darin enthalten sind Druckkosten für die umfangreichen Stimmzettel für die Kommunalwahl und Umschläge, Portokosten und Entschädigungen. Der Bund übernimmt einen Teil der Kosten für die Europawahl. Die Stadt rechnet mit 650 000 Euro Rückerstattung.

Wahlvorsteher Schmidt empfiehlt den Job. Immerhin seien die Entschädigungen steuerfrei und die Arbeitszeit sei überschaubar. Die Wähler kämen zu Stoßzeiten nach dem Kirchgang und am späten Nachmittag – dazwischen bleibe genug Zeit für Kaffee und Kuchen. Zudem honorierten die Wähler das Engagement der Wahlhelfer. Schmidt erzählt: „Sie bedanken sich und sagen: ‚Schön, dass Sie da sind.’“ ( lsw )

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